01/08/2022
WAS HUNDEBEGEGNUNGEN EINFACHER MACHT
Dass die Ursachen bei Problemen mit Hundebegegnungen nicht beim Hund zu suchen sind, versuche ich jedem klar zu machen. Denn wir alle wissen, dass für vieles die Mensch- Hund-Beziehung entscheidend ist – auch und gerade bei Hundebegegnungen.
So ist es für mich selbstverständlich, dass ich nicht den Menschen allein oder den Hund alleine betrachte. Wenn ein Mensch- Hund-Team Probleme bei Begegnungen mit anderen Hunden hat, ist das also ganz selbstverständlich, dass wir mit beiden, also auch dem Hund, daran arbeiten. Um beiden zu helfen und einen gemeinsamen Erfolg zu erzielen, gehört für mich dazu, dass der Mensch grundlegend versteht, warum es mit diesem Hund Probleme bei Hundebegegnungen gibt.
Entsprechend suche ich mit den Menschen die Anfänge, als es die erste unfreundliche Hundebegegnung gab. Vielleicht können Sie sich noch erinnern, wie das war. In den meisten Fällen hat der Hund in der Situation gemerkt, dass die Halterin oder der Halter die Situation nicht unter Kontrolle hatte. Zu Beginn einer Mensch-Hund-Beziehung ist das völlig normal, alle beide müssen erst in die Beziehung hineinwachsen und sich gegen- seitig kennen und verstehen lernen. Wahrscheinlich hat der Hund sich in diesem Moment unsicher gefühlt und einfach nicht erkannt, dass sein Mensch die Verantwortung trägt.
Genau zu diesem Zeitpunkt wäre es wichtig gewesen, dem Hund ein entsprechendes Signal zu geben, ihm zu zeigen, dass er sich auf uns verlassen kann. Doch oftmals erkennen wir das nicht sofort, und kommen so nicht dazu, dem Hund zu zeigen, bei wem die Verantwortung liegt. Und das setzt sich fort – jede Hundebegegnung wird so zu einer Unsicherheitsfalle – für den Hund und für den Menschen. Gehen wir nicht an die Ursachen, finden sich die Halter oft nach vielen weiteren konfliktbehafteten Hundebe- gegnungen damit ab.
Gedanken wie:
„Mein Hund ist eben ein kleiner Raufbold“, „er mag keine unkastrierten Rüden“ oder „mein Hund läuft halt nicht gerne an der Leine“ schleichen sich in unser Unter- bewusstsein und blockieren uns.
Manchmal scheint es eine Lösung zu sein, den Hund ins Auto zu packen und kilometer- weit zu fahren, um irgendwo in einem einsamen Wald stressfrei spazieren zu gehen. Ich versichere Ihnen, das ist nur ein Ausweichen, nicht eine Veränderung der Situation an sich.
Und das liegt nicht am Hund. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht daran glaube, dass es von sich aus sogenannte Problemhunde gibt. Es gibt nur Hunde, die nicht als Hunde erkannt, respektiert und behandelt werden. Gründe dafür gibt es viele. Vielleicht beginnt es damit, dass wir uns einfach nicht genug informiert haben. Bei anderen großen Anschaffungen holen wir uns auf verschiedensten Wegen Wissen vorab. Sei es, dass wir im Internet recherchieren, sei es, dass wir herumfragen, wer uns dazu Informationen geben kann. Erst, wenn wir glauben, gut informiert zu sein, entscheiden wir uns zum Kauf.
Die Entscheidung, sich einen Hund anzuschaffen, ist hingegen oftmals intuitiv getrieben. Wir fragen nicht lange, wir suchen nicht nach Experten – und wir entscheiden uns oft auch spontan für einen Hund. Kein Wunder, denn tief in uns schlummern unsere Instinkte, die uns lenken. Sie vermitteln uns das Gefühl, eine tiefe Verbundenheit zu diesem Tier zu haben. Das stimmt auch grundsätzlich, unsere Instinkte trügen nicht. Über viele Jahrtausende haben wir Menschen eine Beziehung zum Hund aufgebaut und den Hund nach unseren Wünschen geformt. Das befreit uns nicht davon, uns verant- wortungsvoll zu informieren und zu recherchieren, was ein Hund eigentlich ist und was ein Hund von uns braucht. Nur wenn ein Mensch seinen Hund als das erkennt, was er ist und ihn respektiert, kann eine tragfähige Beziehung entstehen. Wenn wir den Hund als ein Tier sehen, das einen Menschen braucht, der es durch die Welt führt und die Verantwortung für es trägt, sind wir auf dem richtigen Weg. Damit setzen wir die besten Voraussetzungen, um respektvoll und artgerecht mit einem Hund umzugehen.
Wenn wir uns dazu entschlossen haben, einen Hund bei uns aufzunehmen, ist es egal, ob dieser Hund ein Welpe ist oder schon etwas älter und aus dem Tierschutz kommt. Denn egal wie alt ein Hund ist und woher er kommt, es ist unsere Aufgabe vom ersten Tag an, ihm zu zeigen, dass wir für ihn die Verantwortung tragen. Können wir das nicht, kann die Balance in der Beziehung kippen. Für den Hund kann es so wirken, als ob er die Verantwortung tragen müsste und sich um alles und jeden kümmern muss. Das bedeutet auch, dass er entscheidet, wen er gut oder schlecht findet und „seinen Menschen“ vor allem und jedem beschützen möchte. Lassen wir noch dazu dem Hund einiges – wie bei- spielsweise Ankläffen Fremder – durchgehen, stehen wir vor einem Problem.
Dieses Problem heißt nicht Hund. Irgendwann aber ist bei jedem die Geduld am Ende und die ständige Bellerei wird zu einem Problem, das die Beziehung belastet. Und es belastet auch den Hund. Das Gute ist, dass alles rasch aufhört, sobald die Balance in der Beziehung wiederhergestellt ist.
Wenn wir das alles herausgefunden haben, können wir verstehen, warum Hunde Probleme bei Begegnungen mit anderen Hunden haben. Und können noch einmal von vorne anfangen. Bei dem Punkt, an dem wir unserem Hund zeigen, dass wir die Verantwortung übernehmen. So geben Sie sich die gemeinsame Chance, alles zu ändern. Natürlich wird diese Änderung nicht von heute auf morgen möglich sein. Aber ich versichere Ihnen, wenn Sie geduldig sind und dabei am Ball bleiben, werden Sie am Ende belohnt! Sie können dann die gemeinsame Zeit genießen und Ihr Hund hat auch keinen Stress mehr.
Wichtig ist, dass Sie zu der Erkenntnis gelangen, dass es nicht schlimm ist, wenn Hunde nicht ständig machen dürfen, was sie wollen. Dass es wichtig ist, dass es feste Regeln gibt, denn diese bedeuten nichts Schlechtes für unsere Hunde. Im Gegenteil: Wenn man ihnen ständig alles nachsieht, fühlen sie sich nicht geliebt, sondern werden eher verunsichert. Denn so ein Leben ist gegenteilig von dem, was ihrer Natur entspricht. Hunde brauchen feste Strukturen und Konstanten, an denen sie sich orientieren können. Dann fühlen sie sich wohl und wissen damit umzugehen.
Verantwortung zu übernehmen heißt nicht, dass man sich herrisch aufführen und herumschreien muss, während alle anderen kuschen. Wer sich so verhält, würde das eben angesprochene schlechte Image nur bestätigen. Meiner Meinung nach sollte, wer Verantwortung trägt, lieber mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein souveräner Hundehalter oder eine Hundehalterin ernsthafte Probleme mit ihren Hunden haben. Wenn der Mensch sicher, ruhig und gelassen ist, kann es der Hund auto- matisch auch sein. Genauso wie ein kleines Kind. Gelassenheit bedeutet, auf seinem Standpunkt zu bestehen, ihn aber nicht ungeduldig einzufordern, sondern eine Atmosphäre zu schaffen, die den Bedürfnissen und den Möglichkeiten eines Hundes gerecht wird.
Hunde brauchen Strukturen und Regeln, an denen sie sich orientieren können. Und sie brauchen Menschen mit Intuition und viel Bauchgefühl, die diese ihnen art- und altersgerecht vermitteln. Unsere Intuition ist also doch nützlich – wir müssen sie nur richtig einsetzen. Dessen müssen wir uns bewusst sein und auch unserer führenden Rolle in der Mensch-Hund-Beziehung. Das Wichtigste ist dabei, selbst ein gewisses Maß an Souveränität an den Tag zu legen. Dazu gehört, sich nicht ablenken zu lassen und bei der Sache zu sein. Wenn der Hund die meiste Zeit über das Gefühl hat, dass wir uns um ganz andere Dinge kümmern als um ihn, verunsichert ihn das. Er muss dann ständig abchecken, was geht, und kann sich nicht auf die Dinge konzentrieren, die wirklich wichtig sind.
Ein Hund, der sich bei uns nicht sicher fühlt, kann nicht verstehen, was wir von ihm wollen. Er ist dann damit beschäftigt, selbst für ein Umfeld zu sorgen, in dem er sich einigermaßen entspannen kann. Damit aber erreicht er leider genau das Gegenteil: Er wird immer unentspannter. Er braucht sie als einen Menschen, bei dem er weiß, dass dieser Mensch für ihn die Verantwortung trägt und als Menschen, bei dem er spürt, dass er sicher ist. Ein Mensch, der versteht, wonach sich ein Hund sehnt.
Wenn wir also versuchen, unserem Hund artgerecht zu zeigen, dass wir für ihn sorgen und die Verantwortung tragen, erreichen wir so viel mehr als Stress und Hektik. Dazu ist es wichtig, dass wir seinen Alltag strukturieren und ihm dabei auch Grenzen setzen. Das bedeutet auch, dass wir den täglichen Spaziergang strukturieren. Durch diese Struktur kann unser Hund verstehen, dass er nicht mehr die Verantwortung tragen muss. Diese Struktur hilft auch dem Menschen, auf einfache Art und Weise die Verantwortung zu übernehmen. Dieser Weg ist ein Prozess und selbstverständlich dauert jede Änderung seine Zeit.
Wenn ein Hund vielleicht schon viele Jahre mit diesem Stress gelebt hat, kann es dauern, bis er versteht, dass wir die Verantwortung übernommen haben. Unser Hund bringt alles mit. Wir müssen nur seine natürlichen Instinkte, vor allem sein Bedürfnis nach Sicherheit erfüllen. Und damit die Bindung immer mehr zu stärken und dem Hund klarzumachen: Du gehörst zu mir. Und ich zu dir.
Ihr Hund fühlt sich wohl, weil er sich bei Ihnen sicher fühlt.
José Arce