18/02/2025
Pulvermanns Grab - In pluribus unum
Wisst ihr, wer Eduard F. Pulvermann war? Er war der legendäre Konstrukteur des Hamburger Derbykurses. Noch heute wird Hindernis Nr. 14 als Pulvermanns Grab bezeichnet. Kaum ein Parcoursspringen ist so schwer wie das legendäre Derby in Hamburg Klein Flottbek und es lässt Reiterherzen höher schlagen, wenn dieses anspruchsvolle Springen einmal jährlich stattfindet. Vielleicht ist es vermessen, es als das Grand National der Springreiter zu bezeichnen, aber es ist spektakulär, atemberaubend, ein absoluter Härtetest und dazu noch eine Tradition, die von Pulvermanns Parcoursbau an jährlich stattfand. Außer im Krieg und während Corona. Pulvermanns Parcours (nur in Höhe wurde justiert) existiert in seiner Kursführung immer noch genau so, wie es sein Erbauer erdacht hat. Sein sogenanntes Grab mag Sprung Nummer 14 sein - das wirkliche und echte Grab von Eduard Pulvermann gehört aber eigentlich an einen anderen Ort: In das KZ Neuengamme. Denn genau dort starb er.
Pulvermann selbst war ein sehr passionierter Jagdreiter, der sich für Deutschland bereits im Ersten Weltkrieg verdient gemacht hatte. Hindernisrennen, Springreiten, Hauptsache zu Pferde. Und seinen Traum von einem Parcours der Extraklasse, wie wir ihn heute noch kennen, hegte er schon lange - auch die Mobilmachung konnte ihn nicht davon abhalten, dieses Vorhaben zu verwirklichen. Er kehrte zumindest körperlich unversehrt zurück nach Hamburg und werkelte weiter an seinem Spring-Derby. Als Halbblut-Züchter trat er ebenfalls in Erscheinung und er zog seine Cracks wahrhaft königlich. Sein bürgerliches Wappen zierte der Spruch: “In Pluribus unum - In der Vielfalt liegt die Einheit". 1932 war Eduard Pulvermann Präsident des Handelshauses Markt & Co. in Hamburg und Vizepräsident des amerikanischen Pendants, denn dort lagen seine Wurzeln. Allerdings eben … nicht nur dort. Nach der Machtübernahme begann die Reichsstelle für Sippenforschung mal genauer nachzuhorchen, wer dieser Eduard Pulvermann eigentlich war.
Jüdische Großeltern waren schließlich der Fallstrick für ihn und auch sein Gestüt. “Mischling ersten Grades” hieß es damals. Oder "Halbjude". Man durchsuchte seinen Besitz und nahm ihn in Schutzhaft. Warum? Pulvermann hatte dem Schatzmeister der New Yorker Dependance seiner Firma geschrieben, dass es der Firma in Hamburg schlecht erging. Er selbst befand sich derweil in Oslo und schrieb, dass er wohl das Essen dort genieße, in Deutschland wäre es furchtbar. Dieser Brief fand seinen Weg zu den Gestapo-Beamten und man drehte ihm absurderweise einen Strick daraus: "Heimtücke". Der erste Gefängnisaufenthalt. Der nächste sollte folgen, obwohl noch ein Gestapobeamter offenbar seine Menschlichkeit noch nicht bei der Tür abgegeben hatte. Robert Bredow war sein Name und er verbürgte sich für Pulvermann und erklärte, dass keine der Unterstellungen irgendeiner Wahrheit entsprächen. Er ließ ihn durch den Arzt für haftunfähig erklären, wurde aber schließlich dabei erwischt und zwangspensioniert. Der Mann half nicht nur Pulvermann, sondern auch anderen Häftlingen. Vor dem KZ konnte er sie am Ende nicht schützen.
Pulvermanns Geschichte endet eben nicht auf seinem Parcours. Man könnte denken, dass er selbst sich dort den Hals gebrochen hat. Warum heißt das Ding sonst Pulvermanns Grab? Im KZ Neuengamme, dem tödlichsten Arbeitslager dieser finsteren Zeit, starb Eduard Pulvermann im Lazarett, als er die Arbeit nicht mehr verrichten konnte. Ein Stolperstein vor seinem Haus erinnert heute daran, was mit diesem Pferdemann geschah.
Foto by: svsokolov über Canva Pro