27/07/2023
Gerade wurde mir mein alter -2016- aber weiterhin gültiger Text zum Thema Impfangst bei Tierbesitzern angezeigt.
Dabei hatte ich Mani als Beispiel für einen falschen Impfschaden erwähnt.
Die großartige Nachricht: Kater Manni geht es noch immer gut.
Die unschöne Nachricht: 2021 gab es in unserer Nähe einen Fall von Tollwut bei einem illegal eingeführten Welpen.
Die Angst geht um.
Ist Impfen gefährlich?
Was soll ich bei meinem Hund machen lassen?
Impfung? Impfschaden? Impftiterbestimmung?
Für mich als Tierarzt ist diese Angst zwar schwer nachzuvollziehen, aber:
Ich kann ja auch nicht verstehen warum jemand Angst vor Clowns oder der Dunkelheit hat.
Höhenangst dagegen kann ich gut verstehen, da ich selbst manchmal damit kämpfe. Obwohl da keine reale Gefahr ist, herunter zu fallen. Das weiß ich und trotzdem ist mir mulmig.
Also gebe ich mir Mühe auch die Impfangst zu verstehen.
Angst ist Angst. Angst ist ein sehr starkes Gefühl.
Wenn jemand bezüglich Impfungen so verunsichert ist, dann muß man helfen.
Hier also ein paar Erklärungen zur Hunde-Impfung: nicht nur wissenschaftlich, sondern ganz persönlich:
Sind meine eigenen Hunde geimpft?
JA!
Weil ich meine Hunde liebe, sie zu meiner Familie gehören.
Weil ich weiß wie schrecklich die Krankheiten sind, gegen die ich impfe.
Ich "glaube" nicht, daß es schreckliche Krankheiten sind, ich WEISS das. Das ist mein Beruf. Mein Wissen. Ich habe das nicht nur studiert, ich habe diese Krankheiten erlebt. Sie sind furchtbar.
Weder soll einer meiner Hunde so leiden/sterben, noch darf einer meiner Hunde diese Krankheiten weiterverbreiten.
Ein Beispiel:
Selbst wenn mein gesunder erwachsener Hund, der schon mal irgendwann vor vielen Jahren geimpft wurde, eine Parvovirusinfektion vielleicht überleben würde (Er lebt ja beim Tierarzt und würde sofort optimal versorgt.) Ich würde meinen Hund nicht diese Qual zumuten. Und vor allem habe ich die Verantwortung, daß mein Hund nicht das Virus mit seinem blutigen Durchfall in der Gegend verteilt.
Verantwortung? Warum?
Na, weil junge ungeimpfte Welpen, Wildtiere und immunschwache kranke Hunde sofort schwerst erkranken und meist sterben.
Den Fuchs hängt nämlich keiner in einer Klinik an den Tropf. Der windet sich irgendwo einsam im Wald in grausamen Schmerzen und stirbt.
Junge Welpen sind oft so schnell tot, daß die abends noch fitten Kinder morgens tot neben ihrer verzweifelten Mama liegen.
Oder der geliebte alte Hund, der schon recht klapprig ist. Der ist dann auch tot.
Will man daran Schuld sein?
Wohl kaum.
Also Impfen.
Was impfe ich denn eigentlich bei meinen eigenen Hunden, und wie oft impfe ich sie?
Routineimpfung:
1. Tollwut, Staupe, Hepatitis contagiosa canis, Parvovirose: Alle drei Jahre beim erwachsenen Hund
2. Leptospirose, Zwingerhusten (Parainfluenza + Bordetella bronchiseptica): Jährlich. Warum jährlich? Weil es eben kaum länger hält.
(Welpen brauchen eine aufwändigere Grundimmunisierung, Details kann man nachlesen in den allgemeinen Impfempfehlungen der StIKo)
Bei Reisen in den Endemiegebiete wie den Mittelmeerraum würde ich vorher auch gegen Leishmaniose impfen.
Warum impfe ich meine Hunde nicht auch gegen Borreliose?
Ganz einfach: Borrelien werden durch Zecken übertragen. Zecken übertragen auch eine ganze Reihe von anderen ernsthaften Krankheiten, gegen die ich nicht impfen kann.
Also ist es schlauer den Hund gleich sicher gegen Zeckenbefall zu schützen, statt ihn nur gegen Borreliose zu impfen.
Warum impfen wir gegen gerade diese Krankheiten und nicht gegen andere?
Zunächst: man kann nicht gegen jede Krankheit impfen, auch wenn man möchte. Das klappt eben leider nicht bei jeder Krankheit.
Außerdem impft man natürlich nicht gegen harmlose Krankheiten. Die übersteht man, notfalls behandelt man und gut.
Die Krankheiten gegen die wir impfen, haben früher sehr viele Hunde umgebracht oder auch dauerhaft geschädigt. Sie verbreiten sich schnell, sind sehr gefährlich und schlecht zu behandeln.
Warum hört man so relativ wenig über diese Krankheiten, wenn sie doch so gefährlich sind?
Sie waren bei uns größtenteils sehr selten geworden, nachdem jahrelang fast alle Hunde hier geimpft waren. Als ich im Studium war, wurden diese Krankheiten schon seltener. Ich habe diese Krankheiten aber noch am Patienten erleben müssen und war sehr froh, als sie bei uns fast verschwanden. Es ist nämlich schrecklich wenn man Hunden hilflos beim Sterben zusehen muß.
Dadurch, daß bei uns lange Zeit kaum noch jemand selbst erlebt hat wie sfurchtbar diese Krankheiten sind, wurde in den letzten Jahren viel geschlampt und nicht regelmäßig geimpft. Durch Importe und durch Wildtiere kommen die Krankheiten deshalb wieder zurück und verbreiten sich.
Wieder sterben viele Welpen an Parvo, die Staupe ist auch schon wieder da und breitet sich aus. 2013 gab es einen Fall, in dem ein importierter Hund an Tollwut erkrankte. UPDATE: In 2021 wurde in unserer nachbarklinik ein illegal importierter Welpe leider mit Tollwut diagnostiziert.
Tollwut ist bei uns durch Impfprogramme glücklicher Weise sehr selten geworden, aber entgegen den häufig aufgestellten Behauptungen ist Deutschland nicht tollwutfrei.
Bei Tollwuterkrankung gibt es nicht die leiseste Chance auf ein Überleben. Nicht für den Hund, auch nicht für einen Menschen.
Nach anfänglichen Grippesymptomen leidet der Patient weil sich sein Gehirn entzündet an Halluzinationen bis hin zur rasenden Wut. Hinzu kommen Lähmungen und Schluckstörungen, daher der berühmte Schaum vor dem Maul. Der Hund hat panische Angst, oft besonders vor Wasser, und leidet an furchtbaren Schmerzen. Und er stirbt einen gräßlichen Tod. IMMER. Es gibt keine Heilung. Nicht für alles Geld der Welt.
Und um eine Ausbreitung zu verhindern muß leider zur Sicherheit jedes ungeimpfte Tier getötet werden, das mit dem erkrankten Tier Kontakt gehabt haben könnte. Das heißt im Klartext: wenn ein tollwütiges Tier irgendwo in der Nachbarschaft auftaucht, werden dort zum Schutz der Menschen auch unbeteiligte ungeimpfte Hunde und Katzen eingeschläfert. Es kann ja nicht garantiert werden, daß sie nicht im Garten oder beim Spaziergang Kontakt mit dem kranken Tier hatten. Da hilft dann auch kein Widerspruch des Herrchens, der Hund wird getötet. Das ist so, weil die Krankheit manchmal erst nach längerer Zeit ausbricht.
Außer der Tollwut wird nur die Leptospirose auch für den Menschen gefährlich. Bordetellen sind zwar für den Menschen ansteckend, aber nicht lebensgefährlich.
Ich spare mir jetzt mal die anderen Horrorbeschreibungen.
Angst durch noch mehr Angst zu bekämpfen bringt wohl kaum etwas. Ich denke der Punkt ist klar geworden: Wir impfen gegen ernsthafte Krankheiten, nicht gegen harmlosen Schnupfen!
Man hört aber so viel über Impfschäden. Was ist denn da nun wirklich dran?
Impfschäden sind tatsächlich sehr selten. Natürlich kann unter tausenden geimpften Hunden mal einer allergisch reagieren. Und jeder weiß wohl, daß allergische Reaktionen auch sehr gefährlich sein können.
Dabei ist aber egal worauf man allergisch ist. Es sind schon Leute erstickt weil sie beispielsweise allergisch gegen Katzen sind. Haben wir jetzt alle Angst vor Katzen und fassen niemals eine an? Nein, natürlich nicht. Nur wer stark allergisch ist, muss aufpassen und besser auch Notfallmedikamente bereithalten.
Tragische Einzelfälle erscheinen durch das wieder und wieder Weitererzählen viel häufiger, als sie tatsächlich sind. Warum ist das so?
Naja, keiner wird auf Facebook posten: "Mein Hund wurde geimpft und nichts ist passiert." Und teilen würde so eine langweilige Nachricht natürlich erst recht keiner.
Klar, dadurch hört man also nur etwas darüber wenn es mal Probleme gibt.
Wenn tatsächlich einmal ein Hund nach einer Impfung stirbt hört man aber mit Sicherheit davon! Und jeder teilt es erschrocken weiter.
Das macht natürlich Angst.
War die Impfung überhaupt die Krankheitsursache? Durchaus möglich, wenn auch nicht besonders wahrscheinlich. Ohne weitere Untersuchungen kann man das nicht sagen.
Warum ist das so? Woran erkennt man denn einen Impfschaden?
Wichtig ist, erst ein mal zu verstehen: eine Schwellung an der Einstichstelle, die ein paar Tage dauert, empfindlich ist oder mal juckt, ist kein "Impfschaden". Daß der Hund ein wenig ruhiger ist auch nicht. Das ist eine normale Impfreaktion. Keine Panik: Das ist nur das Immunsystem, daß sich den Impfstoff ansieht. Das soll es auch. Ist doch der Sinn der Sache, daß das Immunsystem lernt.
Merke: Lernen ist anstrengend!
Deshalb wird der Patient auch vorher untersucht: er darf nicht krank sein, wenn man impft.
Deshalb soll man ja auch die nächsten Tage nach einer Impfung keinen Sport machen, sich nicht körperlich anstrengen.
Daher auch der Rat etwa 2 Wochen vor der Impfung zu entwurmen. Damit der Patient fit ist! (Für eine Borrelioseschutzimpfung ist diese Wurmkur sogar vorgeschrieben.)
Was ist mit Tieren, die nach der Impfung plötzlich richtig krank werden? Ist das jetzt ein Impfschaden?
Könnte durchaus sein. Sofort zum Tierarzt und untersuchen lassen.
Aber keine Angst:
Meistens ist es schlicht und einfach eine Erkrankung, die man bei der Voruntersuchung nicht erkannt hat.
Zur Erklärung: Wenn der Patient sich irgend eine Krankheit (z.B. ein Virus) "eingefangen" hatte, aber noch keine Krankheitsanzeichen zeigte als er vorgestellt wurde. Dann bricht die Krankheit durch den Impfstress spontan aus.
Warum passiert das? Wie oben gesagt: Lernen ist anstrengend. Wenn ich dem Immunsystem den Impfstoff zeige, schaut es für diesen Moment nicht mehr so genau auf die schon vorhandene Krankheit. Die Krankheitserreger bekommen weniger Gegenwehr vom Immunsystem und vermehren sich: Symptome werden sichtbar.
Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis:
Ein junger Kater war zugelaufen. Wurde entwurmt, erschien fit und munter.
Am Tag nach der ersten Impfung ging es Manni plötzlich schlecht. Er bekam sogar Fieber. Nach Behandlung ging es ihm bald wieder gut.
Okay....aber als ich ihm nach 4 Wochen seine nächste Impfung gab, passierte das Gleiche noch mal. Impfschaden!? Wirklich?
Leider nein. Das wäre noch besser zu behandeln gewesen. Ich nahm ihm Blut ab: er hat leider FIV, Katzen-AIDS. Das Immunsystem war also angegriffen.
(Zur Beruhigung: Manni geht es gut. Er bekommt seitdem ein Medikament, das die Krankheit bremst und darf sich natürlich nicht mit anderen Katzen prügeln, damit er sie nicht ansteckt.)
Also: Nicht gleich Panik bekommen, sondern den Tierarzt nachforschen lassen, was wirklich los ist.
Echte Impfschäden:
Jetzt aber. Aus meiner Erfahrung. Ganz persönlich. Über 20 Jahre in der Tiermedizin plus eigene Hunde.
Wie viele richtige Impfschäden habe ich bei all diesen Hunden selbst gesehen?
EINEN einzigen beim Hund. Ein kleiner Terriermix, der mit einer fußballgroßen Schwellung und Fieber auf die (korrekt durchgeführte) Impfung eines Kollegen reagiert hatte. Ja, dem Pedro ging es wirklich sehr, sehr schlecht. Der Kleine kam an den Tropf und bekam Cortison, um die allergische Reaktion zu bekämpfen.
Beim nächsten Mal bekam er einen anderen Impfstoff.
EIN ernsthaft erkrankter Hund in über 20 Jahren... was soll ich dazu noch sagen?
Ich kann gar nicht zählen ,wieviele Hunde in dieser Zeit an Parvo oder Leptospirose gestorben sind.
Auch am so oft verharmlosten Zwingerhusten und seinen Folgen (Lungenentzüdung) starben einige noch mehr behielten ernsthafte Lungenschäden.
Also ist unser Hund ohne Impfung viel mehr in Gefahr als mit. Auch wenn es im Leben keine 100% ige Sicherheit gibt, ist mein Hund sicherer mit als ohne Impfung.
Mag sein, daß ich auch deshalb besonders wenige Probleme sehe, weil ich stur alle Patienten gründlich untersuche und immer auf Qualität achte. Ein verantwortungsvoller Tierarzt kauft die besten Impfstoffe, nicht die billigsten. Der Haustierarzt der jedes Jahr die Vorsorgeuntersuchung macht kennt den Hund und bemerkt Veränderungen schneller.
Immer noch Angst vor der Impfung?
Okay, ich werde mit meiner blöden Höhenangst auch kein Fassadenkletterer mehr...
Machen wir doch einfach etwas, um uns sicherer zu fühlen:
Gemütlich mit dem Fahrstuhl in den 5 Stock hochfahren fühlt sich sicherer an als Hochklettern mit Sicherungsseil.
Hauptsache ist doch man kommt nach oben.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir vor einer Impfung einfach mal Blut abnehmen und ein Vorsorge-Screening im Labor machen lassen?
Sicher ist sicher.
Und von mir aus können wir auch gerne zusätzlich eine Bestimmung der Impftiter mit machen lassen. Dann wissen wir wo genau es hapert. Und dann können wir gezielt genau gegen diese Krankheiten impfen.
Ist doch kein Problem!
Einfach mal zwei Wochen vorher, wenn Sie die Wurmkur holen, den Tierarzt drauf ansprechen, daß Sie Angst vor der Impfung haben. Sagen Sie einfach, daß sie ein Vorsorge-Screening möchten, um sich sicher zu fühlen.
Der Kollege wird Sie nicht beißen, der hat bestimmt auch vor irgendwas auf dieser Welt Angst ;-)