18/10/2022
Sehr schön beschrieben, finde ich...und leider trifft man solche Pferde viel zu oft!
Das traurige Pferd. Immer wieder mal fallen uns Pferde auf, die regelrecht depressiv wirken. Sie wirken dauerhaft in sich gekehrt, freudlos, reagieren kaum auf Kontaktaufnahme, nehmen auch kaum freundlichen Kontakt zu Artgenossen auf, zeigen manchmal ein Schmerzgesicht. Sie haben ihre Gehlust verloren, sind oft eher untergewichtig und sind kaum zu motivieren. Andere sind „schlecht gelaunt“ bis hin zur Aggressivität. All diese Dinge sind immer ein Alarmzeichen und ein sehr sehr lauter Hilfeschrei.
Die dauerhafte Traurigkeit und Lethargie eines Pferdes, die manchmal auch in Aggressivität umschlägt, kann wirklich sehr sehr viele Ursachen haben.
Manche Pferde bekommen zu wenig Schlaf oder zu wenig gutes Futter, andere vermissen einen geliebten Kumpel. Andere fühlen sich in der ihnen vom Menschen zugewiesenen Haltungsform nicht wohl. Sei es eine Haltung in einer engen Box ohne regelmäßige Sozialkontakte und ohne viel Auslauf oder eine Haltung in einer schlecht gepflegten/geführten Offenstallanlage mit wechselnder Herdenzusammensetzung und zu wenig Platz. Zu wenig Platz für Futterstellen, für Schlafplätze, für Trinkmöglichkeiten, für Witterungssschutz.
Oder sie waren ein „Ein-Mann-Pferd“ und werden nun plötzlich von vielen verschiedenen Reitern geritten. Das kann es bei Schulpferden geben. Ähnliches habe ich schon bei einem Spanier erlebt, der von einem Mann in Spanien geritten und ausgebildet wurde und dann von einer Frau gekauft wurde. Mit Frauen konnte er aber tatsächlich nichts anfangen. Er war nur froh, wenn er einen Mann sah. Eine späte Kastration kam erschwerend hinzu.
Oder die Pferde werden dauerhaft drangsaliert, in der Herde oder von den Menschen.
Oder sie sind sauer geritten worden, das gibt es leider in allen Sparten.
Oder ihr Wille ist mit Gewalt gebrochen worden, das ist besonders tragisch.
Oder sie leiden an einem chronischen Schmerz, Schmerzen des Bewegungsapparates, im Bereich des Kopfes oder im Bauchbereich oder im Rücken.
Oder sie vertragen das angebotene Futter nicht oder es ist viel zu wenig.
Was kann man tun?
Zunächst einmal sollte ein Tierarzt das Pferd wirklich gründlich untersuchen und auch eine Blutwertanalyse gemacht werden, um Hinweise auf Erkrankungen nicht zu übersehen. Auch die Hufbearbeitung sollte unter die Lupe genommen werden und sämtliches Zubehör.
Und dann kann erst einmal nur versuchen, die Lebensbedingungen für das Pferd zu optimieren, so dass DAS PFERD sich wohlfühlt. Das kann durchaus von den Vorstellungen des Besitzers deutlich abweichen. Da das Pferd ja über 20 Stunden des Tages ohne uns auskommt, ist dieser Aspekt sehr sehr wichtig.
Und dann ist ein wirklich freundlicher Umgang des Menschen mit diesen Pferden extrem wichtig. Auch Kleinigkeiten zu loben. Einfache Dinge zusammen zu machen. Ganz andere Dinge zu machen, als die Dinge, mit denen das Pferd Unangenehmes verknüpft.
Da bietet sich „kleine“ Zirzensik an, Ausritte oder Spaziergänge in netter Gesellschaft, das heisst mit einem Pferd, dass das Pferd mag, und dann auch mal Dinge, die bisher ungewohnt waren. Ein Trailparcours oder Working Equitation. Und das alles gaaaaanz klein und mit viel Lob beginnen. Gern auch mit wohl dosiertem Futterlob. Damit das Pferd wieder positive Dinge mit dem Menschen verknüpft. Auch sanfte Massagen können eine Idee sein und grundsätzlich das Kraftfutter oder das Mash vom Menschen direkt geben. Auch mal einfach nur gemeinsam zu chillen, sich zum Pferd zu setzen und ein Buch zu lesen. Sich gemeinsam einen Apfel teilen. Ganz einfache Dinge.
Auch der Kontakt zu Kindern oder anderen Tierarten kann ein Zugang sein. Man darf und sollte sich durchaus etwas einfallen lassen.
So kann es Euch dann vielleicht gelingen, die Stimmung des Pferdes wieder zu verbessern und damit auch die Lebensfreude zu steigern. Denn auch das ist unsere Pflicht. Die Pferde zu fördern: in ihrem körperlichen und seelischem Wohlbefinden!
Das ist dann auch
im Sinne der Pferde
Eure Dagmar Ciolek