Mensch-Hund-I

Mensch-Hund-I Hundetrainer und Verhaltensberater

03/07/2024
02/03/2024

Zum Thema: Anti-Jagd-Training

Du hast einen RR, der gerne jagen geht?
Normalerweise klappt der Rückruf? Aber wenn er einen Hasen oder ein Reh erblickt, ist er nicht mehr abrufbar? ...

Anti-Jagd-Training“ oder Kühe können fliegen

„Lerne in 8 Tagen, wie dein Hund frei läuft und du ihm dabei blind vertraust.“ Solch oder ähnliche Angebote werden in den sozialen Medien angeboten – teilweise sogar kostenlos! Ein Traum für viele Menschen, die jagende Hunde an ihrer Seite wissen!

Dieses oder vergleichbare Versprechen des „Anti-Jagd-Trainings“ sind definitiv unseriös. Es gibt kein seriöses Anti-Jagd-Training, das bei allen Hunden - und erst recht nicht bei den recht motiviert jagen wollenden Hunden - Erfolg hat. Du kannst nur durch souveräne Führungskompetenz, die auch von deinem Hund als solche anerkannt sein muss – in Verbindung mit einer Vermittlung der Orientierung am Menschen und dem Lesen können der Körpersprache deines Hundes, dazu beitragen, dass du rechtzeitig erkennen kannst, wann Gefahr besteht, dass dein Hund jagen gehen möchte.

Bei einem Hund, der eine sehr hohe Motivationslage jagen gehen zu wollen inne hat, müsste es eine größere Motivation geben, um ihn davon abzuhalten. Selbst die Leberwurststulle oder sogar 1 kg Tatar können ihn nicht vom Jagen abhalten. Denn das Jagen an sich ist selbstbelohnend. Es wird dabei ein Hormoncocktail (u. a. Dopamin, Adrenalin, Endorphine, …) ausgeschüttet, welches ein „geiles“ (sorry 😉) und glückseligmachendes Gefühl im Gehirn produzieren. Und da kann selbst 1 kg bestes Tatar nicht mithalten. Und noch etwas: dieses Gefühl macht süchtig … nach immer mehr … wie bei einem Ju**ie.

Und ganz ehrlich: ich verstehe die ganze „Anti-Jagd-Debatte“ überhaupt nicht. Unsere Hunde – und es leben aktuell 5 Hunde in unserem Haushalt – sind allesamt Jagdhunde. Sie sind bzw. werden allesamt so ausgebildet, dass sie eben NICHT jagen gehen dürfen, wenn ihnen danach ist.

Ein großes Maß an Frustrationstoleranz und Impulskontrolle sind Voraussetzung. Orientierung am Menschen ist ein weiterer Baustein. Nichts desto trotz sind und bleiben sie Jagdhunde und keine Marionetten.

Nicht das Anti-Jagt-Training an sich, sondern die Führungsqualitäten und die oben genannten Bausteine sind ausschlaggebend!

Und wenn du Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, suche dir einen Trainer, der dich anleitet, wie du die oben genannten Puzzleteile mit deinem Hund in der Art zusammenfügst, dass nicht nur die Spaziergänge entspannter werden, sondern (sozusagen als „Abfallprodukt“) auch euer Miteinander im Alltag unter Garantie ein „klein wenig“ 😉 intensiver wird.
Fragen beantworte ich gerne. 😀

Aus der Seele geschrieben 😊
22/02/2024

Aus der Seele geschrieben 😊

Ich arbeite nicht „rein positiv“.

Eigentlich finde ich diese Diskussion müßig. Ich habe bereits an verschiedenen Stellen dazu Stellung bezogen, mich mit rein positiven Trainern auseinandergesetzt und habe meine Haltung dazu gefunden.

Trotzdem scheint es mir, dass ich nochmal darauf hinweisen muss. Trainer*innen die es sich auf die Fahne schreiben gewaltfrei und nur positiv zu arbeiten, lehnen Strafen im Hundetraining ab. Strafe muss man hier wertfrei betrachten. Eine eingesetzte Strafe im Training zielt lediglich darauf ab, ein Verhalten weniger werden zu lassen. Dies kann geschehen indem ich dem Hund etwas Angenehmes entziehe (wenn du in die Leine springst, leine ich dich nicht ab) oder ich etwas Unangenehmes hinzufüge (wenn du in die Leine springst, sage ich ein scharfes „Hey“).

Darüber reden wir. Über mehr nicht. Wir reden nicht über Gewalt, nicht über falsch eingesetzte Strafen, nicht darüber, dass Verhalten erst aufgebaut und gefestigt werden muss und nicht darüber, dass eine Vertrauensbasis zwischen Hund und Halter bestehen muss, bevor ich ihm etwas untersage.

Nein, wir reden darüber, dass überhaupt mal ein „Nein“ gesagt wird. Und an dieser Stelle wird es absurd.

Da verbeißt sich der Goldie-Welpe in die Haare der Kinder und das Frauchen steht mit dem Leckerchen daneben, um das „Aus“ positiv zu belegen.

Da beißt der Sennenhund aus Frust in die Beine seiner Besitzerin und sie wird vor versammelter Mannschaft rund gemacht, weil sie dem Hund sagt, dass er das nicht tun soll. Sie hätte doch Leckerchen werfen können.

Da beißt sich der gerettete Tierschutzhund durch 5 Menschen, aber darf das nicht untersagt bekommen und soll stattdessen immer in einer Box sein.

Das sind reale Fälle aus meinem Traineralltag. Allesamt Hunde die durch angemessene und faire Grenzsetzung das Verhalten sofort eingestellt haben.

Und an dieser Stelle habe ich von den gefährlich eingestuften Hunden noch gar nicht angefangen. Ich habe Leute im Training, die im Hundetraining weinen und kurz vor der Abgabe stehen, weil positiv arbeitende Hundetrainer*innen sie derart verunsichert haben.

Es wird gerne die Wissenschaft angeführt. Die Studienlage ist mir bekannt und diese gibt es überhaupt nicht her, dass man nur positiv verstärkend arbeiten sollte. Um das zu erkennen, müsste man sich aber die Mühe machen diese zu lesen und zu verstehen. Das wird aber gar nicht gemacht.

Ich möchte an dieser Stelle auch einfach die Praxis anführen. Wenn rein positives Training so toll sein soll: Warum bekomme ich von dort so viele bissige Hunde? Warum sitzen sie im Tierheim? Warum ist das oft leicht zu lösende Problem für die Leute plötzlich ein Abgabegrund?

Ganz ehrlich: Das kann es doch nicht sein. Ich trainiere in der Mitte, angepasst auf das Mensch-Hund-Team, bin wertschätzend und empowere meine Leute. Ich arbeite fair. Eine rein positive Arbeit ist weder fair zum Hund, der Antworten sucht, noch zum Menschen, der darin beschnitten wird, Antworten zu geben.

Ja es wäre von Nöten den Hunden rechtzeitig das Leben und die Regeln zu erklären damit man nicht später das Benehmen von...
17/02/2024

Ja es wäre von Nöten den Hunden rechtzeitig das Leben und die Regeln zu erklären damit man nicht später das Benehmen von „Axt im Wald hat“,

aber ein harsches Nein ist ja schon böse …

Wir schaufeln ihnen ihr eigenes Grab.

Heutzutage Hundetrainerin oder Entschuldigung, Verhaltensberaterin zu sein, speziell für schwierigere Hunde, fühlt sich mehr und mehr wie ein Spießrutenlauf an. Man soll immer verrücktere Hunde, mit immer weniger akzeptierten und gern gesehenen Möglichkeiten und Varianten wieder auf die Spur bringen. Es soll immer alles rosa und flauschig sein, nie körperlich, nie vehement, sich nie blöd anfühlen. Einfach Hex Hex Hurra und fertig ist der perfekte Hund.

Zuletzt trohnte auf der Spitze des Eisbergs mein Kunde, mit einem sehr großen, teils wütenden und extrem lauten Schäferhund, der übrigens schon als gefährlich eingestuft ist, bei den Vorbesitzern. Der Hund trägt dementsprechend einen Maulkorb. Dieser Hund findet es in höheren Erregungslagen nicht sonderlich witzig, wenn man mit ihm in die Auseinandersetzung geht und es ist auch nicht das Ziel, sich mit seinem Hund zu kloppen. Als eine von vielen Schrauben an denen gedreht wird bei diesem Hund, nutzen wir also hin und wieder eine Wasserflasche. Dies mündete nun in einer Anzeige wegen Tierquälerei gegen meinen Kunden. Wegen einer Wasserflasche und einer eventuell etwas turbulenten Situation, weil dem Herrn Schäferhund nach einer langen Feini-Zeit mal wieder die Hutschnur gerissen ist. Wegen einer WASSERFLASCHE. Bei einem als gefährlich eingestuften Schäferhund der mehrere Tiere getötet hat. Es endete dabei leider nicht nur in einem Polizeieinsatz und einer Anzeige, sondern auch in einer Handgreiflichkeit gegenüber dem Hundehalter.

Können wir kurz mal auf Reset drücken? Können wir eventuell mal auf dem Boden der Tatsachen bleiben und unsere eigenen „pure toxic positivity“ vibes von diesen Tieren fern halten?

Ich weigere mich dagegen so lange wie ich nur kann, ich sag’s euch ganz ehrlich. Es kann nicht unsere Zukunft sein, dass wir normale Reglementierungen an Hunden die DRINGEND erzogen und geformt werden müssen, weil sie im Alltag nur noch quer schießen und evtl. eine Gefahr darstellen, hinter verschlossenen Türen machen müssen. Und darauf muss es ja hinauslaufen.

In den Kommentaren schreien ja alle immer nur „böse böse“, also nicht bei mir, aber bei anderen und nie jemand „ich würde dir den Hund gerne abnehmen und es auf anderem Wege probieren“. Sie können alle immer nur die Fresse aufreißen, aber wenn’s mal wieder brennt und der hundertste Hund, der nicht gehen müsste kurz vor der Spritze steht, sind sie alle wieder still.

Dass man Angst haben muss, einen Hund der sich benimmt wie die Axt im Walde mal einzuschränken, mal einen negativen Verstärker wie einen Schreckreiz zu setzen oder ihm tatsächlich, setzt euch lieber hin und stellt die Taschentücher bereit, ins Fell zu greifen, das kann es verdammt noch mal nicht sein.

Ich lebe ja nun mal nur mit Malis und alle von ihnen haben einen Knall und auch alle Hunde die ich privat näher begleitet habe oder noch begleite sind „Problemhunde“ und haben ihr Päckchen zu tragen. Und meine Umgebung ist so wenig hysterisch, so wenig überzogen und hypersensibel, dass ich diese Welt da draußen, wenn sie mich dann mal trifft wie durch diesen Vorfall, schlicht und einfach gar nicht begreifen kann.

Wie stellen sich diese Menschen das Leben mit solchen Hunden vor? Es ist und bleibt mir ein Rätsel.

17/02/2024

̈ckruftraining ̈ckruf

15/02/2024

̈hrigkeitstraining

03/02/2024

Wann genau sind unsere Hunde so respektlos geworden?

Manchmal bin ich fassungslos. Nahezu täglich. Wir sehen und betreuen viele verschiedene Hunde. Klein, groß, jung, alt, Reinrassige und Mischlinge jeder erdenklichen Gruppe. Und eins haben viele von ihnen gemeinsam. Sie sind respekt- und distanzlos, sie sind übergriffig und haben absolut keine Idee, was es bedeutet eine Grenze anzunehmen. Mit brachialem Übermut ballern sie in einen rein, an einem vorbei. Dass ein Türspalt keine Einladung ist wie eine Kanonenkugel dort durchzurennen und einem dabei fast die Knie zu brechen… verstehen sie gar nicht.

Respekt hat nichts mit Angst zutun. Aber Respekt hat etwas mit Achtsamkeit zutun. Aufeinander Rücksicht zu nehmen, mal inne zu halten, das Gegenüber wahr zu nehmen, sich zurück zu nehmen wenn es einem gesagt wird. Und das gilt für den quirligen Havaneser genau so wie für den Pitbull genau so wie für den Windhund.

Keine Grenzen zu setzen und alles hinzunehmen ist Selbstbetrug. Denn niemand kann das aushalten. Niemand kann es wirklich gut gelaunt tolerieren wenn 30 kg Labrador dich jeden Tag von A nach B zerren, aus dem Auto rausballern, dich anspringen, umreißen usw. Und selbst bei 5 kg halten wir es nicht aus. Weil es einfach nervt und stört und oft eben auch weh tut.

Wann genau ist das passiert? War vor 30 Jahren das Allheilmittel der Erziehung noch eine Zeitungsrolle und die meisten Hunde durften nicht ins Haus, vielleicht in die Waschküche. Es hat sich so vieles verbessert. Unsere Hunde Leben so viel schönere Leben, werden besser verstanden, besser umsorgt. Aber wo ist der Mittelweg? Warum haben so viele ihn nie gefunden?

Es ist ein Paradoxon. Will man doch nur nett sein, fällt es einem schwer Grenzen zu setzen, möchte man seinem Hund doch das beste und freieste Leben ermöglichen und am Ende ist es genau das Gegenteil. Es wird geschimpft und geflucht, gerissen und geruckt, die Hunde müssen ständig abgesichert sein, weil sie nicht ansprechbar sind. Paradox. Man wollte das eine und bekam das andere.

Grenzen schaffen Freiheit liebe Leute. Wir können es noch 1000 mal sagen. Und Grenzen setzen kann man lernen. Auch mir fiel es in bestimmten Bereichen lange schwer.
Aber es ist möglich. Und es macht das Leben so viel entspannter und so viel leichter. Und die Beziehung nimmt davon keinen Schaden, sondern verbessert sie sogar. Denn woher sollen sie es wissen, wenn es ihnen keiner erklärt? Woher sollen sie wissen, dass sie achtsam sein sollen, wenn wir es ihnen nie gesagt und nie gezeigt haben? Und wie gemein ist es eigentlich, ständig genervt zu sein und an unserem Gegenüber rumzumeckern, obwohl es einfach nur unsere fehlenden Grenzen sind? Over and out 🙋🏼‍♀️

29/11/2023

Die Kastration des Hundes, Segen oder Fluch?

Die Kastration des Hundes ist die Grundvoraussetzung, wenn man seinem Tier ein langes, gesundes und schönes Leben bereiten will.
Diese Aussage hielten wir Tierärzte sehr lange für die absolute Wahrheit, doch gerade in jüngster Zeit häufen sich die Studien, die uns aufhorchen und zweifeln lassen sollten.

Als sorgfältige Tierärztin, verantwortungsbewusste Reproduktionsmedizinerin und gewissenhafte Hundehalterin kann ich gar nicht anders, als mich mit diesem Thema ausführlich auseinander zu setzen.
Nie wurde intensiver und hitziger über dieses Thema diskutiert als jetzt.
Ich möchte in diesem Artikel die neuesten Studien kurz zusammenfassen, aufklären und sowohl Kollegen, Hundebesitzer und auch ganz besonders den Tierschutz zum Nach- und vielleicht sogar Umdenken anregen.

Was ist die Kastration eigentlich?
Die Kastration bezeichnet einen Eingriff der entweder zur Funktionsunfähigkeit oder Amputation der Keimdrüsen, also der Hoden beim männlichen und der Eierstöcke beim weiblichen Lebewesen führt. Durch das Entnehmen oder funktionsunfähig Machen der Keimdrüsen wird das Lebewesen unter anderem unfruchtbar gemacht. Auch alle anderen Funktionen der Keimdrüsen, wie zum Beispiel die Hormonproduktion, entfallen.

Ist Sterilisation das Gleiche?
Nein, ist es nicht. Die Sterilisation ist die Unfruchtbarmachung durch Durchtrennung der Ei- bzw. Samenleiter. Das Lebewesen bleibt hierbei sexuell voll funktionsfähig, wenn auch ohne “Ergebnis”. Auch die Hormonproduktion wird nicht beeinflusst.

Was sagt die Wissenschaft?
Noch vor kurzer Zeit wurde von uns Tierärzten aus gesundheitlichen Gründen immer zur Kastration geraten. Die Hündin sei dann vor der gefährlichen Gebärmuttervereiterung und auch vor bösartigen Gesäugetumoren geschützt, glaubte man. Der Rüde sei dann weniger aggressiv, konzentrationsfähiger und insgesamt ein glücklicherer Begleiter des Menschen, dachten wir.
Wer konnte schon ahnen, dass z. B. die Studie, die angeblich belegt, dass kastrierte Hündinnen deutlich seltener an Gesäugekrebs sterben, ein wenig geschönt worden war?

In der Natur der Medizin liegt es, dass Schlussfolgerungen und Behauptungen immer wieder überprüft und nachvollzogen werden. Dies führte zu mehreren Studien, die sich mit dem Einfluss der Kastration auf Rüden und Hündinnen und den Konsequenzen hieraus beschäftigten.

Zu unserer Überraschung ergaben sich durch die Kastration nicht nur die bekannten Probleme wie Gewichtszunahme und ein Risiko der Inkontinenz sondern ein höheres Risiko für eine mannigfaltige Palette von Erkrankungen:

Krebs
Immer deutlicher wird, dass Geschlechtshormone weitaus mehr Funktionen haben, als wir bisher dachten. Unter anderem fällt auf, dass in mehreren Studien das erhöhte Risiko einer Krebserkrankung bei kastrierten Tieren belegt werden konnte.
Zu den Krebsarten, die teilweise signifikant häufiger auftreten, gehören unter anderem:
— Hämangiosarkome (Tumore des blutbildenden Systems wie z.B. der Leber oder der Milz)
— Mastzelltumore (schwer therapierbarer Hautkrebs)
— Lymphome (eine Art Leukämie)
— Prostatakarzinome
— Osteosarkome (sehr aggressiver Knochenkrebs)

Schilddrüsenunterfunktion
Für kastrierte Tiere ist das Risiko an einer Schilddrüsenunterfunktion zu erkranken statistisch ebenfalls höher, als für unkastrierte. In der Tiermedizin fehlt es grundsätzlich an soliden Studien und weiterführenden Erkenntnissen zum Thema Schilddrüse. Daher ist eine Aussage, warum dies häufiger auftritt, zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Sicher ist nur, dass es das tut.

Inkontinenz
Die Inkontinenz ist wohl die bekannteste kastrationsbedingte Erkrankung, die wir beim Hund kennen. In den Studien ist die Rede z.B. von 20 - 40 % der Hündinnen die im Mittel 2,8 Jahre nach der Kastration inkontinent werden. Nicht immer kann man diese Inkontinenz therapieren, ein Leben mit Windeln ist im schlimmsten Falle die bittere Konsequenz.
Aber auch Rüden können nach der Kastration inkontinent werden.
Die Ursache hängt, soweit wir es wissen, mit der fein abgestimmten Balance verschiedener Hormone zusammen. LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (Follikel stimulierendes Hormon) steigen durch die Kastration stark an und wirken auf die Schliessmuskel. Desweiteren fehlt es durch die Auflockerung des Bindegewebes nach der Kastration an Gegendruck am Schliessmuskel.
Was für andere Mechanismen zusätzlich eine Rolle spielen, ist noch nicht bekannt.

Kastrationsvaginitis und Blasenentzündungen
Durch den Wegfall der Östrogene und die Lockerung des Bindegewebes erschlaffen die Schamlippen der Hündin, rollen sich ein wenig ein und reiben so mit der behaarten Seite konstant über die Schleimhaut. Daraus resultiert eine Reizung und zunächst eine mechanische Entzündung.
Durch vermehrtes Belecken verbringt die Hündin Keime auf die gereizte und verletze Vaginalschleimhaut und es kann zu einer aufsteigenden Infektion kommen.
Dies könnte einer der Gründe sein, warum kastrierte Hündinnen auffallend häufiger an einer Blasenentzündung leiden, als nicht kastrierte.

Kreuzbandriss sowie HD/ED Komplex
Diese Gelenkerkrankungen sind, wie wir heute wissen, in der Regel genetisch bedingt, aber die Schwere und Ausprägung der Erkrankung hängt von beeinflussenden Faktoren (also der Umwelt) ab.
Wir beobachten ein deutlich höheres Auftreten dieser Erkrankungen vor allem bei Hunden, die noch vor dem Abschluss des Körperwachstums kastriert wurden. Bedenken wir, dass die großen und mittelgroßen Rassen fast alle 3 Jahre brauchen, um ausgewachsen zu sein, und selbst das Wachstum bei Zwergrassen oft erst mit ca. einem Jahr als wirklich abgeschlossen gilt, müssen wir konsequenter Weise zum einen, die zeitliche Definition einer “Frühkastration” überdenken und zum anderen, der Tatsache ins Auge blicken, dass auch hier die Kastration alles andere als einen positiven Einfluss auf die Gesundheit unserer Hunde hat.

Verhaltensauffälligkeiten
In diversen Studien zeigte sich, dass sehr früh kastrierte Hunde häufiger im Leben z.B. eine Geräuscheangst entwickeln. Hier fehlen aber tiefgründige Studien um endgültige Aussagen zu treffen.
Auch ist eine Kastration nicht immer zwingend eine Lösung für Aggressionsprobleme. Es sollten mit Hilfe eines verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarztes zunächst sehr gründlich und ausführlich mögliche Ursachen und sinnvolle Trainings- und Therapiemethoden ausgelotet werden.
Manchmal löst die Kastration sogar Aggressionsprobleme erst aus.


Magendrehung
Auch hier fehlt es an großen und aktuellen Studien, aber sowohl Tierärzte als auch Besitzer und Züchter beobachten, dass kastrierte Hunde öfter unter einer Magendrehung leiden, als unkastrierte. Die bereits erwähnte, mit der Kastration einhergehende Bindegewebsschwäche könnte eine mögliche Ursache hierfür sein.

Übergewicht
Mit der Kastration kommt es zu diversen Umstellungen in den Hormonkreisläufen, dies führt zu einem grundsätzlich niedrigeren Grundbedarf. Zum anderen verschieben sich die Bedürfnisse des Tieres und Futter wird interessanter. Sind sich die Halter dessen nicht bewusst, kommt es nicht selten zum Übergewicht der Tiere, hin und wieder sogar bis hin zur Gesundheitsgefährdung.

Fellveränderungen
Dies ist wohl die am wenigsten schlimme Nebenwirkung der Kastration, die dennoch der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben soll. Bei bestimmten Rassen (z.B. Irish Setter) kommt es nach der Kastration zu einer deutlichen Fellveränderung. Das Fell wird länger, wolliger und dichter, so dass die Pflege teilweise sogar rasseuntypisch zeitintensiv wird.

Was sagt das Tierschutzgesetz?
In Deutschland ist die Kastration von Hunden ohne medizinischen Grund im Sinne des Gesetzes verboten.
Das heißt, prinzipiell machen sich sowohl der Auftraggebende (Halter) als auch der Ausführende (Tierarzt) strafbar, wenn einem Tier ohne medizinische Notwendigkeit die Keimdrüsen entfernt werden.

Was ist mit dem Tierschutz?
Im Tierschutz hat sich seit einer langen Zeit die Kastration des Hundes als Mittel der Wahl zur Populationskontrolle eingebürgert. Ist das Tier noch nicht kastriert, muss der neue Halter dies laut Schutzvertrag durchführen lassen. Eine Auseinandersetzung mit der Gesetzeslage und auch mit den gesundheitlichen Konsequenzen fehlt bisher, ebenso werden Alternativen, wie z.B. die Sterilisation nicht in Betracht gezogen.

Aus verhaltensbiologischer Sicht könnten die Kastrationen von Strassenhunden unter Umständen sogar weniger förderlich sein, als wir bisher gehofft haben.
Hierbei möchte ich betonen, dass dieser Teil des Artikels meine persönlichen Überlegungen widerspiegelt und leider noch keine mir bekannte Studie hierzu existiert:
Aus Verhaltensbeobachtungen wissen wir, dass dominante* Rüden sowie dominante* Hündinnen sich bemühen, die Anzahl der sexuell aktiven Tiere in der Gruppe recht klein zu halten. Je weniger Hündinnen belegt werden, desto weniger Welpen müssen versorgt werden. Je weniger Hündinnen also Nachwuchs haben, desto größer ist die Chance der Welpen der dominanten* Hündinnen optimal versorgt zu werden.

Bei den Rüden ist es ähnlich, je weniger Rüden tatsächlich sexuell aktiv sind, um so sicherer werden sich die Gene des dominanten* Rüden durchsetzen.

Das heißt in der Konsequenz, die dominanten* nicht kastrierten Individuen helfen durchaus, die unkontrollierte Vermehrung einzudämmen.
Kastriert man diese Tiere nun, fallen sie aus diesen Gruppenstrukturen heraus und verhindern auch keine Vermehrung anderer mehr.
Würde man diese Tiere sterilisieren, könnte man sich deren natürliches Kontrollverhalten zu nutze machen, ohne jedoch, dass diese Tiere weitere Nachkommen produzieren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich hieraus durchaus große Vorteile für die Populationseindämmung von z.B. Strassenhunden ergeben könnten.

*Der Begriff “dominant” ist veraltet und ethologisch nicht mehr korrekt, jedoch weiß ich im Moment keinen besseren.


Wie kann man seine Hündin vor Gebärmutter- oder Gesäugeerkrankungen schützen?
Heute wissen wir, dass das Risiko einer nicht kastrierten Hündin an einem bösartigen Gesäugetumor zu erkranken, deutlich niedriger ist, als die “berühmte Studie” uns glauben machen wollte. Dennoch besteht das Risiko.
Ebenso wie beim Menschen ist bei der Hündin das frühzeitige Erkennen und Behandeln dieser Wucherungen entscheidend.
Auch eine Gebärmutterentzündung ist keine Erkrankung die innerhalb von ein paar Tagen von “gesund” zu “tödlich” umschlägt. Lange bevor es der Hündin lebensbedrohlich schlecht geht, kann man bereits Veränderungen an der Gebärmutter erkennen.

Ausschlaggebend für einen positiven Ausgang ist der Diagnosezeitpunkt. Hier müssen Tierärzte ebenso wie Hundehalter umdenken und sich die Möglichkeiten der Prophylaxe zu Nutze machen.
Ein Abtasten des Gesäuges alle 4 - 6 Wochen kann Wucherungen bereits im kleinsten Stadium aufdecken und ein schnelles Eingreifen das Risiko minimieren. Ein einigermaßen geübter Besitzer kann Veränderungen ab ca. Reiskorngrösse ertasten. Entfernt man Wucherungen, so lange sie unter 0,5 cm groß sind, sind die Chancen herausragend gut, dass selbst bösartige Tumoren noch nicht gestreut haben.
Ähnlich einfach ist die Gebärmutterprophylaxe, ca 2 - 4 Wochen nach jeder Läufigkeit sollte die Gebärmutter von einem geübten Reproduktionsmediziner für Kleintiere mittels Ultraschall beurteilt werden. Das allein genügt schon, um durch eine rechtzeitige Erkennung und Therapie diese Erkrankungen zu beseitigen, lange bevor sie lebensbedrohlich werden.

Was kann man beim Rüden gegen Vorhautentzündungen und Prostataprobleme tun?
Auch hier gibt es sehr viele Therapiemöglichkeiten, die man ausprobieren sollte, bevor man tatsächlich die Kastration durchführt. Ebenso ist eine Kontrolle (ca. alle 12 Monate) mittels Ultraschall sinnvoll.

Ist ein Kastrationschip eine bessere Variante?
Eine sehr moderne und in Deutschland noch nicht sehr gängige Methode der Kastration “auf Zeit” ist der Kastrationschip. Dies ist im Grunde nichts anderes als ein reiskorngrosses Stück Gewebe, welches unter die Haut gepflanzt wird.
Das Gewebe enthält ein bestimmtes Hormon (GNRH) welches eigentlich nur im Gehirn wirkt und dort bestimmte Weichen (nämlich die Hormone FSH und LH) umstellt und dadurch die Produktion von Testosteron im Körper abschaltet.
Dies ist tatsächlich während der Wirkungsdauer des Chips gleichbedeutend mit einem Zustand, wie man ihn auch mit einer operativen Entfernung der Keimdrüsen erzeugt. Der Unterschied ist lediglich, dass die OP nicht mehr Rückgängig zu machen ist, der Chip jedoch irgendwann an Wirkung verliert.
Der Chip ist also während er wirkt gleichzusetzen mit einer Kastration, mit allen Vor- und Nachteilen, Wirkungen und Nebenwirkungen.

Was sollte die Konsequenz aus diesen Ergebnissen sein?
Ich hoffe, dass dieser Artikel für Hundebesitzer, Tierärzte und auch Tierschutzorganisationen moderne Denkanstöße liefert und ein Umdenken provoziert, welches letztendlich in unser aller Sinne sein sollte: nämlich informierte, verantwortungsbewusste und gute Entscheidungen im Sinne unserer vierbeinigen Familienmitglieder treffen zu können.

Nicht immer ist eine Kastration der falsche Schritt, jedoch sollte diese Entscheidung individuell, wohl überlegt und abgewägt getroffen werden, ausschliesslich, wenn die Vorteile der Kastration für dieses bestimmte Tier die Nachteile überwiegen.


Für Interessierte und Kollegen hier die Studien, die als Quellen für diesen Artikel dienten: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24432963
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11439769
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25020045
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23418479
http://avmajournals.avma.org/doi/abs/10.2460/javma.243.9.1218?url_ver=Z39.882003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org&rfr_dat=cr_pub%3Dpubmed&

© 2015
Allana Kasperczyk
Tierärztin
www.kardiologie-vet.de

29/11/2023

Mir war so, als müsste ich was sagen…
-Von Maren Grote-

Bist Du schon mal angemotzt worden, weil irgendwer besonders gut wusste, was Du mit Deinem Hund machen solltest?
Ist doch faszinierend, dass man mit Hund so oft ungefragt Tipps bekommt.
Da geht einer nur vorbei uns sieht direkt, dass Dein Hund nur deswegen einen Maulkorb trägt, weil Du so viel Angst hast.
Zack! Psychologie: 1 Plus mit Sternchen von der Google Universität für gefährliches Halbwissen!
Dass Dein Hund aus vierter Hand aus dem Tierheim zu Dir gekommen, grade drei Menschen gebissen und nun vorerst abgesichert ist, bis ihr beide wisst, wie es weitergehen kann ist ja irrelevant. Wozu also fragen, wenn man auch antworten kann?

Oder hast Du einen Hütehund?
Dann hast Du bestimmt schon hundertmal gehört, dass Du bitte nicht vergessen sollst ihn ordentlich auszulasten! Dringend! Das steht so im Hundeforum bei Facebook, und da haben es schließlich auch mindestens zehn Leute voneinander abgeschrieben und wie jeder weiß wird es dadurch zu Wahrheit!
Selbstredend wird Dir dieser superschlaue Tipp in dem Moment gegeben, indem Du grade dabei bist Deinen Hund auszulasten, denn man trifft Dich ja auf dem Spaziergang.

Alle Windhundebesitzer*innen lachen übrigens grade laut, denn „der muss ganz viel laufen!“ hören die schon als Phantomgeräusch wie einen individuellen Tinnitus.
Gleichzeitig sind die aber laut der Labradorbesitzerin von nebenan immer viel zu dünn, also Vorsicht mit den verschleuderten Kalorien.
Ja was denn nun? Hochleistungssport oder doch Anorexie-Therapie?

Wer einen Herdenschütze an der Leine führt der weiß seit seinem ersten Spaziergang, dass sein Hund eigentlich ganz lieb ist und einfach nur schlecht sozialisiert wurde, wenn er fremde Artgenossen gleichen Geschlechts nicht gern zur Begrüßung ins Gesicht geschleudert bekommen mag.

Der angeleinte Hund muss eigentlich nur mal „richtig Hund sein dürfen“, der abgeleinte Hund dagegen sollte mal lieber angeleint werden.
Der ängstliche Hund sollte lieber ab in den unkontrollierten Fremdhundekontakt weil die das unter sich klären. Das hat Karl Otto so gehört und macht das immer so. Klappt auch immer super. Also für seine beiden fünfzig Kilo schweren Rottweiler Rüden zumindest.

Woher kommt dieser Drang sein vermeintliches Wissen so ungebremst weitergeben zu müssen?
Wäre nicht fragen viel schöner als ungefragt zu antworten?
Wieso ist das so?
Warum hast Du diese Entscheidung getroffen?
Wie ist Dein Hund denn, im Vergleich zu meinem?
Oder:
Du als jemand mit so einer Rasse, was sagst Du denn zu dem allgemeinen Vorurteil, dass man diese Hunde immer so oder so behandeln müsse?

Ich weiß, es ist verlockend von sich auf andere zu schließen.
Manchmal hat man wahrscheinlich sogar mal recht. Aber was nutzt es das jemanden aufzudrücken, der es gar nicht hören wollte?

Ich kenne das noch aus meiner Anfangszeit im Studium. Auf einmal wusste ich so viel über Hunde und Erziehung. Ich dachte die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und sah überall die Missstände sofort. Und ich hatte auch sofort gute Ideen was hier helfen könnte.
Allerdings habe ich diese Hilfe ungefragt weitergegeben.
Wie blöd von mir und wie unnütz.
Wahrscheinlich gibt es den ein oder anderen Menschen, dem ich ganz schön auf den Sack gegangen bin mit meiner Klugscheißerei.
Entschuldigung an dieser Stelle!
Und auch Entschuldigung an mich selbst, dass ich das Gefühl hatte, dass mühsam erarbeitetes Wissen dafür da sei es ungefragt hinaus geplappert zu werden und damit abgewertet zu werden.
Wenn ich mich heute auf der Hundewiese so sehen würde, wie ich ungefragt Hundeleute mit Tipps zuquatsche und Stunden damit verbringe mein vermeintliches Wissen ehrenamtlich unters Volk zu bringen, dann würde ich mich fragen, wie viel mein Wissen Wert sein kann.
Meiner Erfahrung nach sind Menschen, die sehr erfolgreich sind in ihrem Job nicht mehr auf der Jagd nach permanenter Bestätigung und halten sich sehr zurück.
Denn sie wissen, dass ihr Können kostbar ist.

Ich bin mir ganz sicher, dass Du auch schon mal mehr oder weniger gut gemeinte Tipps bekommen hast, die mit ein bisschen mehr Informationen über Deinen Hund und Eure Lebensumstände anders ausgefallen wären.
Vielleicht hast Du Dich auch schon selbst erwischt und ganz ehrlich: vielleicht ist es sogar in ganz seltenen Fällen gar nicht zu vermeiden, dass man auf extreme Missstände, oder echte Gefahren einfach hinweisen muss, weil man sonst platzt.

Mein liebster Tipp ist übrigens, dass ich mal in eine Hundeschule gehen soll. 
Oder den Owtscharka spielen lassen soll.. oder den Jagdhund füttern, damit er nicht mehr jagen will.. hach, ich kann mich gar nicht entscheiden!

Was ist Dein „bester“ Tipp, den Du mal ungefragt bekommen hast?

Natürlich darfst Du diesen Text teilen, wenn er Dir gefällt. Bitte lasse ihn aber unverändert und kopiere ihn nicht raus, denn alle Rechte daran bleiben bei mir. Danke für dein Verständnis!

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