DocWolf Tiermedizinische Themen verständlich erklärt.

Was Ralf sagt. Punkt.
10/08/2025

Was Ralf sagt. Punkt.

Ein Kangal, eine Magendrehung, die Notdienstkrise und das kontroverse Posting einer Kollegin

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Am 1. August 2025 hat eine Kollegin und Praxisinhaberin den folgenden Text veröffentlicht:

„„𝐒𝐨𝐫𝐫𝐲, 𝐰𝐢𝐫 𝐦𝐚𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐝𝐚𝐬 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭.“
Warum es gefährlich ist, wenn Tierärzte OPs ablehnen – nicht aus fachlichen Gründen, sondern aus Angst, Aufwand oder Vorurteilen.
Es war wieder so ein Moment, bei dem dir das Herz kurz stehen bleibt – und dann umso heftiger weiterschlägt.
Ein Kangal. 62 Kilo Hund, riesengroß, wunderschön, voller Kraft. 𝑫𝒊𝒂𝒈𝒏𝒐𝒔𝒆: Magendrehung. Ein Notfall. Ein Klassiker. Eine Situation, in der jede Minute zählt – und jede Entscheidung über Leben und Tod entscheidet.
Aber bevor dieser Hund bei uns ankam, passierte das, was in letzter Zeit immer wieder passiert:
Die Besitzer hatten bereits mehrfach versucht, Hilfe zu bekommen. Sie hatten bei Tierärzten angerufen. Bei Kliniken. Bei Praxen. Und sie hörten immer wieder das Gleiche:
„𝙎𝙤 𝙚𝙞𝙣𝙚𝙣 𝙤𝙥𝙚𝙧𝙞𝙚𝙧𝙚𝙣 𝙬𝙞𝙧 𝙣𝙞𝙘𝙝𝙩.“
„𝘿𝙖𝙨 𝙞𝙨𝙩 𝙪𝙣𝙨 𝙯𝙪 𝙜𝙧𝙤ß, 𝙯𝙪 𝙨𝙘𝙝𝙬𝙞𝙚𝙧𝙞𝙜, 𝙯𝙪 𝙧𝙞𝙨𝙠𝙖𝙣𝙩.“
„𝙀𝙞𝙣 𝙆𝙖𝙣𝙜𝙖𝙡? 𝙉𝙚𝙞𝙣, 𝙙𝙖𝙣𝙠𝙚.“
Es war nicht das erste Mal, dass uns so ein Fall erreichte. Und leider ist es inzwischen fast schon ein trauriges Muster geworden: Große Rasse. Aufwendige OP. Und plötzlich wird weiterverwiesen – oder gar nicht erst angenommen.
Dabei geht es hier nicht um Schönheits-OPs. Nicht um Bequemlichkeit. Sondern um akute Notfälle. Um Tiere, die in Todesangst leiden, während Menschen verzweifelt versuchen, jemanden zu finden, der den Mut hat, zu helfen.
Und das darf nicht sein.
Natürlich darf und muss jede Tierarztpraxis ihre fachlichen und räumlichen Grenzen kennen. Niemand verlangt Unmögliches.
𝘼𝙗𝙚𝙧: Wenn ich eine Magendrehung nicht operieren kann – dann sorge ich dafür, dass der Hund sofort in erfahrene Hände kommt. Ich leite weiter. Ich helfe beim Organisieren. Ich schicke niemanden einfach weg, weil mir der Hund zu groß, die Nacht zu lang oder der Aufwand zu hoch erscheint.
Denn Tiermedizin bedeutet Verantwortung.
Nicht für die einfache Stunde am Impftisch – sondern gerade in genau solchen Momenten. Ein Hund ist kein Fall, den man ablehnen kann, nur weil er 62 Kilo wiegt. Er ist ein Lebewesen.
Mit Menschen, die ihn lieben. Mit einer Magendrehung, die ihn in wenigen Stunden töten kann. Wir haben diesen Kangal operiert. Er hat es geschafft. Aber es war verdammt knapp.
Und er hätte viel früher Hilfe verdient gehabt.
𝘽𝙞𝙩𝙩𝙚. 𝙒𝙚𝙣𝙣 𝙙𝙪 𝙏𝙞𝙚𝙧𝙖𝙧𝙯𝙩 𝙤𝙙𝙚𝙧 𝙏𝙞𝙚𝙧ä𝙧𝙯𝙩𝙞𝙣 𝙗𝙞𝙨𝙩:
Lass nicht zu, dass Tiere leiden, nur weil du Angst vor einer Rasse hast. Oder weil dir die Nacht zu kurz erscheint.
Oder weil du glaubst, jemand anders wird’s schon machen.
𝗦𝗲𝗶 𝗷𝗲𝗺𝗮𝗻𝗱, 𝗱𝗲𝗿 𝗵𝗮𝗻𝗱𝗲𝗹𝘁.“

So weit der Text, mit dem wir uns nun aber eingehender beschäftigen müssen, denn er beschreibt einerseits zutreffend, welche Dramatik durch die seit Jahren schlimmer werdende Notdienstkrise der Tiermedizin zwangsläufig immer wieder entstehen kann und muss, ist aber andererseits in vielerlei Hinsicht falsch, vorsätzlich polarisierend und wenig zielführend.

Meine Stammleser:innen sind über die Notdienstkrise gut informiert, weil ich diese schon vor vielen Jahren vorausgesagt und seitdem immer wieder zum Thema diverser Artikel gemacht habe. Für alle anderen nochmal eine Erklärung in aller Kürze. Diese Krise hat viele Ursachen, ist also ein multifaktorielles Geschehen. Im Zentrum steht aber eine ganz einfache Tatsache:

Wir haben inzwischen definitiv nicht mehr genug Leute, und zwar sowohl Tierärztinnen und Tierärzte als auch Tiermedizinische Fachangestellte, um die eigentlich für die Versorgung des Tierbestandes notwendigen Arbeitszeiten leisten zu können!

Das ist die Kernaussage, die sich jede und jeder einfach klar machen muss! Wir können darüber entsetzt sein (sind wir!), wir können heulen und mit den Zähnen klappern (tun wir!), wir können mit der Stirn gegen die Wand oder auf den Tisch schlagen (auch das!), es hilft alles nichts! Wir haben zu wenig Leute, wir schaffen es nicht mehr! Die Arbeitszeit einer bestimmten Anzahl von Leuten ist nun mal eine streng begrenzte Ressource, egal wie man es dreht und wendet. Das müssen wir im Zusammenhang mit dem Text der Kollegin jetzt einfach mal so stehen lassen, weil es dafür ganz sicher keine schnellen Lösungen geben wird.

Und ja, diese unbestreitbare Tatsache wird immer häufiger Patienten das Leben kosten, weil sie nicht rechtzeitig tiermedizinische Hilfe bekommen. Die Kollegin schildert ja genau so einen Fall, wo das gut hätte so ausgehen können. Das ist völlig realistisch dargestellt. Sowas passiert und wird in Zukunft immer öfter passieren!

Wo die Kollegin aber leider argumentativ völlig aus dem Gleis springt, das ist die Schuldzuweisung an alle anderen unter gleichzeitiger Beweihräucherung der eigenen Person, frei nach dem Motto „Ihr seid alle faul, verantwortungslos und sowieso Scheiße, seid doch lieber so toll wie ich!“. Noch abseitiger wird es, wenn sie die Ablehnung oder das Weiterverweisen des Falles auf Angst vor der Hunderasse zu reduzieren versucht.

Wie wir alle war die Kollegin in keiner der Praxen oder Kliniken dabei, als dort die Entscheidung getroffen wurde, den Patienten nicht anzunehmen, weiß also rein gar nichts über die Umstände, die zu dieser Entscheidung geführt haben. Ich habe 35 Jahre lang eine stetig wachsende Kleintierpraxis geführt und in dieser Zeit unzählige Notdienste geleistet. Ich kann mich an Dutzende Fälle erinnern, wo ich (ganz allein mit meiner Frau) mitten in der Nacht am OP-Tisch stand und in dem Wissen, dass wir mit diesem Fall noch so und so lang beschäftigt sein würden, andere Patienten relativ kurz angebunden abgewiesen habe, weil es einfach keine realistische Chance gab, diese angemessen zu versorgen. Man kann halt nicht den einen Patienten mit offenem Bauch vom OP-Tisch werfen, um einen anderen zu versorgen!

Es gibt im Medizinrecht den Begriff des Übernahmeverschuldens, geregelt in den Paragraphen 276, 280, 630a ff. des BGB. Übernahmeverschulden liegt vor, wenn eine Person eine Leistungspflicht übernimmt, obwohl sie nicht in der Lage ist, diese ordnungsgemäß zu erfüllen. Im medizinischen Kontext bedeutet dies, dass ein (Tier-)Arzt oder eine Klinik eine Behandlung annimmt oder durchführt, obwohl sie wissen (oder aufgrund von Fahrlässigkeit nicht wissen), dass sie dafür entweder nicht ausreichend qualifiziert bzw. ausgestattet oder umständehalber nicht in der Lage sind.

Vom abstrakten Gesetzestext zum realen Leben: Wenn ich gerade am OP-Tisch stehe und einem Patienten den Bauch geöffnet habe, um einen Darmverschluss zu beheben, und dann die Leute mit obigem Kangal mit Magendrehung anrufen, dann DARF ich den gar nicht annehmen, weil ich genau weiß, dass der Hund allenfalls in meinem Wartezimmer sterben wird, ich ihm aber überhaupt nicht helfen kann! Wenn ich mit meiner Frau als einziger Hilfe im OP stehe, kann ich dem Hund mit Magendrehung nicht mal die Notversorgung angedeihen lassen, die notwendig wäre, damit er den weiteren Weg in eine Einrichtung, die ihn operieren kann, überlebt. Und ich habe auch absolut nicht die Zeit oder Möglichkeit, die von der Kollegin so locker geforderte Organisation der Weiterleitung des Falles zu übernehmen.

Diese Notversorgung einer Magendrehung (Kurzdiagnostik, Röntgen, Venenzugänge legen, Infusion, Dekompression des aufgegasten Magens durch Punktion) wird oft als etwas beschrieben, was man von jeder Praxis verlangen kann, die fachlich oder ausstattungsmäßig nicht zur eigentlichen OP in der Lage ist. Aber selbst das ist als pauschale Aussage einfach falsch, und da kommen jetzt tatsächlich Größe und Rassegruppe des von der Kollegin beschriebenen Hundes ins Spiel. Es geht dabei in den seltensten Fällen um Angst. Ich kenne aber mehr als genug Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund von Praxisstruktur oder Personalmangel den Notdienst völlig allein verrichten müssen. Steht eine Tierärztin mit 55 kg nun nachts oder am Wochenende in ihrer Praxis, kann sie sich natürlich sehr gut ausrechnen, dass sie einen höchstwahrscheinlich nicht kooperativen Herdenschutzhund mit 62 kg („riesengroß, wunderschön, voller Kraft“) schon mal sicher nicht geröntgt und wahrscheinlich auch nicht dekomprimiert bekommen wird. Und schon sind wir wieder beim Übernahmeverschulden! Eines ist nämlich sicher: Die Patientenbesitzer:innen, die sich über eine Fallabweisung furchtbar aufregen, sind die allerersten, die einen stante pede und dann tatsächlich zurecht verklagen, wenn man sie einbestellt, den Hund aber nicht auf der Stelle und nach allen Regeln der Kunst versorgen kann.

Dass der Kangal am Ende in der Praxis der Kollegin operiert und damit gerettet werden konnte, ist schön zu hören, aber eigentlich kein echter Anlass, sich selbst in dieser Form zu feiern. Eigentlich ist es ganz einfach: Die Praxis der Kollegin war halt die erste, die in diesem Moment über die Ressourcen verfügte, um den Hund überhaupt versorgen zu können. Es wären – und das weiß die Kollegin ganz genau – durchaus Umstände denkbar, unter denen sie selbst diesen Patienten nicht hätte annehmen können, ohne sich dem Vorwurf eines Übernahmeverschuldens auszusetzen.

Womit wir abschließend - und um noch was Konstruktives hinzuzufügen - bei einem wichtigen Punkt angekommen sind, nämlich bei der Verantwortung der Tierbesitzer:innen. Ich habe schon vor vielen Jahren dringend darauf hingewiesen, dass man als Halterin oder Halter einer zur Magendrehung neigenden Hunderasse in der Pflicht steht, sich vorab zu informieren, welche tiermedizinischen Einrichtungen in erreichbarer Nähe überhaupt dazu in der Lage sind, diesen so speziellen Notfall zu managen. Eine entsprechende Liste sollte im Handy gespeichert sein, und idealerweise kennen die Praxen oder Kliniken auf den ersten drei Plätzen dieser Liste Hund und Halter schon, weil man sich da mal vorgestellt hat. So eine gar nicht schwierig umzusetzende Vorgehensweise ist potenziell lebensrettend und in diesen Zeiten mit immer dünner werdender Notdienstversorgung wichtiger denn je.

Link: https://www.ralph-rueckert.de/blog/die-magendrehung-beim-hund-aus-sicht-des-besitzers/

Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

P.S.: Ja, bevor mir jetzt jemand schlau kommt und anmerkt, dass das auf dem Bild kein Kangal, sondern ein junger Akbash ist: Ich weiß! Ich hatte nur kein Foto eines Kangals in meinem Archiv.

© Ralph Rückert
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Bitte helft/ please helpIch kenne diese Organisation schon seit sehr langer Zeit.HoH ist eine wirklich seriös arbeitende...
03/08/2025

Bitte helft/ please help
Ich kenne diese Organisation schon seit sehr langer Zeit.
HoH ist eine wirklich seriös arbeitende Organisation die ich als Tierärztin vollkommen unterstützen kann.

Was Johanna hier schreibt habe ich ganz ähnlich erlebt mit meiner Faruna, die nach Einführung von Librela in 2021 auf ih...
05/04/2025

Was Johanna hier schreibt habe ich ganz ähnlich erlebt mit meiner Faruna, die nach Einführung von Librela in 2021 auf ihre alten Tage noch richtig toll aufgeblüht ist und viel mehr Spaß am Leben hatte.

Ja, inzwischen lebt sie nicht mehr. Wie wir alle werden Hunde alt und sterben irgendwann an etwas. Ganz ohne dass jemand etwas böses getan hat oder dass es eine Nebenwirkung wäre.

Inzwischen habe ich unzählige Patienten und eigene Hunde damit versorgt. Die schlimmste Nebenwirkung die ich (2x) gesehen habe war vermehrtes Trinken und dadurch in einem Fall gelegentliche , leichte Inkontinenz. Die beiden alten Hündinnen bekommen es weiter, weil sie so schmerzfrei und glücklich leben.

Alle Jahre wieder steigt der Apomorphin-Verbrauch in den Tierarztpraxen in der Weihnachtszeit.Als Tierarzt lernt man die...
12/12/2024

Alle Jahre wieder steigt der Apomorphin-Verbrauch in den Tierarztpraxen in der Weihnachtszeit.
Als Tierarzt lernt man die Weihnachtszeit fürchten.

Immer vor Weihnachten füllen wir Tierärzte einen besonderen Teil unserer Arzneivorräte auf: Alles was man so bei bestimmten Vergiftungen braucht….
Waren es in früheren Jahren noch meist Vergiftungen durch Kakao im Kuchen und in der Schokolade (Krampfanfälle) oder durch Rosinen (Nierenversagen), so ist es neuerdings durch einige Modeerscheinungen noch schlimmer geworden:
Um Zucker und Kalorien einzusparen verwenden inzwischen viele Leute beim Backen Xylit (Xylitol), einen natürlichen Stoff der z.B. aus Birkenrinde gewonnen wird.
Birkenzucker ist für uns Menschen (und auch Katzen) kein Problem.
Aber für Hunde ist er leider extrem giftig.
Schon eine geringe Menge Birkenzucker verursacht beim Hund eine starke Insulinfreisetzung, daher entsteht tödlicher Unterzucker im Blut. (Wie ein Diabetiker, dem man viel zu viel Insulin gespritzt hat).
Zittern, neurologische Probleme, Torkeln, Zusammenbruch.
Selbst wenn der Hund mittels Intensivmedizin diese erste Phase überlebt droht noch immer Leberversagen als tödliche Folge.
Xylit/Birkenzucker hat also in einem Haushalt mit Hund nichts zu suchen. Wenn Sie als Hundehalter Zucker einsparen wollen, so süssen Sie einfach mit Erythrit oder Stevia.
Macadamia-Nüsse sind in den letzten Jahren immer häufiger eine Vergiftungs- und auch Todesursache bei Hunden. Manche Hunde sind sehr empfindlich und schon wenige Nüsse können dann tödlich sein. Symptome sind Blässe, Schwäche, Erbrechen, Torkeln, Zittern, Fieber, Bauchschmerzen, Lähmungen.
Sollte Ihr Hund etwas gefressen haben oder sollten Sie es auch nur vermuten: Gehen Sie bitte SOFORT zum Tierarzt.
Wenn sie gleich nachdem er etwas gefressen hat zum Tierarzt fahren kann die Vergiftung durch schnelle einfache Behandlung verhindert oder zumindest abgemildert werden.
Wenn Sie erst lang abwarten ob Ihr Hund denn Symptome bekommt, dann ist es zu spät. Viele dieser Hunde sterben trotz aufwendiger Intensivmedizin.

Wer mich kennt, weiß dass ich viel Wert auf die Zahnpflege bei Tieren lege.Oft werde ich gefragt welche Zahnbürste ich e...
16/11/2024

Wer mich kennt, weiß dass ich viel Wert auf die Zahnpflege bei Tieren lege.
Oft werde ich gefragt welche Zahnbürste ich empfehle:

1. Eine weiche Zahnbürste, so wie unsere eigenen.
2. Ich mag auch gerne die Petosan, weil sie V-förmig ist. Die gibt es für Fortgeschrittene auch als elektrische Zahnbürste (Die ist nicht mal teuer) oder man verwendet auch einfach eine x-beliebige Schallzahnbürste (jeder kennt z.B. Oral-B).

Und dazu gerne eine Enzymatische Zahnpasta für Hunde (z.B. C.E.T.-Zahnpasta) mit Fleischgeschmack.

Achtung: Finger weg von Menschenzahnpasta, bes. Kinderzahnpasta. Die enthält oft Xylit (= Xylitol =Birkenzucker) und das ist hochgiftig für Hunde.

Die Zahnpasta ist aber tatsächlich nicht so wichtig. Hauptsache ist das mechanische Bürsten. Notfalls übt ihr mit einem Hauch Leberwurst auf der Bürste.

Was mir von Anfang an suspekt war sind lautlose sog. Ultraschall-Zahnbürsten. Beworben mit pseudowissenschaftlichem Geschwurbel sollen sie geräuschlos und sanft reinigen.
Behaupten kann man viel, und teure Geräte lösen natürlich beim Käufer schnell einen Placebo aus.
Leider gibt es keine wissenschaftlichen Belege für die Wirkung.

Bei einem Test des Kollegen Kubinetz hat die Vertreterin eines bek. Herstellers weil sich der Belag nicht lösen wollte, vor laufender Kamera mit einem Zahnschaber den Belag heruntergekratzt (Gefahr den Schmelz zu schädigen!) und gemeint es ginge durch die vorherige Anwendung der teuren Ultraschallzahnbürste eben leichter. Aha.

Hier folgt ein Link zu einem unabhängigen Praxis-Test von Ultraschallzahnbürsten, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ durchgeführt hat. https://www.faz.net/kaufkompass/test/die-beste-ultraschall-zahnbuerste/

Zusammengefasst: Die lautlosen Ultraschallzahnbürsten putzen nicht gut, erreichten nicht das Niveau einer normalen elektrischen Zahnbürste!
Wenn man dann den bei der "Testsiegerin" zuschaltbaren Schallmodus auf höchster Stufe hinzuschaltet (also einen normale Zahnbürste daraus macht) wird es ein gerade mal passables Putzergebnis.
Na das kann man auch günstiger bekommen.
Putzt einfach die Aussenflächen der Zähne Eurer Tiere mit einer weichen Zahnbürste.

Bild: In dem Stadium lasst bitte erst die Zähne sanieren bevor Ihr versucht Zähne zu putzen die ohnehin weh tun. Sonst vergrault Ihr Eurem Hund das Putzen durch Schmerzen.

Neue Impfrichtlinien: Warum gibt es eigentlich immer wieder Änderungen bei den Impfschemata?Einfach deshalb, weil man es...
28/10/2024

Neue Impfrichtlinien: Warum gibt es eigentlich immer wieder Änderungen bei den Impfschemata?

Einfach deshalb, weil man es möglichst gut machen möchte und man immer mal wieder neue Erkenntnisse hat. Manchmal gibt es auch einfach neue Impfstoffe die anders funktionieren.

In der Medizin gilt: Mach es nach bestem Wissen und so gut wie möglich. Bis Du durch neue Informationen mehr weißt: Dann mach es besser.

Was ist jetzt in den neuen internationalen WSAVA- Impfrichtlinienien besonders wichtig für Hunde und Katzen in Deutschland?

1. Für Hunde zB. In Deutschland wurde die Leptospirose-Impfung zur Core-Impfung erklärt. Also zu einer unerlässlich wichtigen Impfung.
Warum?
Weil wir Endemiegebiet sind. Die Erkrankung, die trotz intensiver Behandlung oft tödlich verläuft können sich unsere Hunde -und wir selbst!- uns von anderen Hunden oder über den Kontakt mit Nagerurin einfangen. Ganz üble Sache, besonders da kein Impfstoff für uns Menschen verfügbar ist. Eine Kollegin ist neulich erst mit Leptospirose ins Krankenhaus gekommen, ich habe viele Kollegen die das bereits erlebt haben. Stellt Euch mal vor wenn sich immunschwache Menschen, Kleinkinder oder alte Leute von unseren Hunden einhandeln und sterben...

Zur Beruhigung, das ist eigentlich eine Formalität: Jeder solide Tierarzt sollte auch vorher schon Euren Hund mit einem L4-Impfstoff grundimmunisiert und jährlich geimpft haben.

2. Neue Empfehlungen zur Grundimmunisierung speziell von Welpen.
Jetzt wird es etwas komplizierter. Ich versuche es zusammen zu fassen.

Bisher sind die meisten umfassenden Impfstoffe sind zugelassen für Impfung mit etwa 8 Wochen, dann 12 Wochen, dann nach einem Jahr. Danach zweigt es auf in Krankheiten gegen die bei uns jährlich nachgeimpft werden soll und Krankheiten die bei uns nur noch alle 3 Jahre geboostert werden.
Im optimalen Fall wurde der Welpe beim Züchter vorher schon mit etwa 5 Wochen (je nach Impfstoff) gegen 2 Krankheiten geimpft.

Davon abweichend gibt es für einige Krankheiten schon laaange eine Änderung der Richtlinien, dass man zusätzlich auch noch mal mit 16 Wochen boostern sollte. Und dann erst nach einem Jahr.

JETZT neu ist, dass man festgestellt hat, dass auch das nicht optimal ist. Die Immunität ist trotzdem oft zu schlapp.
Deshalb rät die Impfkommission jetzt dazu nach der 16 Wochen-Boosterung schon nach 6Monaten nachzuimpfen, nicht erst nach einem Jahr. (Ausnahme für 2 Krankheiten: Welpenimpfung mit einem Spezialimpfstoff der eine besondere Wirksamkeit nachgewiesen hat.)

Wie kommt es eigentlich dazu, dass Welpen mehr Impfungen brauchen um geschützt zu werden als ein erwachsener Hund?

Das Problem ist, dass die Welpen anfangs Mütterliche Antikörper (MA) über die erste Milch aufnehmen. Das ist auch sehr gut und überlebenswichtig für die Welpen.
Diese MA können aber nicht nur echte Erreger sondern auch die Impfantigene wegfangen. Dann schaut sich das Immunsystem die Impfantigene natürlich nicht so gut oder auch gar nicht an, sind ja weggefangen.

Leider ist es kaum möglich genau vorherzusagen wie lange der Titer der Mütterlichen Antikörper so hoch bleibt im Welpen. Man hat halt festgestellt, dass oftmals doch noch nach 12 Wochen zu viele MA da sind als dass die Impfung richtig gut wirken würde. Deshalb die Impfung mit 16 Wochen noch dazu.

Einwand: „Warum impft man denn, wenn die Welpen den Schutz durch die MA haben, nicht einfach nur 2x und das etwas später?“

Antwort: Weil das leider nicht funktioniert: Viele Welpen haben von ihren Müttern nämlich viel zu wenig MA aufgenommen. Die brauchen die frühen Impfungen um geschützt zu sein. Sie sind in akuter Gefahr schwer krank zu werden und sogar zu sterben.

Einwand: „Warum testet man dann nicht die Welpen ob sie genug MA haben und impft sie dann passend?“

Antwort: Guter Gedanke, nur nicht praktikabel: Stellt Euch mal vor ,man müsste wöchentlich zum Tierarzt und von jedem einzelnen (oft winzig kleinen) Welpen eine Blutprobe zu ziehen.
Wäre nicht nur unglaublich sauteuer, die armen Welpen würden garantiert lernen den Tierarzt zu hassen.

Deshalb eben lieber öfter Grundimmunisieren. Kostet auch viel Geld (da machen wir uns nichts vor), aber es ist der günstigere und auch sicherere Weg.

Die Kurve im Bild unten habe ich von der WSAVA übersetzt auf deutsch.

Quelle: https://wsava.org/global-guidelines/vaccination-guidelines/

Kurze aber wichtige Anmerkung: Ich beantworte gerne Verständnisfragen. Wissenschaftsfeindliche Anti-Impf-Spinnereien werden einfach gelöscht und gesperrt. 😜

Probleme der Rohfleischfütterung: Tuberkulose bei Katzen ausgebrochen.
22/08/2024

Probleme der Rohfleischfütterung: Tuberkulose bei Katzen ausgebrochen.

The specialist veterinary team at Edinburgh University are warning vets about an outbreak of TB in raw fed cats.

Although so far only 11 cases have been confirmed, TB is not a condition many vets will think about because it is so unusual, the symptoms are vague and can mimic other conditions and the testing needed for a diagnosis is very specific.

It is also extremely serious, sadly 8 of the infected cats have already been euthanased and it can make humans very ill as well. Which is why it is important that the word is spread.

All the cats so far diagnosed were fed the same raw diet. They were mainly indoor cats and did not drink raw milk, so had no other risk factors that might have caused the disease.

The company impacted is aware but has not yet been named and the vets are at pains to point out that they appear to have followed all the regulatory requirements and that this is simply an inherent risk (albeit thankfully a low one) of raw feeding.

As yet, as far as I am aware, a recall hasn't been issued.

Infected cats have presented with weight loss, coughing (a real concern as this could increase the ability of the disease to spread, particularly to people), abdominal abnormalities and were often very poorly by the time a diagnosis is made. Their blood tests generally only show non-specific changes like a mild anaemia.

Although TB in cats can present with skin lesions, this strain (similar to the last time this happened) appears to mainly cause respiratory signs and abnormalities may well be seen on chest x-rays.

If a lung wash is performed the bacteria might be identified but any vets doing one on a suspicious case must take care to wear PPE to protect themselves.

If you are concerned you might have a case, the team at Edinburgh, which includes Danielle Gunn-Moore and Conor O'Halloran, are very happy to help and advise you.

They have this webpage which is great; https://www.ed.ac.uk/vet/services/small-animals/vet-professional/specialist-services/feline/mycobacteria and advice on suspected cases from this outbreak will be given free of charge.

You can also contact Conor directly on [email protected]

And don't forget that TB is a notifiable disease, so the APHA must be contacted, and they are also a good source of support.

If you are a cat owner who raw feeds and you are worried, the best people to speak to for information and, hopefully, reassurance are your veterinary team and the company who produces the meals you feed.

It is also worth noting the difference between this problem, with a specific subset of infected animals, similar symptoms, a definitive diagnosis, a common diet and specialist vets at the forefront of raising the alert… and the the issues claimed with Purina pet food at the start of this year, which had none of these typical hallmarks of a genuine food related illness outbreak.

For more information about TB in cats, this article from the Edinburgh team, written in 2019, is very helpful; https://www.ed.ac.uk/vet/services/small-animals/information-about-cat-tb **But do note the company mentioned in it is in relation to the outbreak at the time, not this one**

Link to this report; https://www.research.ed.ac.uk/en/publications/tuberculosis-in-young-raw-fed-cats-in-the-uk

*Letter pictured published with the permission of the Vet Record and the authors.

Leider immer wieder aktuell 😢
19/03/2024

Leider immer wieder aktuell 😢

NOMV
Not One More Vet
Wir haben schon wieder eine tierärztliche Kollegin durch Suizid verloren.
Eine Kollegin die ich sehr mochte.
Es ist ein Beruf in dem wir mit hoher Verantwortung und sehr viel psychischem Druck leben müssen.
Tierärzte haben eine mehr als 4fach höhere Suizidwahrscheinlichkeit im Vergleich zur restlichen Bevölkerung.
Warum ist das so?

Nun, wir haben natürlich all den Ku**er und die Hürden im Leben, die jeder zu überwinden hat. Das Leben ist manchmal sehr schwer. Probleme mit Gesundheit, Familie, Geldsorgen....wir sind wie alle anderen Menschen. Das ganz normale Leben treibt schon manchen in die Depression und den Suizid.

Aber warum so viele Selbsttötungen mehr bei Tierärzten als in anderen Berufen? Und warum immer häufiger?

Viele von uns arbeiten unglaubliche Stundenzahlen, und wir nehmen uns oft buchstäblich die Arbeit mit nach Hause. Weil wir Tiere lieben und unser Helfersyndrom voll zuschlägt.
Dadurch sind wir gestresst und unsere Familien und Beziehungen leiden. Auch in den Scheidungsstatistiken sind wir immer ganz vorne dabei. Sich krank schreiben lassen mit Burnout? Wie denn als Selbstständiger? Wie denn wenn man weiß, daß dann die Kollegen in der Praxis noch die eigene Arbeitslast dazu auffangen müssten?

Also weiter machen. Irgendwie. Es soll kein Patient leiden oder gar sterben. Irgendwie weiter machen.... Ist aber schon klar, daß überarbeitete übernächtigte Leute Fehler machen.... Und damit muss der oder diejenige dann auch noch leben....

Ein nicht gerade kleiner Faktor ist die Mode der letzten Jahre uns als Sündenböcke dafür hinzustellen, wenn man sich die moderne Medizin für das Tier nicht leisten kann.

Verdammt: Wir müssen die Geräte und Medikamente auch kaufen, die regnen nicht vom Himmel. Macht bitte nicht Euer Finanzproblem zu unserem. Versichert Eure Tiere oder legt Geld zurück. Wir wollen Euren Tieren wirklich helfen, aber wir können es nicht auch noch selbst bezahlen.

Uns wegen dummer Internetgerüchte immer wieder zu unterstellen wir wollten Tiere schädigen durch Medikamente um Geld zu verdienen hilft auch nicht gerade....

Wenn wir skrupellose Monster wären, so würden wir mit Kokain handeln oder nutzlose Wundermittelchen verkaufen, damit könnten wir nämlich wirklich reich werden.

Wir zittern bei ernsthaft kranken Patienten oft innerlich weil wir Angst haben, daß wir wegen der Kosten oder der Verschwurbelung der Besitzer nicht helfen dürfen.

Es ist so schwer einen Patienten leiden oder sterben zu sehen weil der Besitzer sagt er kann sich die Therapie nicht leisten.
Noch viel schwerer ist es wenn der Besitzer die Behandlung wegen Falschinformationen aus den Medien oder der Gerüchteküche verweigert.

Wir erklären Besitzern etwas stundenlang mit sachlichen Begründungen und dann kommt der wieder und hat das Gegenteil gemacht weil irgendein Influencer in Youtube... Und dann versuchen wir den Patienten zu retten. Und sind innerlich verletzt, weil einem wildfremden Laien mehr vertraut wurde als uns, die wir das studiert haben, viele Jahre Erfahrung haben, uns fortbilden und schwierige Fälle noch in unserer Freizeit mit Kollegen besprechen. Ja wirklich das ist sehr verletzend.

Es macht uns so hilflos und verzweifelt wenn wir sehen wie ein Tier leidet, dem wir helfen könnten.

Wir flicken dann irgendwie die Reste unserer Seele wieder zusammen und machen weiter. Weil das unser Beruf ist. Das ist nämlich kein "Job" den man nur zum Geldverdienen macht. Das ist eine Berufung.
Wir machen das weil wir Tiere lieben. Geldverdienen könnten wir anderswo einfacher.

Aber: Es bricht uns jedes Mal das Herz wenn Eure oder unsere eigenen Tiere - aus welchem Grund auch immer - leiden und wir nicht helfen können. Irgendwann ist eben auch mit allem Geld und Mühen nichts mehr zu machen und wir verlieren den Kampf.

So machen Kollegen das, bis dann irgendwann alles in ihnen in Trümmern liegt und sie das Gefühl haben es wäre alles sinnlos und warum nicht einfach aufgeben? Die Medikamente stehen immer in Reichweite.

Und dann kann es sein, daß ein Tierarzt handelt, der schon so oft entscheiden musste ob er ein leidendes Lebewesen weiter behandelt oder in den Tod erlöst.

Einfach weil er oder sie tief in der Depression steckt und nur noch Leid sieht, glaubt für alle die sie/er liebt nur noch wertlos und eine Belastung zu sein.

Und dann greift sie/er nach der Flasche mit dem Curacao des Todes und beendet sein eigenes Leid.

Adresse

Stichweg 5
Völkersen
27299

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