07/08/2021
Einzelhaltung von Rennmäusen
Eine Einzelhaltung von mongolischen Rennmäusen ist nicht artgerecht, ich denke das ist den Allermeisten klar.
Trotzdem werden immer wieder Rennmäuse alleine gehalten, und natürlich haben die entsprechenden Besitzer immer eine passende Begründung parat, warum es in ihrem Fall eben doch nötig ist.
Ein paar dieser Statements die man zur Einzelhaltung immer wieder hört oder liest möchte ich in diesem Text aufgreifen und darauf eingehen, warum diese vermeintlichen „Gründe“ fast immer keine echten Gründe, sondern Ausreden sind.
Vorweg, weil ich mir denken kann, dass einige innerlich schon zu einem „Aber…“ ansetzen, ein paar nachvollziehbare Gründe, warum man seine Rennmaus alleine hält:
Ausgenommen von dem was folgt sind natürlich Tiere die nach dem Tod ihres Partners oder einem Streit, der zur Trennung einer Gruppe führte übergangsweise alleine leben, aber wieder vergesellschaftet werden sollen.
Ebenso Tiere die steinalt oder krank sind und deren Zustand eine Vergesellschaftung nicht zulässt, da der damit einhergehende Stress ihrer ohnehin schon schlechten körperlichen Verfassung nur noch mehr schaden würde.
Vereinzelt gibt es auch Rennmäuse die gravierende körperliche Einschränkungen haben, welche ein Zusammenleben mit anderen Rennmäusen sehr schwierig machen. Ein Beispiel wären taube Tiere, die in ihrer Kommunikation mit Artgenossen stark eingeschränkt sind, wodurch es zu Missverständnissen kommen kann, die immer wieder dazu führen, dass sie sich mit anderen zerstreiten.
Auch ausgenommen sind Renner die durch traumatische Erfahrungen oder quasi nicht vorhandener Sozialisation psychisch in irgendeiner Form so beeinträchtigt sind, das schon etliche Versuche (und damit meine ich ausdrücklich NICHT nur ein oder zwei) ihnen wieder Gesellschaft zu geben gescheitert sind, wobei verschiedene Konstellationen und Vergesellschaftungsmethoden ausprobiert wurden und gescheitert sind. Kurz gesagt Tiere, bei denen man wirklich alles Erdenkliche versucht hat und mit seinem Latein einfach am Ende ist. Davon gibt es aber nur sehr sehr wenige Tiere, auch wenn viele als solche deklariert werden, denn oft geben die Menschen leider zu früh auf.
Damit sind wir nun auch schon bei Gründen, warum eine Rennmaus alleine gehalten wird.
Kommen wir zu den Statements, den vermeintlichen „Gründen“ für eine Einzelhaltung, die einem leider immer wieder begegnen. Es gibt sicherlich noch weitere, hier aber nun die, die mir besonders häufig begegnen, oder bei denen ich besonders heftig mit dem Kopf schütteln muss, weil ich so eine Denkweise einfach nicht begreifen kann:
„Ich habe keine Zeit für eine Vergesellschaftung“
Es gibt sowohl private Rennmaushalter, als auch Pflegestellen und Züchter die Vergesellschaftungen für andere übernehmen. Hat man selbst keine Zeit für eine VG, kann man versuchen so jemanden zu finden, der das für einen übernimmt.
Meistens scheint diese Aussage eher eine Ausrede zu sein, von Leuten die sich nicht trauen eine Vergesellschaftung durchzuführen, denen eine Vergesellschaftung zu kompliziert oder anstrengend ist, die sich aber doch nicht so recht von ihrem Tier trennen können.
Sollte man die VG nicht selbst durchführen können und auch die Option, dass diese ein anderer übernimmt keine Option oder nicht möglich sein, dann ist das einzig Richtige, ein neues Zuhause mit Gesellschaft zu suchen, statt ein Tier aus egoistischen Gründen vereinsamen zu lassen. Auch wenn es schwerfällt.
„Meine Rennmaus ist schon so alt.“
Alter ist kein Hindernis für eine Vergesellschaftung. Ist die Rennmaus gesund und dem Alter entsprechend noch fit, steht einer VG nichts im Wege.
Soziale Tiere sollten nicht einsam sterben müssen, und gerade bei alten Tieren ist eine VG oftmals sogar einfacher. Natürlich mutet man dem alten Tier Stress zu, was man verständlicherweise ungern macht. Aber an dieser Stelle muss man sich wirklich fragen was für ein soziales Tier schlimmer ist: Komplett alleine und einsam auf den Tod zu warten, oder über eine absehbare Zeit etwas Stress, aber danach aber noch eine gute gemeinsame Zeit zu haben?
„Meine Rennmaus hat schon mal eine andere verletzt/getötet“
Leider immer wieder Thema und inzwischen ein echtes Problem in der Rennmaushaltung - Streitigkeiten.
An sich sind Rennmäuse soziale Tiere die einen Artgenossen brauchen, allerdings gibt es zumindest gefühlt immer häufiger Probleme mit Streitereien, die ggf. blutig oder sogar tödlich enden können.
Egal durch was der Streit ausgelöst wurde, dem Ganzen liegt eigentlich immer ein Grundproblem zugrunde.
Etwas vereinfacht ausgedrückt: Gibt es ernsthaften Streit kommt der Angreifer irgendwann an einen Punkt, an dem er die andere Maus aus „seinem“ Revier verjagen will. Während die gejagte Maus in der Natur nun super fliehen könnte, klappt das in einem geschlossenen Gehege leider nicht. Die Gejagte Maus hat keine Möglichkeit das Gehege zu verlassen und so eskaliert die Situation, und der Angreifer entledigt sich der gejagten Maus anderweitig, oder versucht es zumindest.
Das bedeutet aber NICHT!, dass die in diesem Fall angreifende Maus besonders aggressiv wäre und man davon ausgehen muss, dass sie andere ab sofort immer wieder angreifen und verletzen oder gar umbringen wird.
Es bedeutet nur, dass das Zusammenleben dieser beiden Tiere so nicht funktioniert hat. Oft weiß man nicht genau was den Streit eigentlich ausgelöst hat, und kann daher auch überhaupt nicht einschätzen, ob die Maus, die den Kampf besser überstanden hat überhaupt der ursprüngliche Angreifer war. Hat sie sich vielleicht nur verteidigt? War der Auslöser ein Missverständnis? Haben wir als Menschen Anzeichen übersehen oder durch unser Handeln vielleicht sogar dazu beigetragen, dass der Streit überhaupt erst entstanden ist?
Ihr merkt schon, es ist komplizierter als: Die Maus hat die andere umgebracht, ist daher aggressiv und muss alleine bleiben.
Nein, das muss sie definitiv nicht.
„Ich habs ja versucht, aber die Vergesellschaftung hat nicht geklappt.“
Nicht immer klappt es mit der ersten neuen Rennmaus, mit der man eine Vergesellschaftung versucht. Das bedeutet aber nicht, das die eigene Rennmaus nicht zu vergesellschaften wäre. Gerade bei zwei adulten Tieren braucht es oft mehr als einen Versuch. Ob eine VG erfolgreich ist oder nicht wird von vielen Faktoren beeinflusst: die Sozialisation der Tiere, schlechte Erfahrungen mit Artgenossen, die Vergesellschaftungsmethode, Missverständnisse in der Kommunikation der Tiere…
Klappt es beim ersten mal nicht, darf man sein Tier nicht zur Einsamkeit verdammen. Es bedeutet nicht, dass die Maus alleine leben will, sondern nur, dass sie nicht mit dieser! Maus zusammenleben kann.
Weiß man nicht weiter macht es Sinn sich Hilfe zu suchen. Seien es Tipps von erfahrenen Rennmaushaltern, Pflegestellen oder Züchtern, oder auch, dass man die Vergesellschaftung von jemand anderem durchführen lässt.
„Ich will mit der Haltung aufhören.“
Die Rennmaushaltung ist ein Teufelskreis. Selten sterben zusammenlebende Tiere gleichzeitig, so dass man immer wieder ein neues Tier dazu holen muss, damit die verbliebene Maus nicht alleine bleibt.
Will man mit der Rennmaushaltung aufhören, ist es das einzig Richtige, der verbliebenen Maus ein neues Zuhause mit Gesellschaft zu suchen. Alles andere ist in meinen Augen egoistisch und nicht im Sinn des Tieres. Wir dürfen unsere eigenen Bedürfnisse nicht über die des Tieres stellen. Wir haben eine Wahl, das Tier ist darauf angewiesen, dass wir zu seinen Wohl entscheiden.
„Meine Rennmaus ist glücklich alleine, die bekommt viel Beschäftigung und sie hat ja mich.“
An dieser Stelle frage ich mich immer: Woran genau machen diese Leute eigentlich fest, dass ihr Tier „glücklich“ ist?
Ich erwische mich selbst regelmäßig dabei dass ich sage, dass ein Tier „glücklich“ aussieht.
Selbstverständlich haben auch Rennmäuse Emotionen, können Angst spüren oder „gut drauf“ sein. Allerdings ist Glück ein so komplexes Konstrukt aus diversen Gefühlen, welches jeder für sich etwas anders definiert, dass man sich noch nicht darüber im Klaren ist ob Tiere überhaupt dazu in der Lage sind so etwas wie „glücklich sein“ zu empfinden.
Für mein Verständnis ist damit eher gemeint, dass es dem Tier nicht schlecht geht. Dass seine Bedürfnisse erfüllt sind, dass es alles hat was es zum Leben braucht und man ihm in bestimmten Momenten vielleicht sogar Freude ansehen kann, die es durch bestimmte Verhaltensweisen ausdrückt.
Bei einer Rennmaus die alleine lebt, sind aber nicht alle Bedürfnisse befriedigt. Ein soziales Tier ohne Artgenossen kann gewisse Bedürfnisse eben NICHT ausleben. Es kann nicht kuscheln, den anderen putzen oder geputzt werden, spielen, raufen, oder gemeinsam futtern. Das alles fehlt ihm, und das alles kann der Mensch nicht ersetzen. Da hilft auch viel Beschäftigung nicht.
„In meiner Nähe gibt es aber keine Rennmäuse, und aus der Zoohandlung will ich keine holen.“
Dass man keine Tiere aus Zoohandlungen kaufen will ist super!
Das rechtfertigt aber nicht, seine Rennmaus alleine zu halten. Manchmal muss man eine etwas weitere Fahrt in Kauf nehmen. Ist das nicht möglich, kann man die Tiere auch per Mitfahrgelegenheit, oder bei passenden Temperaturen auch per Tierspedition zu sich holen.
Viele Pflegestellen vermitteln deutschlandweit und nutzen diese Möglichkeiten regelmäßig. Mit etwas Geduld findet sich immer eine Möglichkeit für einen Transport.