26/06/2023
JGHV – Otternhagener Str. 5, 31535 Neustadt
Stellungnahme zu § 6 Abs. 1 Tierschutzgesetz
Tierschutzbeauftragter
Mit großer Besorgnis hat der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) von Plänen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erfahren, die derzeitige Rechtslage im Tierschutzgesetz beim Kupieren von Jagdhunden zu ändern. Als Tierschutzbeauftragter des JGHV darf ich Ihnen kurz die Haltung unseres Verbands zu dieser Problematik zur Kenntnis geben.
Nach § 6 Absatz 1 ist das Kupieren des Schwanzes bei Hunden grundsätzlich verboten. Aufgrund der Verletzungsgefahren der Hunde am Schwanz im Jagdbetrieb hat der Gesetzgeber im bisherigen Tierschutzgesetz über eine Einzelfallregelung bei ausgewählten Jagdhunden das Kupieren von Teilen des Schwanzes ermöglicht. Wir appellieren dringend an die Beteiligten, diese Regelung beizubehalten.
Seit Jahrhunderten ist das Auftreten von Schwanzverletzungen bei Jagdhunden bekannt und dokumentiert. Insbesondere rauh- und kurzhaarige Jagdhunde erleiden häufig gravierende Schwanzverletzungen bei der Nutzung während bestimmter Jagdarten. Zu diesen Jagdarten gehören u. a. Stöberjagd auf Schwarzwild in verjüngungsreichen Waldbeständen, in mit Brombeere durchsetzten Kalamitätsflächen oder in trockenstehenden Schilfflächen. Hinzu kommt das Temperament der Jagdhunde mit der daraus resultierenden Wedelfrequenz sowie die Wucht mit der die Rute gegen Hindernisse schlägt.
Diese Verletzungen führen bei nicht kupierten Hunden aufgrund der anatomischen Gegebenheiten im Schwanzbereich häufig zu sehr schmerzhaften, schwer zu therapierenden und mit fortschreitenden Nekrosen einhergehenden Veränderungen, die mit erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind und meist eine schrittweise oder totale Amputation des Schwanzes notwendig machen). Dies betrifft bestimmte Jagdhunderassen, deren Anatomie und fehlende Behaarung das Auftreten von Schwanzverletzungen prädisponieren, wie u. a. Studien mit Vergleich kupierter und nicht kupierter Hunde feststellen konnten (DIESEL et al. 2010). Es geht dabei in keinem Fall um ästhetische Aspekte und Rassestandards!
In älteren Studien aus Schweden Anfang der 90er Jahre wurde nachgewiesen, dass beispiels- weise bei 191 Deutsch-Kurzhaar Hunden schon im jugendlichen Alter von 12 – 18 Monaten 72 Hunde (38 %) Verletzungen der Rute aufwiesen. Mit zunehmendem Alter nahm der Prozentsatz zu. Jeder 3. Hund hatte schwerwiegende Verletzungen.
In neueren veterinärmedizinischen Studien aus Schottland (LEDERER et al. 2014, CAMERON et al. 2014) wurde 2860 Jagdhunde einer Jagdsaison analysiert. 13,5 % zeigten mindestens eine Schwanzverletzung. Besonders betroffen waren die stöbernden Hunde, bei denen 56,6 % der Tiere mehr oder weniger schwere Schwanzverletzungen aufwiesen, und die bei der Niederwildjagd zum Apportieren eingesetzten Hunde mit 38,5 % verletzter Tiere in einer Sai- son. Vor diesem Hintergrund hat die schottische Regierung 2016 das Kupieren bei bestimmten Jagdhunderassen wieder erlaubt!
Aufgrund dieser Ergebnisse, die sich mit den über Jahrhunderte gewonnenen Erfahrungen der Jägerschaft decken, ist das Kürzen der Ruten von Hunden für den Jagdgebrauch unerlässlich und verhütet Verletzungen. Die Erfahrung von Tierärzten zeigt auch, dass die bei sehr jungen Welpen (wenige Tage alt) mit dem Kürzen der Rute verbundenen Schmerzen nur sehr gering sind. Bei Abwägung mit den Schmerzen, Leiden und Schäden, die bei einem hohen Prozentsatz von Jagdhunden bestimmter Rassen auftreten, ist es ein Gebot des Tierschutzes, die bisherige Einzelfallregelung im deutschen Tierschutzgesetz grundsätzlich beizubehalten.
Wir sind uns dabei bewusst, dass Verallgemeinerungen nicht zielführend sind und das Auftreten von Verletzungen bei Jagdhunden sowohl von der individuellen Anatomie (z. B. lange, dünne Ruten) als auch von der Einsatzumgebung (z. B. dornenreiches Unterholz) abhängig sind. Als Jagdgebrauchshundverband sind wir daher gerne bereit, gesetzliche Regelungen mitzutragen, die die Beschränkung auf bestimmte, für Schwanzverletzungen anfällige Jagd- hunderassen präzisiert und für den jeweiligen Einzelfall genaue Vorgaben macht. Folgende Kriterien könnten helfen, die bisherige Einzelfall Lösung weiter zu konkretisieren, um den derzeitigen Ansprüchen des Tierschutzes und der Unerlässlichkeit des Eingriffs zu genügen:
1. Welpen dürfen nur durch einen Tierarzt kupiert werden, der auch die Unbedenklichkeit bestätigt.
2. Welpen dürfen nur bis zum 4. Lebenstag kupiert werden.
3. Der Tierarzt kupiert maximal die Hälfte der Rute, um die mit der Funktion der Rute
verbundenen Leistungen, z. B. Kommunikationsmittel bei Caniden, zu erhalten.
4. Der Züchter muss dem Tierarzt eine Bescheinigung seines Zuchtverbandes vorlegen, aus der hervorgeht, dass es sich ausschließlich um Welpen aus jagdlicher Leistungs-
zucht handelt, und die kupierten Welpen ausnahmslos an Jäger abgegeben werden.
5. Zum Zeitpunkt des Kupierens müssen die Welpenkäufer bereits feststehen. Kupierte
Welpen dürfen nur an praktizierende Jäger abgegeben werden.
6. Es sind nur folgende Hunderassen für das Kupieren im Einzelfall zugelassen: Deutsch Drahthaar, Deutsch Kurzhaar, Deutsch Stichelhaar, Weimaraner (Kurzhaar), Pudelpointer, Griffon, Cesky Fousek, Epagneul Breton, Deutscher Jagdterrier, Glatthaar Foxterrier, Drahthaar Foxterrier, Parson Russell Terrier, Deutscher Wachtelhund, Spaniel.
Den Hundeführern geht es nicht um einen kosmetischen, sondern ausschließlich um einen prophylaktischen veterinärmedizinischen Eingriff, der sehr begrenzt bei Hunden eingesetzt werden soll, wenn die jagdliche Ausbildung und Nutzung durch den Käufer sichergestellt sind.
Der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) hält die grundsätzliche Beibehaltung der aktuellen Regelung für zwingend geboten. Wir sind uns bewusst, dass das Kupieren von Welpen im frühen Lebensalter ein nicht unproblematischer Eingriff ist, der aus Tierschutzgründen mit den bei der Jagd auftretenden Schwanzverletzungen und ihrer problematischen Therapie abzuwägen ist. Aufgrund der vorliegenden, Jahrzehnte langen Erfahrungen der hundeführenden Jägerschaft und der Züchter kommt der JGHV zum Schluss, dass die im früheren Lebensalter beim Kupieren bestimmter Jagdhunderassen auftretenden Schmerzen, Leiden oder Schäden gegenüber den Tierschutzproblemen bei von Schwanzverletzungen betroffenen Tieren geringer einzuordnen ist.
Die aktuelle Einzelfallausnahme des Tierschutzgesetzes trägt diesem Umstand Rechnung, so dass wir aus Tierschutzgründen dringend die Beibehaltung anraten. Wir sind gerne bereit, die Einzelfallregelung fachlich begründet zu präzisieren, damit im Gesetzgebungsverfahren der Tierschutzaspekt besser berücksichtig wird, ohne die Unerlässlichkeit des Kupierens von Jagdhunden in Frage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
(Prof. Dr. Franz-Josef Kaup, Tierschutzbeauftragter JGHV)
Literatur
Cameron, N., R. Lederer, D. Bennett, T. Parkin (2014): The prevalence of tail injuries in work-