27/09/2022
Dem Tod von der Schippe gesprungen
Dieser Beitrag fällt mir nicht leicht. Aber es ist einer der wichtigsten, die ich jemals geschrieben habe.
Am vergangenen Montag, fand ich morgens meinen dreijährigen mit heftiger Kolik, liegend im Stall vor. Es war sofort klar, dass es akut ist. Er lag flach, weiße Schleimhäute, hatte Untertemperatur von 35Grad, das Herz war schwach, aufgegast, er atmete heftig. Als ich ihn hoch hatte, war er wackelig auf den Beinen. Ein Horrorzustand. Nach „fit spritzen“ und dem schnellen Weg in die Klinik, stellte sich bei der Blut- und Kotprobe heraus. Hochgradig verwurmt.
Ich dachte, ich Fall um. Ich…- gerade ich. Mein Pferd! Wie geht das?
Dazu muss man wissen, dass ich das Thema Entwurmung grundlegend sehr ernst nehme. Denn ich habe neben den großen Pferden auch Minshettys. Und wer mal ne Kolik bei nem Shetty hatte weiß. Die kann man nicht ausräumen und da kann auch keiner hinten rein fassen. Zu klein. Unter anderem deswegen aber auch grundlegend, ist mir dies ein wichtiges Thema.
Nun habe ich mich irgendwann in den vergangenen zwei Jahren davon beeinflussen lassen, dass unter der Chemie ja die Darmflora so sehr leidet und hab begonnen meine Pferde alle 3 Monate vor der Wurmkur zu beproben. Eigentlich waren alle, bis auf meinen Shetty-Senior immer clean. Mein Jungpferd habe ich im Dezember letzten Jahres regulär mit der großen Equimax (Ivermectin & Pranziquantel) entwurmt. Danach habe ich auch ihn beprobt. Immer ohne Befund.
Ja, ungewöhnlich für ein Jungpferd. Aber mein Bestand ist sauber. Hier gibt es nur meine Pferde. Die Wiesen werden penibel gepflegt und gekalkt. Ich fand das Ergebnis nur logisch.
Und dann stehst du da in der Klinik. Machst dir Selbstvorwürfe, verstehst das alles nicht und zweifelst. An dir, deinem Management und dem ganzen Rest.
Als erstes fiel mir meine Freundin Lucia ein, die Anfang des Jahres fast ihre zweijährige Stute verloren hatte. Die Stute kam um eine zweimalige OP nicht drum rum. Es geht ihr nun wieder gut. Aber Mann, was war das knapp. Diagnose: Hochgradig verwurmt. Was haben meine Freundin und ich gemein? Wir sind mit unseren Pferden absolut penibel. Auch was das Kotproben nehmen angeht. Wir äppeln alles mehrfach täglich penibel ab, sind beide in einem gleich bleibenden Bestand mit den eigenen Pferden. Und trotzdem.
Schon bei der ersten Kotprobe meines Pferdes in der Klinik, hörten die Ärzte schnell auf, Eier zu zählen, weil es so enorm viele waren, dass klar war, dass die Kolik durch eine hochgradige Verwurmung aufgetreten ist.
Nun wollten wir dazu genauere Infos und haben ein großes Kotprofil, bei einem großen etablierten Labor in Auftrag gegeben. Heute kam das Ergebnis. (EDIT: Es wurde nach der ersten Entnahme, beim Kot ausräumen Zuhause, zu diesem Zweck eine 2. Kotprobe etwa eine Stunde später, in der Klinik entnommen.)
OHNE BEFUND! Mein Pferd ist angeblich wurmfrei. Ist er aber nicht. Ganz im Gegenteil!
Ich glaube die arme Tierärztin wusste kaum wie ihr geschieht, als ich am Telefon ausgeflippt bin. Ich spar euch meinen Ausraster und erzähle euch was ich gelernt habe.
Um es vorweg zu nehmen. Ich werde hier keine Namen von Laboren nennen, denn die trifft hier am Ende keine Schuld. Es waren außerdem drei verschiedene. Unter anderem das große bekannte Labor, bei dem so ungefähr alle Tierärzte beproben. Aber auch zwei weitere recht bekannte. Ich würde sagen, so die bekanntesten.
Meine erste Frage an die Tierärztin war, wie das bitte sein kann? Und dann sagte sie: „Frau Ewen - Würmer kommen im Kot eines Pferdes nur intermittierend (wechselhaft, zeitweilig aussetzend) vor. Das bedeutet dass es ein bisschen wie Lotto ist, bei der Kotprobe eine Stelle zu erwischen, an der auch Würmer sitzen. Selbst wenn man 3 Tage und von unterschiedlichen Stellen so wie verschiedenen Haufen sammelt. Bandwürmer und Magendasseln können über Flotations- oder Sedimentationsverfahren überhaupt nicht entdeckt werden. Daher findet man die in den Standard-Kotproben nicht. Und sitzen die Würmer erstmal in der Darmwand oder anderen Organen, dann scheiden die auch erstmal keine Eier mehr in den Kot aus. Deswegen kann auch der Kot bei schweren Fällen und fortgeschrittener Verwurmung sauber und in der Beprobung ohne Befund sein!
Ich musste erstmal sehr tief atmen. Sehr tief. Und dann sagte ich „Sie werden entschuldigen. Aber mal ganz persönlich gefragt. Dann ist diese ganze Kotbeprobung doch völlig unnütz. Dann ist das doch alles nur Geldmacherei.“
Sie versuchte mich dann noch ein bisschen einzufangen, mit „naja, manchmal ist es halt schon gut zu wissen, welche Würmer es sind…“….
…wenn man sie denn findet.
…wenn sie noch nicht in Darmwänden verschwunden sind.
…wenn man durch Zufall die richtige Stelle erwischt, an der Würmer sitzen, usw.
Ich wurde dann doch ein bisschen eindrücklicher und sagte…“Aber Frau XY….- das muss den Menschen doch irgendwer erzählen! Erzählen sie das ihren Kunden? Informieren sie über sowas? Wissen sie dass inzwischen die habe Welt nur noch beprobt und neue Labore wie Pilze aus dem Boden schießen? Das muss doch jemand den Menschen klar machen.“
Sie sagte dann: „Ja, das sollte jemand machen. Aber ich bin Tierärztin. Ich kann mich da nicht aus dem Fenster lehnen. Und dann sagte ich: „Frau XX…- ich werde das machen. Und ich hoffe sehr dass sie so viel Liebe zu Pferden in sich tragen, dass sie das zukünftig auch kommunizieren.“
Aber jetzt mal ehrlich…für mich ist das ein Skandal. Und es gab deswegen schon Skandale an einem bestimmten, medial sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Labor (bei dem ich deswegen nicht mehr geprobt habe). Und auch öffentliche Kritik, die dann von einigen Bekannten Influencern weggeredet wurde.
Was mir aber nicht klar war, ist…- die Labore können einfach nichts dafür. Gar nichts. Die können nur das beurteilen was da ist. Und wenn da nichts ist, in dem handvoll des Kots, den ihr eingeschickt habt. Dann ist da nichts. Auch wenn eurem Pferd innerlich schon die Organe weggefressen werden.
Leute - das ist mir so ein dringender Apell! BITTE…bitte bitte bitte…- entwurmt eure Pferde regelmäßig chemisch. Eine angegriffene Darmflora, regeneriert sich schnell. Eine angefressene weniger. Ich will auch keine Chemie im Pferd. Wirklich nicht. Aber sowas, erlebe ich nur ein mal.
Und falls ihr euer Pferd schon länger nicht entwurmt habt, bitte fangt mit einer kleinen Wurmkur an. Beispielsweise eine mit Pyrantel oder eine mit Moxidectin (Equest). Denn wenn ihr nun ein Jahr nur beprobt habt, dann kann es gut sein, dass die Belastung durch die grosse Wurmkur (Equimax mit Icermectin & Praziquantel) zu viel ist für den Organismus.
In meinem Freundeskreis fängt nun jeder mit Pferden panisch an, wieder zur chemischen Entwurmung zurückzukehren. Ich habe in der letzten Woche alle meine Tiere (denn auch der Hund wurde „nur“ beprobt) chemisch entwurmt. Und das wird jetzt auch deren Leben lang so bleiben.
Ich mag mich jetzt weit aus dem Fenster lehnen. Aber für mich tragen die Tierärzte & Kliniken hier einen fetten Batzen Verantwortung an dem Thema. Denn auch die verdienen nicht schlecht am Beproben von Kot. Nur dass sie einem dann ungern erzählen, dass das eigentlich, ein in sich komplett dysfunktionales System ist.
Siehe mein hochgradig verwurmtes Pferd, dass laut Kotprobe komplett wurmfrei ist.
Ich hoffe sehr, dass ihr diese Nachricht verbreitet. Wer sich nicht vom Beproben lösen kann. Macht bitte wenigstens die Dezember Wurmkur chemisch. Bitte behaltet das Thema im Hinterkopf.
Meinem Pferd hat man nichts angesehen. Er war nicht aufgebläht, nicht abgemagert und steht komplett im Lack. Trotzdem hätte er fast mit offenem Bauch auf dem Tisch gelegen. Ich hoffe wirklich mit diesem Beitrag so einige schlimme Vorkommnisse bei euch zu verhindern und verbleibe zu dem Thema sehr nachdenklich. Wir haben gerade noch die Kurve gekratzt. Bitte handelt, bevor es zu spät ist!
Bleibt gesund ♥️
Eure EquineEwen
(Fotoquelle: Badische Bauern Zeitung)