05/10/2022
Ein Video und viele Meinungen
Durch mich (Gerd Schuster) wurde am 16.08.2022 ein Video (https://www.facebook.com/157451844324843/videos/1140229163228891) gepostet, bei dem eine weiße Hündin zu sehen ist, die ihren Welpen korrigiert hat.
Der Welpe schreit, läuft dann etwas planlos umher, um sich in Folge zu verstecken. Etwas später (nicht zu sehen) ist alles wieder beim Alten.
Das dieses Video über 800.000 Leute erreicht, über 1.000 Kommentare erhält und über 300-mal geteilt wird, hätte ich in diesem Moment nicht gedacht.
Nun bin ich wieder in Deutschland und konnte mir einige Kommentare durchlesen. Meine Gedanken reichten von „nicht im Ernst?“, bis hin zu „uff“ und „oh weh“…
Nicht die Tatsache das offensichtlich klare Fakten und Argumente niedergeredet wurden, oder dass man eine völlig verschobene Wahrnehmung erkennen kann. Sondern, was mir im Nachhinein aufgefallen ist, lässt mich tatsächlich noch nachdenklicher werden.
Menschen verlangen von Hunden eine einseitig (positiv-) soziale Akzeptanz und sind im Nachgang verstört, wenn Hunde das gesamte Repertoire des Sozialverhaltens auspacken. Das Gesamte und nicht nur eine Seite! Dazu gehört nun mal auch Grenzsetzung, Verhalten das Distanz schafft oder darüber hinaus auch Rivalitäten, ob wir damit umgehen können oder nicht. Das Gesamtbild aller sozialen Verhaltensweisen = Sozialverhalten.
Ich habe mir mal die Mühe gemacht und einen Auszug aus Wikipedia zum Sozialverhalten kopiert:
…Das Sozialverhalten umfasst alle Verhaltensweisen von Menschen und Tieren, die auf Reaktionen oder Aktionen von Individuen der eigenen Art abzielen. Sozialverhalten umfasst somit sowohl Formen des harmonischen Zusammenlebens als auch agonistisches (rivalisierendes) Verhalten…
Beim Muttertier (Ja, Muttertier!) ist ganz klar eine Hemmung in der Aktion zu erkennen. Der Welpe ist weder verletzt noch für sein Leben geschädigt. Die Mutter agiert völlig angepasst und im nötigen Zeitfenster, damit die Botschaft bei dem Kleinen nachhaltig ankommt. Weitergedacht wird dem "Dreikäsehoch" so eine Lektion noch das Leben retten können, nämlich ab dem Moment, wenn er auf eine fremde Gruppe Hunde oder Einzeltiere trifft. Verhaltensbeobachtung ist komplex und kann nicht aufgrund einer kurzen Sequenz auf anhieb benannt und ausgewertet werden. Es fehlt ein Davor und ein Danach.
Grundsätzlich wäre eine gewisse Verrohung in unserer Gesellschaft zu vermuten, wenn solche Filme nicht mehr gezeigt werden können ohne Angst haben zu müssen, dass nun Menschen, die das gesehen haben, unangepasst ihre Welpen erziehen.
Ich sehe eine größere Gefahr in einer nichtssagenden, verpuffenden Erziehung für unsere Hunde. Das heißt, Menschen, die nicht mehr fähig sind Grenzen setzen zu können, und zwar angepasst, Tierschutzkonform und im nötigen Zeitfenster. -Ohne dass der Hund psychisch oder physisch Schaden leidet.
Ohne die nötige situative (An-) Spannung also das nötige „Standing“ sind wir nicht mehr in der Lage sozialkompatible, der Situation angepasste Hunde unter uns zu haben.
Ich denke nicht das unsere Hunde zunehmend aggressiver werden, ich denke das unsere Gesellschaft zunehmend weniger mit Hunden natürlich umgehen kann.
Gerd Schuster
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Randnotiz: Warum bei der Mutter das Gesäuge nicht mehr so gut zu erkennen ist, liegt am Alter des Welpen und an der Anzahl (ein Welpe!) der Welpen. Weiter gibt es noch Bindegewebe, welches von Lebewesen zu Lebewesen unterschiedlich strapazierbar sein kann. Es liegt auch an der „Milchleistung“ einer Drüse, wie sie beansprucht wurde, inwieweit sich das Bindegewebe zurückbildet.