23/08/2023
Eine interessante Zusammenstellung zu der Auswahl eines Mineralfutters.
Organische Mineralstoffe, auch als “Chelate” bezeichnet, sind Mineralien, die an organische Moleküle (meist Aminosäuren) gebunden sind. Anorganische Mineralstoffe sind Mineralien, die an anorganische Ionen (Oxide, Sulfate) gebunden sind.
Sowohl anorganische als auch organische Mineralstoffe, die beide im Futtermittelbereich unter den “Zusatzstoffen” deklariert werden, sind synthetisch hergestellt. Der Begriff „organisch“ zeigt also nicht an, ob etwas aus einer natürlichen Quelle stammt und der Begriff „anorganisch“ bedeutet nicht, dass etwas synthetisch hergestellt wurde. Füttert man ein Präparat, das organisch gebundene Mineralstoffe enthält, so sind diese - trotz der vielleicht verwirrenden Bezeichnung “organisch”, was so natürlich klingt - komplett synthetisch hergestellt worden und stammen nicht aus pflanzlichen Quellen.
In der Natur kommen sowohl anorganische als auch organische Mineralverbindungen vor. Auch in Pflanzen findet man grundsätzlich beide Formen, allerdings in unterschiedlichen Mengen. Der Anteil an organisch (an Aminosäuren) gebundenen Mineralstoffen ist in Pflanzen aber sehr gering und kann daher für die Mineralversorgung des Pferdes komplett vernachlässigt werden. Der überwiegende Teil der Mineralstoffe im pflanzlichen Futter liegt in anorganischer Form oder als so genannte “Ionen” vor, also freie, geladene Mineralteilchen.
Wildpferde nehmen Mineralstoffe aber nicht nur aus Pflanzen auf, sondern auch direkt in mineralischer Form auf, und zwar an Leckstellen, die sie gezielt aufsuchen, um dort den Erdboden zu fressen. Bei der Analyse solcher Böden konnte nachgewiesen werden, dass sie meist hochgradig mit bestimmten Mineralien oder Spurenelementen angereichert sind, beispielsweise Kupfer, das in Pflanzen oft im Mangel ist.
Der Darm des Pferdes ist durch die Evolution darauf angepasst, vor allem mit anorganisch verfügbaren Mineralstoffen umzugehen, weil diese den mit Abstand größten Teil an Mineralstoffen in der natürlichen Nahrung ausmachen. Anorganische Mineralien können von spezialisierten Rezeptoren in der Darmwand erkannt und - je nach Bedarf - gezielt resorbiert oder im Nahrungsbrei gelassen werden, wo sie dann zusammen mit dem Kot ausgeschieden werden.
Anorganische Mineralstoffe werden also schon im Darm “vorsortiert”, sodass der Körper eine Überversorgung vermeidet, welche nur unnötig die Nieren belasten würde.
Organische Mineralstoffe hingegen werden gar nicht über die Mineralstoffrezeptoren in der Darmwand erkannt und aufgenommen, sondern über die Aminosäurerezeptoren. Der Körper denkt also, er würde einen Eiweißbaustein aufnehmen und das angehängte Mineral kommt als “blinder Passagier” mit in den Körper - ob es gebraucht wird oder nicht. Diese Mineralchelate sind also so etwas wie Trojanische Pferde, mit denen man Mineralien in den Körper reintrickst, die er vielleicht gar nicht benötigt.
Der Trend, organische Mineralstoffe nicht nur in Ergänzungsfuttermitteln zu verwenden, die bei nachgewiesenen Mangelerscheinungen gefüttert werden, sondern ausgerechnet in Mineralfutter, welche der Grundversorgung dienen, bringt mehrere Nachteile mit sich.
In einer Mineralmischung kommt es immer zu einer gewissen Konkurrenz zwischen den verschiedenen Mineralien, da sie sozusagen “durch dieselbe Tür ins Haus” wollen. Damit sinkt die Bioverfügbarkeit, also die Menge, die tatsächlich über die Darmwand resorbiert wird, für alle Mineralien. Entsprechend sind die Daten zur Bioverfügbarkeit, die aus Studien mit einzelnen organisch gebundenen Mineralstoffen stammen, überhaupt nicht vergleichbar mit dem, was bei der Fütterung einer Mischung solcher Mineralien im Stoffwechsel des Pferdes passiert. Bei anorganischen Mineralien gibt es jahrzehntelange Forschung und Erfahrung, wie sich verschiedene Mischungsverhältnisse zueinander verhalten, bei organischen Mineralfuttern nicht.
Nun kann man argumentieren, dass die organischen Mineralstoffe, die zu viel aufgenommen wurden (weil der Darm sie nicht erkennen und sortieren konnte), einfach über die Leber abgebaut und die Nieren wieder ausgeschieden werden können. Das gilt für einige Mineralstoffe, z.B. Zink oder Kupfer. Enthält das Mineralfutter aber organisch gebundenes Eisen, so kann dies nicht mehr ausgeschieden werden. Es wird in der Leber eingelagert und kann - langfristig gefüttert - zu Leberversagen führen.
Auch organisch gebundenes Selen wird nicht ohne weiteres abgebaut und ausgeschieden. Denn der Körper kann es zunächst gar nicht als Selen erkennen, sondern baut die Träger-Aminosäuren (Cystein und Methionin) als Bausteine in seine Eiweiße ein. Deshalb steigt auch der Blutwert nicht umgehend an, denn das organische Selen verschwindet in den Eiweißen der Zellen. Leider sind solche Eiweiße “defekt”, da es ihnen wegen dieser falschen Aminosäuren an Stabilität mangelt. Der Körper baut sie also wieder ab, wieder auf, wieder ab, wieder auf… Bis er irgendwann (meist ein bis zwei Jahre später) die Aminosäure komplett abbaut. Erst dann steigt der Selenspiegel im Blut. Da sich bis dahin das organische Selen erheblich angereichert hat, kann es zu extrem hohen Werten und subklinischen Vergiftungserscheinungen kommen.
Organisch gebundene Mineralstoffe sind außerdem sehr teuer. Hersteller setzen daher die Dosierung organisch gebundener Mineralstoffe in den Mischungen - im Vergleich zu anorganischen Mineralfuttern - meist deutlich herab, um preislich attraktiv zu bleiben. Dann kommt auch weniger im Pferd an. Alternativ steigt der Preis für das Mineralfutter entsprechend an, was den Geldbeutel des Pferdebesitzers belastet.
Da Chelate fast immer wirklich scheußlich schmecken, müssen leckere Geschmacksstoffe wie Apfeltrester, Sirup, Zucker, Grünmehle und ähnliches zugesetzt werden, damit Pferde diese organischen Mineralfutter" überhaupt fressen. Nun kann man zwar argumentieren, dass die Gesamtmenge an Mineralfutter pro Tag eher gering ist und es daher wenig ausmacht, wenn hier ordentlich Zucker zugesetzt wird, um es geschmacklich attraktiv zu machen. Aber bei der Anzahl an stark übergewichtigen Pferden und Kandidaten mit Insulinresistenz, Cushing, Hufrehe & Co möchte man doch den Zuckergehalt in der Ration so gering wie möglich halten. Zumal gerade bei Mineralfuttern mit den anorganischen Mischungen ja Alternativen zur Verfügung stehen, sodass man nicht unbedingt die Zuckervariante füttern muss.
Auch die organischen Mineralstoffe werden also durchweg synthetisch hergestellt, ebenso fast alle anorganischen Varianten, wie beispielsweise Sulfate oder Oxide. Einziges komplett natürliches, also “nicht synthetisches Mineralfutter" sind Seealgen (Ascophyllum nodosum, getrocknet und gemahlen). Aufgrund ihres natürlicherweise hohen Jodgehalts können Seealgen allerdings nicht uneingeschränkt und vor allem nicht als alleinige Mineralversorgung empfohlen werden, weil es dann zu Schilddrüsenproblemen kommen kann.
Organische Mineralstoffe schmecken, wie erwähnt, so gruselig, dass Pferde sie meist ablehnen, sofern sie nicht in “Leckerschmecker” versteckt werden, also meist unnötig Zucker in den Stoffwechsel bringen.
Organische Mineralstoffe sind - als Einzelpräparat gefüttert - besser bioverfügbar als die anorganischen Versionen. Bei einem nachgewiesenen Zink- oder Kupfermangel können sie daher ein sinnvolles Ergänzungsfuttermittel sein. Es ist aber problematisch, sie in Mineralfuttermischungen zu verwenden, da diese der Grundversorgung dienen. Ein Mineralfutter soll eigentlich, ähnlich wie ein Frühstücksbuffet, die ganze Auswahl an Mineralstoffen bieten und der Körper soll sich nur das heraussuchen können, was er wirklich benötigt. Was bereits ausreichend vorhanden ist, sollte im Darm bleiben und mit dem Kot ausgeschieden werden - die Wiesen und Äcker freuen sich dann über die zusätzlichen Mineralien, die den Pflanzen als Dünger dienen.
Aus diesen Gründen haben wir uns bei der Konzipierung unserer Mineralfutter bewusst für anorganische Mineralstoffe entschieden. Anorganische Mineralstoffe können von Pferden ausreichend verstoffwechselt werden, um Mangelerscheinungen vorzubeugen. Im Gegenteil wurde nachgewiesen, dass die hohe Bioverfügbarkeit von Chelaten (z.B. Eisen oder Selen) eher schaden kann, da der Körper diese bei Überversorgung nicht adäquat und zeitnah ausscheiden kann.
Aufgrund der guten geschmacklichen Akzeptanz anorganischer Mineralstoffe können wir bei unseren Mineralfuttern ohne Aromastoffe arbeiten. Die meisten Pferde nehmen das Mineralfutter auf diese Weise nur bei Bedarf auf, da sie schmecken, was sie fressen.
Wir empfehlen immer, Mineralfutter nach Bedarf anzubieten: anfangs in der vorgegebenen Dosierung, bis die Pferde das Mineral verweigern. Danach, wenn die Mineralspeicher voll sind und weiteres Mineral nur nach Bedarf aufgenommen wird, kann es auch ständig zur freien Verfügung (beispielsweise als Leckschalen) angeboten werden. Diese Gabe in "Mineralkuren" entspricht der Mineralaufnahme bei Wildpferden, kommt also dem natürlichen Stoffwechsel entgegen.
Vor allem bei Pferden mit sensiblem Magen und bei mäkeligen Fressern kann es notwendig sein, das Mineralfutter “einzuschleichen”, es also erstmal in geringer Dosierung z.B. in eingeweichte Heucobs einzumischen, um das Pferd an den Geschmack zu gewöhnen. Bei Schwierigkeiten oder Fragen dazu können Sie gerne auf unsere Beratung zurückkommen.
Sollte ein Pferd unsere Mineralfutter über lange Zeiträume ständig einfordern, liegen eventuell Stoffwechselstörungen zugrunde. Diese sollten therapiert werden, bevor unser oder überhaupt ein Mineralfutter zur freien Verfügung angeboten wird. In solchen Fällen empfehlen wir, die Kollegen vom Therapeutennetzwerk www.sanoanimal.de zu kontaktieren, um sich kompetent dazu beraten zu lassen.