27/02/2022
Herzlichen Dank für diese sehr anschauliche Ausführung!!
Was ist alles inkludiert, wenn man eine Trainingseinheit bezahlt?
· 45 Minuten meiner ungeteilten Aufmerksamkeit
· 15 Minuten, um zum Viereck zu gehen, Fragen zu beantworten und Termine zu vereinbaren
· Meine Fahrtzeit – Auch wenn ich nur in der näheren Umgebung unterrichte, fahre ich selten weniger als 15 Minuten zu einem Stall.
· Meine Fahrtkosten – Sprit, Vignette und Abnutzung. Ich habe früher gedacht, das amtliche Kilometergeld von 0,42€/km wäre großzügig gerechnet; in den letzten Jahren hat es sich aber als sehr dürftig erwiesen.
· Meine berufliche Haftpflichtversicherung
· Meine Beiträge an die SVS
· Steuern
· Meine Ausbildungen, die ich (abgesehen vom Hochschuldiplom in Pferdewirtschaft) alle selbst finanziert habe.
· Die verpflichtenden Fortbildungen, die ich brauche, um als lizensierte Trainerin arbeiten zu können.
· Über 25 Jahre Berufserfahrung – Da ich meine Ausbildungen ständig praktisch umsetze, kann ich es besser einschätzen, welches „Werkzeug“ einem Pferd bzw. einem Reiter/einer Reiterin am meisten hilft, als eine Trainerin/ein Trainer mit weniger Erfahrung.
Wenn man das betriebswirtschaftlich ausrechnen würde, käme man auf einen Stundensatz, der dem eines Mechanikers gleicht. Gut, dass wir mobilen Reitlehrerinnen und -lehrer unsere Jobs lieben, denn wir haben keine realistische Chance, in der Freizeitbranche viel zu verdienen. Das hat ein paar Gründe. Zum einen kann man ein Pferd nicht einfach in einer Stunde „reparieren“. Wenn Probleme gelöst werden oder ein Pferd ausgebildet wird, ist das ein Prozess, der eine Begleitung über mehrere Einheiten braucht. Vor allem, wenn es sich um die Grundausbildung handelt, gibt es viele Phasen, in denen man zwei extra Hände braucht. Die meisten Pferdebesitzerinnen und -besitzer können sich einen höheren Stundensatz der Reitlehrerinnen und -lehrer neben ihren anderen Kosten aber einfach nicht wöchentlich leisten.
Der zweite Faktor ist der Markt. Reiten zu unterrichten, ist bei Schönwetter eine wirklich tolle Sache. Und eigene Pferde sind teuer. Daher unterrichten viele Leute neben ihrem eigentlichen Hauptberuf, um etwas dazuzuverdienen. Sie können dafür ganz andere Preise verlangen als hauptberufliche Reitlehrerinnen und -lehrer.
Momentan haben immer mehr Freizeitreiterinnen und -reiter ihre Pferde in kleinen, landwirtschaftlichen Ställen eingestellt oder halten sie sogar zuhause. Oft sind daher keine Fachpersonen vor Ort. Gleichzeitig machen die steigenden Treibstoff-Kosten ein Leben als mobile Dienstleisterin/mobiler Dienstleister aber immer schwieriger und es gibt immer weniger von uns. Wie kann man dem als Pferdebesitzerin oder -besitzer entgegensteuern? Hier ein paar Ideen:
· Möglichst wenig absagen. Wenn man damit rechnen muss, dass nur 60 bis 70 Prozent der ausgemachten Stunden stattfinden, dann wird der Stundensatz teurer. Corona und die damit verbundenen Quarantänen haben diese Situation natürlich verschlimmert, aber es wurde auch vorher schon viel abgesagt – weil der Boden nicht passt, es regnen könnte, oder, oder, oder. Klar, ich möchte auch nicht erkranken, weil ich fünf Stunden bei einem Italientief im strömenden Regen stehe. Dank meiner vielen Werkzeuge kann ich aber Alternativen anbieten, z.B. ein Trockentraining oder Körperarbeit.
· Ein Budget für Trainingseinheiten einplanen. Wenn man ein neues Pferd kauft, gibt es am Anfang oft Kommunikationsprobleme. Und wenn man ein junges Pferd kauft, muss es erst einmal angeritten werden. Eine kluge Person hat einmal gesagt, Reitstunden seien gelebter Tierschutz. Und Lernen macht Spaß – bevor ihr euch also eine neue Sc******ke kauft, die ihr eh nicht unbedingt braucht, nehmt lieber eine Reitstunde!
· Und schließlich: Leute in der näheren Umgebung dazu motivieren, auch Stunden bei eurem Reitlehrer/eurer Reitlehrerin zu nehmen, damit Fahrtkosten gespart werden können.