21/02/2023
Sag nicht "JA", wenn du "NEIN" meinst....
Es gibt ein Buch, mit diesem Titel, welches uns Menschen als Lebenshilfe dienen soll, für einen besseren und klareren Umgang miteinander.
Wenn Hunde Bücher schreiben könnten, würden sie diesen Titel wohl sehr begrüßen und übernehmen.
Die meisten Hunde die seit Jahren zur Verhaltenstherapie zu uns kommen, haben die Balance zwischen
Ja und Nein
Positiv und Negativ
Geht und Geht nicht
Erlaubt und Nicht erlaubt
nicht hergestellt bekommen.
Das hat sie im Laufe ihrer Zeit sehr verwirrt, und schlussendlich verhaltensauffällig gemacht.
In unserer Menschenwelt lernen wir, uns angepasst zu verhalten. Wir erlernen Werte wie Höflichkeit, Rücksichtnahme, Nachgiebigkeit, Freundlichkeit, und viele weitere.
Impulshandlungen lernen wir von frühester Jugend an zu unterdrücken (wer findet schon Kinder gut, die im Wutanfall die Möbel aus dem Fenster pfeffern), und wenn wir ganz ehrlich sind, werden wir in der Erwachsenenwelt mit der ganzen Unterdrückerei von Emotionen, und der Anpasserei um nicht anzuecken, oftmals innerlich höchst unglücklich, ja schlimmer noch, häufig depressiv, wenn dann noch Verunsicherungen im äußeren Umfeld dazu kommen, dann können auch wir Menschen schnell den roten Leitfaden unseres Lebens verlieren.
Was kann ein Lösungsmodell sein?
Wir suchen uns Ärzte, Berater, Therapeuten, damit wir behandelt werden können, Gesprächstherapien finden statt, man schaut auf Veränderungen, damit man sich wieder fangen kann, und mit einer inneren Zufriedenheit weiterleben kann.
Wer das nicht schafft, lebt oftmals auch nicht mehr weiter.
In der Menschenwelt bedeutet dies jedoch auch, dass wir, aktiv werdend, Hilfe suchen und annehmen können, und selbstbestimmt an Krisensituationen arbeiten können.
Wie sieht es nun bei unseren Hunden, den besten Freunden des Menschen aus?
Hunde haben in den Grundemotionen (Freude, Wut, Trauer, etc.) große Ähnlichkeiten mit den Menschen.
Unsere menschlichen Werte, die wir aus Erziehung, Kultur, Traditionen, Religionen erlernt haben, kennen sie nicht.
Dinge wie Höflichkeit, Rücksichtnahme, etc. sind ihnen fremd, und können demzufolge auch nicht praktiziert werden.
Wenn der Hund im Alltag jederzeit einen Menschen vor Freude anspringen darf, wird er auch an diesem einen, besonderen, Tag, an dem der Mensch ins Theater geht, und die Ballrobe trägt, keine Rücksicht nehmen, seine Freude unterdrücken, und artig ein Kompliment über das schöne Aussehen von sich geben.
Der Hund lebt seit vielen Jahrtausenden mit in unserer Menschenwelt. Häufig entfremden wir ihn stark von seiner eigenen Hundewelt, und, im Gegensatz zu uns Menschen, hat er, bei Unterdrückung von Emotionen, und Anpassung um nicht anzuecken, nicht die Möglichkeiten, SELBSTBESTIMMT seinem inneren Unwohlsein zu entkommen.
Schlimmer noch, bis wir Menschen überhaupt sehen, dass unser Hund verwirrt und unglücklich mit in unserer Menschenwelt lebt, hat dieser schon viele Signale über sein Unwohlsein gesendet, aber wir Menschen nehmen diese meist nicht wahr.
Dann muss der Hund deutlicher und deutlicher werden, am Ende bleibt ihm, im Rahmen seiner Möglichkeiten, oft nur der Einsatz der Zähne, denn alle körpersprachlichen Ausdrucksweisen haben wir Menschen nicht wahrgenommen, bzw. ´verkehrt interpretiert.
Und dann darf nicht sein, was nicht sein darf!
Wir tun doch alles für ihn....
Er wird geliebt, gepflegt, umsorgt, bekommt das beste Futter, die weichste Schlafstätte, viele Leckereien, beste medizinische Versorgung..... - und da soll es ihm nicht gut gehen?
Ja, traurigerweise ist das oft so...
Denn wir Menschen erkennen nicht, welches weitere, oft viel wichtigere Bedürfnisse sind.
Das Wissen und das Verständnis für seine natürlichen Verhaltensweisen.
Dass Hunde nicht ewig "unsere Babys" bleiben, sondern in einem wesentlich kürzeren Entwicklungszeitraum als junge Menschen erwachsen werden, und demzufolge auch ihrer Entwicklung entsprechend angesprochen und behandelt werden müssen.
(Ich lasse mich als erwachsene Frau auch nicht mehr wie ein zweijähriges Kind behandeln...)
Dass sie, als hochsoziale Lebewesen, auf ein Gefühl der Sicherheit angewiesen sind. Nicht die äussere Sicherheit ( reichen die Leckerli´s noch für die nächsten 4 Wochen ) sondern die innere Sicherheit, die soziale Sicherheit, die ihnen ihren Platz im Leben gibt, an welchem sie sich aufgehoben fühlen, und den sie erfüllen können.
Diese soziale Sicherheit bekommen sie jedoch nur, wenn es ein ausgeglichenes "JA" und ein ausgeglichenes "NEIN" gibt.
Wenn es Lebensregeln gibt, an die sich alle Beteiligten halten, damit Zusammenleben funktioniert.
Wenn sie Dominanzbereitschaft und Unterordnungsbereitschaft von klein auf trainieren dürfen, und lernen dürfen, dass besiegt werden nicht schlimm ist.
Diese Ausgeglichenheit, die die Chinesen Jing und Jang nennen, nehmen wir unseren Hunde oft. Durch Überfürsorge, oder Nachlässigkeit, durch Unwissenheit um ihre natürlichen Bedürfnisse, weil sie emotional mit uns mitschwingen, aber wir nicht ausgeglichen sind,..... es würden mir viele weitere Punkte einfallen.
Kurz gesagt:
Sich mit Hunden zu umgeben (mit Tieren insgesamt), sie zu erziehen, und angenehme Wegbegleiter, die in unserer bevölkerungsreichen Umgebung existieren können, zu bekommen, bedeutet, dass der Mensch zur Selbstreflexion bereit ist.
Nur wenn der Mensch sich und sein eigenes Verhalten immer wieder hinterfragt und ggf. korrigiert, haben Hunde eine Chance zufrieden mit ihren Menschen zusammen zu leben, und dabei ausgeglichen, zufrieden und glücklich zu sein.
Wir Menschen verlassen uns zu sehr auf die Kraft unserer Worte, und dass wir (dank dieser) mit einer gut ausgebauten Verstellung elegant durch die Menschenwelt segeln können.
Das funktioniert bei und mit Hunden nicht.
Die Kraft und der Inhalt unserer Worte ist Hunden schnuppe, denn sie verstehen deren Bedeutung nicht.
Hunde orientieren sich an Erfolg und Misserfolg, an Stimmungen, an Erfahrungen, wenn sie bestimmte Geräusche (auch Worte zählen zu den Geräuschen) durch stete Wiederholung mit bestimmten Handlungen verknüpfen können (Konditionierung).
Und innere Sicherheit erlangen sie, wenn sie ihre sozialen Bedürfnisse leben dürfen, wenn ein Ja ein Ja, und ein Nein ein Nein ist.
Wenn sich die Konsequenzen gleichen, eine Führungskraft (was ihr Mensch sein sollte) auch die führende Aufgabe erfüllt, durch Klarheit und Geradlinigkeit im Umgang.
Konsequenz geht mit vielen kleinen, kleinsten Dingen im Alltag los.
Konsequenz hat nichts mit Gewalttätigkeiten zu tun.
Und als Mensch ist man nicht "böse", weil man konsequent ist.
(Das ist ein moralischer Vorwurf der uns die Menschenwelt erschwert. Für die Hundewelt unbrauchbar und unbekannt)
Cezanne und Bakunin (beide ca. 80cm Stockmass, eines ein großer Mischling, eines ein kaukasischer Owtscharka) waren bei uns viele Jahre 2 wunderbare Rudelführer.
Aggressive, orientierungslose Hunde die zu uns kamen, oder dem Hundeschul-Unterrricht beiwohnten, wurden von ihnen so wunderbar angeleitet, dass es zu keinen Aggressionen in ihrem Beisein mehr kam.
Eine feste Regel dabei war:
"Einem Häuptling steht man nicht im Weg!"
Wehe ein Hund wagte es, sich in den Weg zu stellen, oder ungefragt den Weg zu kreuzen. Das gab, ohne Verletzungen, ein Donnerwetter, und jeder wusste, wenn der Häuptling geht, stelle dich nicht vor ihn, oder kreuze seinen Weg.
Wie viele Hunde stehen ihren Menschen ständig vor den Füssen?
Es wäre ein Leichtes, eine Alltagsregel einzuführen:
"Einem Häuptling steht man nicht im Weg".
Das wäre eine einfach umzusetzende Konsequenz, mit der der Mensch seinen Führungsanspruch geltend macht.
Den wiederum braucht er auch, weil der Hund nun einmal nicht selbstbestimmt in unserer Gesellschaft leben kann.
Was bekommt der Hund i.d.R. stattdessen?
Aufmerksamkeit
Einen der stärksten Positiv-Verstärker, der dazu führen wird, dass der Hund sich immer häufiger vor die Füße stellt, um mehr davon zu erhalten.
Es ist erschreckend zu sehen, wie unsere Hunde mit System durch gleichzeitige Ja - Nein Aussagen komplett verwirrt werden.
Kleines Beispiel:
Die Menschen sitzen am Abendbrottisch und wollen essen.
Der Hund sitzt daneben, legt evtl. den Kopf auf einem der Oberschenkel ab, und schaut mit herzchenförmigen Augen zum Menschen und auf den Tisch, damit etwas "Runterfällt".
Der Mensch hat schon einmal etwas von Konsequenz gehört, und denkt: "Nun ja, am Tisch sollte er besser nicht betteln".
Also schickt er den Hund auf seinen Platz.
Klares Nein....., der Hund soll gehen.
Nun hat der Hund aus Erfolgen gelernt, und geht nicht.
Der Mensch wiederholt sein Nein, bleibt fest, schickt den Hund 3x, 4x auf seinen Platz........., der Hund bleibt am Tisch, der herzchenförmige Augenausdruck wird größer.
Nun kommt der Klassiker:
Der Mensch......., bleibt beim Nein (verbal), und weil ihm der Hund nun doch etwas leid tut, streichelt er ihn über den Kopf (Ausdruck von Ja und Aufmerksamkeit) und schickt ihn weiter auf seinen Platz.
Klassischer Fall von gleichzeitig Ja und Nein ausgedrückt.
Und damit dem Hund die Chance gegeben, sich nicht am Menschen, sondern an seinem eigenen Erfolg zu orientieren.
1 : 0 für den Hund.
Kleine Alltagssituationen nur, die in der Fülle und der Regelmässigkeit zu auffälligen Hunden führen.
Es ist ein langer Weg, bis ein verhaltensgestörter Hund entsteht.
Es ist ebenfalls ein langer Weg, bis ein gut harmonierender Hund entsteht.
Hunde können unsere Menschenwelt, die uns so vertraut erscheint, nicht verstehen.
Sie können auch unsere Erwartungshaltungen nicht verstehen.
WIR Menschen müssen bereit sein, unsere Hunde ans Pfötchen zu nehmen, und mit ihnen gemeinsam den Weg in die Menschenwelt erobern, und sie ihnen "erklären".
Soll heissen, wir müssen uns immer und immer wieder Gedanken darüber machen, wie wir es schaffen, DIESEM Hund, der gerade neben uns steht, ein passendes Lebensmodell in unserer Menschenwelt beizubringen.
Noch ein kleines Beispiel:
Ein ehemaliger Lebensabschnittgefährte wollte bei uns zuhause durch eine Türe raus zur Garage.
"Stellaluna" unsere sehr sanfte und liebe Cane corso Hündin wollte mit.
Er öffnet die Türe ein Stückchen, Stellaluna geht los
(erinnert Euch: Einem Häuptling läuft man nicht im Weg herum), und er sagt ermahnend: Stellaluna..... - und denkt: Nein, du bleibst hier.
Macht dabei die Türe wieder zu.
Hund schaut hoch: "Was geht?"
Er macht die Türe wieder auf, Hund trabt erneut los, er wiederholt sich indem er ihren Namen sagt. Hund geht weiter, wird zurück gerufen, Türe wieder zu....
Ich habe mir das Ganze ca. 4-5x angeschaut
(Lebenspraktischer Unterricht, Fach Geduld),
und wies ihn dann darauf hin, dass es sinnvoll wäre, dem Hund seine Erwartung mitzuteilen.
In diesem Fall hätten die Zauberworte "Nein" oder "Bleiben" nach dem Namen sehr weitergeholfen.
Haben sie dann auch, nachdem der Hund sie erfahren durfte...
Hunde können fantastisch unsere Grundemotionen mitempfinden, unsere Gedanken lesen können sie nicht.
Und wieder ist, selbst in diesen kleinen Momenten, die Selbstreflexion gefragt, um dem Hund seinen roten Lebensleitfaden mit auf den Weg zu geben.
Also denkt bitte dran:
Lasst die Menschen in der Menschenwelt, erklärt den Hunde in Hundesprache ihren Aufenthalt in der Menschenwelt, und macht sie bitte nicht zu unausgeglichen, völlig verunsicherten Wesen, die unsere Bedürfnisse erfüllen sollen, und ihre Bedürfnisse werden noch nicht einmal erkannt.
Übrigens, die Kettenhaltung ist in Deutschland verboten.
Ich finde, die Haltung an emotionalen Ketten sollte da dazu gehören.
Verbundenheit und Beziehung ist etwas anderes, darüber reden wir ein andermal.
LG