02/06/2023
Sehr schön geschrieben….,
Glühwürmchen im Herzen
Wisst ihr, was ich ganz schlimm finde? Wenn jemand seinem Pferd sämtliches “Licht” wegreitet. Jetzt denkt ihr - Hä? Hat die Nika gesoffen? Nein, nein, nicht mehr als üblich. Ich weiß nur kein besseres Wort dafür. So ein Pferd wird ja mit einem Temperament geboren, einem Funken, einer Seele. Und die sollte man auch immer sehen können, egal, wie gehorsam oder wie angestrengt es ist, egal wie schnell es läuft oder wie hoch es springt. Da muss immer noch etwas Eigenes sein. Etwas Besonderes. Das dieses Pferd ausmacht. Das ist es, was die Leute an den Spitzenpferden anzieht, aber man sieht es auch bei ganz alltäglichen Dingen, mit dem niedlichen Shetlandpony im Stall. Jedes Pferd hat das und es ist unser Job als Reiter, das auch zu erhalten. Umso betroffener bin ich immer, wenn ein Pferd komplett schwarz bleibt und da kein Licht mehr brennt.
Das sieht man leider immer häufiger. Es zieht sich durch sämtliche Reiterei und ist kein alleiniges Merkmal des Sports, nein, es fängt im ganz Kleinen an und man sieht es überall. Im Gelände, im Parcours, in der Halle, auf der Rennbahn oder im Round Pen, bei der Bodenarbeit. Viele Leute bemerken das überhaupt nicht. Einige verbrämen es sogar mit dem Wort “brav”. Und manche behaupten das völlige Gegenteil. Wer kennt es nicht: Die sprechen von Stolz - der Rest sieht nur ein gebrochenes Pferd, das einfach aufgegeben hat. Sämtliches Licht - weg. Umso schöner ist es, dass man das Licht auch wieder herauskitzeln kann, wenn man sich wirklich Mühe gibt und so kann ein neuer Besitzer manchmal Balsam für die Pferdeseele sein. Der dem Pferd auch mal erlaubt, es selbst zu sein. Am Anfang ist es dann nur ein Glühwürmchen, nachher ein Atomreaktor. Und so möchte ich Pferde auch sehen. Und zwar nur so.
Gerade die, die absolute Verlasspferde wollen, schaffen es schnell, dem Pferd das Licht auszupusten. Dort wird alles sanktioniert, das Pferd darf nicht mal mehr unerlaubt mit dem Ohr wackeln oder das Gewicht des Hufes verlagern und so trauen sie sich eigentlich gar nichts mehr, ohne absolute Erlaubnis des Reiters. Einige dieser Kandidaten ziehen sich dann so zurück, dass man sie auch auf der Koppel nicht mehr wirklich glücklich sieht. Aber es reicht eigentlich schon, das Pferd beim Reiten so mundtot zu machen, dass das Glühwürmchen in der Brust einfach verschwindet. Man sieht sie an jedem Ort der Welt, wo geritten wird. Nur machen das eben Leute aus unterschiedlichen Gründen. Die Freizeitreiter machen das, weil sie ein “liebes” Pferd wollen. Sie verwechseln aber “scheintot” mit Erziehung. Die nächsten machen es aus Verblendung und eingeredetem “Können”. Über die wollen wir lieber gar nicht sprechen, die finde ich mit am Schlimmsten.
Die Sportreiter wollen mit der “Licht aus” Methode Überraschungen vermeiden. Eigentlich ist das Pferd gut genug, ABER … eigene Meinung und Idee unerwünscht. Also klar, das Pferd soll bitte nicht einfach aus dem Viereck stiefeln, wenn ihm danach ist und auch nicht in der Startbox stehenbleiben oder sein Trabrennen im Galopp absolvieren, weil ihm das besser gefällt. Aber da muss man einen anderen Weg finden und nicht einfach das Pferd immer kleiner und kleiner machen, sodass es sich davor fürchtet, überhaupt noch einen Gedanken zu fassen oder sich zu äußern. Die Top-Pferde, die wirklich auf dem allerhöchsten Niveau mitmischen, sind nämlich keine Maschinen ohne Licht. Die haben alle was. Was Eigenes, ihre Präsenz, die einen ganzen Saal, eine Halle, eine Rennbahn, füllen kann. Einfach nur, weil sie da sind. Und wenn man ihnen das Glühwürmchen auch lässt, dann strahlen sie am Ende nur umso heller.
Foto: Hat das dicke Glühwürmchen nicht nur im Herzen, sondern auch im Kopf. Da brummt es dann manchmal lustig.