13/08/2024
🙏
Klarstellung:
In unserer Anfängergruppe Pferdepassion kam die Frage auf, was denn eine Rollkur sei.
Ich habe Folgendes geantwortet: (Achtung, langer Text)
Was ist „Rollkur“?
Früher war das eine Behandlungsmethode für Patienten mit Magengeschwüren, seit einigen Jahrzehnten ist das eine Bezeichnung für eine Trainingsart für Pferde. Ein rabenschwarzes Kapitel der Reiterei.
Bei dieser (gruseligen) Trainingsart wird der Hals des Pferdes aktiv und gewollt durch den Reiter „eingerollt“, das heisst extrem gerundet mit rückwärts wirkender Hand. Die Ganaschen (Ohrspeicheldrüsen) werden hierbei gequetscht, das Nackenband und die Muskulatur überdehnt, häufig wird dann auch noch in dieser Haltung der Hals nach links und rechts gebogen, das Pferd „durchgestellt“ und „geflext“.
Die Reiter versprechen sich hierdurch verbesserte Kontrolle übers Pferd und „Gymnastizierung“, insbesondere letzteres ist Nonsense, da hierdurch sogar organische Strukturen verletzt werden können, die Hals- und Rückenmuskulatur verspannt, Arthrosen der Halswirbelsäule können entstehen oder sich verschlechtern und die Pferde bekommen Atemprobleme und sind messbar erheblichem Stress ausgesetzt. Gern werden hierfür auch noch Schlaufzügel eingesetzt.
Es wird versucht, so die Ausbildung abzukürzen oder reiterliche Defizite auszugleichen, Kontrolle zu haben, auf Kosten der Pferde.
Ihr könnt das gern mal ausprobieren, wie sich ein Pferd dabei fühlt, indem Ihr jetzt gemütlich auf dem Stuhl sitzend mal das Kinn auf die Brust nehmt und dann die Zeit stoppt, bis es unangenehm wird. Ihr dürft dabei auch den Hals nach rechts und links drehen und herumlaufen oder joggen. Ihr werdet merken, wie dann auch der Rücken beginnt zu schmerzen.
Weitere Gedanken aus den "135 Mythen der Reitlehre":
Das Thema „Rollkur“ und „LDR“ geistert immer wieder durch die Medien.
Sind alle Dressurreiter oder Sportreiter Pferdequäler?
Ich möchte an dieser Stelle klarstellen:
Ich bin absolut gegen solche Trainingsmethoden, denn sie entsprechen nicht einem fairen Reiten!
Dressurreiten/Sportreiten/Westernreiten geht auch anders!
Diese Trainingsmethoden sind Folge eines absoluten Kontrollzwanges durch den Reiter, Folge falsch verstandenen und sicher auch teilweise falschen Richtens, falscher Trainingsschwerpunkte, teilweise krankhaften Ehrgeizes und vor allem auch leider vieler falscher Vorbilder hoch dotierter Reiter.
Manchmal auch aus der Zeitnot heraus und dem Wunsch nach Abkürzung der Ausbildung folgend.
Den Pferden wird körperlicher und psychischer Schaden zugefügt!
Davon bin ich überzeugt, auch, wenn Reiter anderer Nationen und leider auch manche hiesigen Reiter immer noch das Gegenteil behaupten.
Auch ein bewusst herbeigeführtes Reiten im „Low, deep and round“ (eine andere Bezeichnung für „Rollkur“) von 10 Minuten sollte nicht toleriert werden (LDR).
Weder zu Hause, noch in Shows oder auf Abreiteplätzen.
Und das betrifft nicht nur die „bösen Sportreiter“. Man sah und sieht das durchaus auch in anderen Reiterkreisen.
Dies auf Turnieren durchzusetzen ist Sache der FEI und der FN, auch ich hoffe, dass sich das Umdenken auf Dauer durchsetzen wird. Sowohl bei den Aktiven, als auch bei den Funktionären, Trainern, Veranstaltern, Sponsoren, Pferdebesitzern und Richtern scheint sich etwas zu bewegen.
Auch in anderen Sparten wird „schlecht“, das heisst den Pferden schadend, geritten.
Ich kenne dieses Reiten auch noch aus den 70er Jahren bei Springreitern, kombiniert mit dem Einsatz von Schlaufzügeln.
Ich sehe nicht ein, warum hoch dotierte Sportreiter oder andere bekannte Reiter diese Methoden anwenden dürfen und „Lieschen Müller“ aber nicht, NIEMAND sollte das seinen Pferden antun!
NIEMAND sollte sein Pferd in solchen Zwangshaltungen reiten!
Es gibt dafür keine Begründung und keine Entschuldigung!
Ich möchte an alle Reiter appellieren, zu versuchen es besser zu machen!
Das bedeutet nicht, dass alle ihre Pferde auseinandergefallen herumlatschen lassen sollten, Hauptsache, die Nase ist vor der Senkrechten. Denn darum allein geht es nicht.
Es geht immer um das ganze Pferd. Wie kann es sich korrekt und wenig verschleissend bewegen?
Fühlt es sich bei und nach der Arbeit wohl?
Ich möchte kein Reiterlein mit dem Winkelmesser am Smartphone oder PC oder an der Bande sitzen sehen.
Es geht nicht nur um offensichtliche Winkelgradmessungen.
Es geht um Rückentätigkeit, Maultätigkeit, Aktivität der Hinterhand, Takt und Losgelassenheit, Geraderichtung und Balance, es geht um den Erhalt des Vorwärts, darum, die Hinterhand und den Rücken nicht mit der Hand zu blockieren.
Jedem Reiter kann ein Pferd mal zu eng oder zu tief kommen, jedem, es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht!
Ob man dies bewusst herbeiführt oder sofort bestrebt ist, dies zu korrigieren!
(Und nicht erst in 3 Jahren, wenn „die Kraft da ist“!)
Es geht hier nicht um das (Korrektur-)Pferd, das unerwünscht hinter den Zügel gerät!
Ich möchte keine einzelnen Reiter oder Ritte diskutieren, sondern ich beschäftige mich lieber damit, wie man es besser machen kann.
Ich wehre mich auch gegen Verallgemeinerungen, nach dem Motto : immer ist nur die FN Schuld, oder nur Reiter(in) XY oder alle Richter, oder, oder……
DAS ist immer einfach, die Schuld bei anderen zu suchen.
Jeder fange bitte zunächst einmal bei sich selbst an!
Muss ich jetzt schon wieder am Zügel rumzuppeln?
„Abspielen“, „Runterspielen“, „rechts/links Durchstellen“, all das ist „Rollkur light“, nämlich ein Reiten der Pferde von vorn nach hinten und nicht umgekehrt, wie es sein sollte.
Ist es gut, dass mein Pferd jeden Tag nach dem Reiten klatschnass geschwitzt ist?
Wie geht es meinem Pferd mit meiner „Reiterei“?
Wie unterrichtet mein Reitlehrer?
Welche Schwerpunkte legt er?
Muss ich mit meinem Pferd in so jungem Alter und so oft an Turnieren teilnehmen?
Bei extremer Hitze oder strömendem Regen und aufgeweichten Plätzen?
Nicht zu reiten ist auch keine Lösung, zumindest nicht für Reiter.
In diesem Sinne, habt das Wohl der Pferde immer im Auge!
Dagmar Ciolek