23/09/2025
Territorialverhalten
"Territoriale Aggression", also die Tendenz, einen aus Sicht des Hundes Eindringenden aggressiv durch Drohen oder Angreifen zu vertreiben, gehört zum normalen Verhalten von Hundeartigen.
Während der jahrtausendelangen gemeinsamen Geschichte von Hund und Mensch hat man dieses Verhalten von Hunden durchaus geschätzt und gefördert.
Die Territorialität ist bei unterschiedlichen Rassen sehr unterschiedlich ausgeprägt, je nachdem, für welchen ursprünglichen Verwendungszweck sie früher einmal gezüchtet und genutzt wurden. Spitze z.B. sind sehr aufmerksame Wachhunde, die sich stark an einen Ort und ihre Besitzer binden und alles Fremde schnell und lautstark melden. Auch die klassischen Wachhunde – Schnauzer, Hovawart, Schäferhunde, Pinscher etc. – und besonders stark die Herdenschutzhunde – Kangal, Kuvasz, Maremmano etc. – zeigen ausgeprägtes Territorialverhalten.
Bellen am Zaun, Gartentor oder der Haustür, wenn es klingelt, forsches Anspringen von Personen, Bedrängen, Weg abschneiden, ernsthaftes Drohverhalten, Anstupsen, Schnappen, gehemmtes Beißen, Zwicken in Füße und Waden, Verfolgen von Besuchern, wie auch deren Bewegungseinschränkung im Haus oder Grundstück, sind oft territoriale Verhaltensweisen, die aus Menschensicht jedoch auch sehr störend sein können und zu ernsthaften und kritischen Situationen führen.
Für den Hund ist territoriales Verhalten sein „Job“; in welchem Maße er diesen ausführen soll oder darf, muss von uns Menschen bestimmt und in tolerierbare Bahnen gelenkt werden. Wenn das nicht passiert, verselbständigt sich dieses Verhalten des Hundes und kann dann durchaus gefährlich werden. Wenn ein Hund den ganzen Tag über sein Territorium und dessen Grenzen beobachtet oder auch patrouilliert, um Passanten zu verbellen, dann hat er einen anstrengenden „Job", der auch durchaus Stress verursachen kann.
Problematisch ist auch, dass dieses Verhalten sich sehr häufig durch Erfolg selbst verstärkt: Passanten, der Postbote etc., die der Hund als Eindringlinge betrachtet und verbellt, gehen weg und verschaffen dem Hund so unbeabsichtigt sein Erfolgserlebnis, hat er sie doch aus seiner Sicht erfolgreich vertrieben. Der Hund lernt, dass sein aggressives Verhalten zum Erfolg, nämlich Weggehen geführt hat und wird dieses Verhalten künftig häufiger zeigen, wird es in seinem Verhaltensrepertoire festigen! Dies ist ein klassisches "Lernen am Erfolg".
Die meisten Hunde zeigen zumindest eine leichte Neigung, Eindringlinge misstrauisch zu beäugen, zu verbellen oder zu bedrohen. Ist diese Tendenz recht gering, dann ist der Hund vielleicht nur aufgeregt, wenn Besucher kommen. Mit wachsender territorialer Tendenz steigt die Erregung, es kommen dann auch aggressive Elemente hinzu. Bei starker Tendenz wird auch massiv gedroht bis hin zum tatsächlichen Angriff.
Das eigene Territorium wird von Caniden weltweit patrouilliert und markiert – mit Harn- und Kotabsatz, Scharren und auch Bellen. Der Hund liegt gern auf erhöhten Aussichtsplätzen und beobachtet seine imaginären Grenzen. Beim Wahrnehmen eines Eindringlings wird gewufft, fixiert, durchaus auch über längere Besuchsdauer. Es kann auch Bereiche geben, die stärker verteidigt werden, weil sich z.B. darin Futter befindet (Küche). Auch die Umgebung, in der der Hund regelmäßig und immer wieder spazieren geht oder die er sonst aufsucht, kann zum Territorium werden, das stärker verteidigt wird – wie schnell das geht, ist wieder rasse- und charakterabhängig.
Territorialität beginnt in der Regel erst nach der Pubertät, oft erst im 2. oder 3. Lebensjahr. Spätentwickelnde, das sind meist die sehr großen Rassen, beginnen oft erst nach 3 - 4 Jahren damit. Die Ansätze für territoriales Verhalten wie Bellen am Zaun und beim Kommen von Besuchern sind aber oft auch schon sehr früh beim Hund festzustellen, gern betätigen sich gerade junge Hunde in der Hund-Mensch-Gruppe als „Alarmwölfe“.
Auch ungewohnte Gegenstände im vermeintlichen Revier können Reaktionen hervorrufen, die territorial einzuordnen sind: Mülleimer, die plötzlich dastehen, Sonnenschirm, neue Möbel…
Unsichere, ängstliche Hunde neigen oft zu stärker ausgeprägten Reaktionen, da sie angespannter, aufgeregter und reaktionsbereiter sind. Auch Hunde mit schlechter Frustrationstoleranz agieren intensiver. Testosteron und Stresshormone fördern schnelle, eher unüberlegte aggressive Handlungen.
Um die Frage „ist das Aggressionsverhalten, das dieser Hund zeigt, territorial?" zu beantworten, kann man einen Blick auf das gesamte territoriale Verhalten des Hundes werfen, d.h. wie kontrollierend verhält sich der Hund gegenüber anderen Lebewesen in seinem unmittelbaren Umfeld.
Ernsthaftes Territorialverhalten ist nicht zu unterschätzen und die Sicherheit von Besuchern sollte immer an erster Stelle stehen!
(ggf. durch Absicherung mittels Maulkorb und entsprechendes Training)
Maßnahmen gegen unerwünschtes Territorialverhalten sind unter anderem eine Einschränkung des Aktionsradius des Hundes: Deckentraining, Aufenthalt im Garten nur gemeinsam mit dem Menschen (der Hund soll dort nicht alleingelassen seinen „Job“ ausfüllen müssen). Auf den Platz-Schicken beim Klingeln und Räume, die für den Hund gänzlich tabu sind (z.B. Küche) können ebenfalls hilfreich sein.
Auch der alltägliche Umgang mit dem Hund hat Einfluss auf seine Wachsamkeit. Wenn wir unserem Vierbeiner vermitteln, dass wir jede Situation souverän im Griff haben, auch für seinen Schutz sorgen und ihm diverse Regeln näherbringen, kann er sich besser entspannen und vertraut auf unsere richtige Entscheidung. Zu viele Freiheiten machen einen Hund nicht unbedingt glücklich, sondern bereiten ihm eher Stress, da er sich für alles verantwortlich fühlt, was nicht wenige Hunde ziemlich überfordert.
Unser Verhalten beim beginnenden Melden von Auffälligem ist ebenfalls wichtig: Das erste Wuffen des Hundes beim Wahrnehmen von externen „Störfaktoren“ dient in der Natur als Warnung an die Gruppe. Der Hund wünscht sich beim Verbellen ein Mitmachen seiner Familie (wie es im Rudel auch wäre). Reagiert man nun gar nicht auf das Signal des Hundes, sieht sich der Hund gezwungen, deutlicher, lauter, heftiger zu werden, denn der Mensch hat die Gefahr ja ganz offensichtlich nicht registriert. Reagiert man hingegen wütend auf sein Anschlagen, kann das leicht vom Hund als Wut auf den Eindringling aufgefasst werden, was sein Verhalten nur verstärken dürfte; er wird dann zwar vielleicht kurzfristig das Bellen stoppen, aber beim nächsten Mal nur umso heftiger loslegen.
Besser ist es, den Hund im Blick zu haben und, sobald er einen potenziellen Eindringling durch Bellen meldet, ihm ruhig und souverän mitzuteilen, dass man durchaus wahrgenommen hat, was sich da nähert, aber dieses als ungefährlich einstuft. Ein beiläufiges „Alles ok, das ist nur unser Postbote“ kann zur Entspannung beitragen. Da Hunde unsere Stimmungen sehr leicht erfassen können, erkennen sie durchaus, dass keine Gefahr in Verzug ist. Viele Hunde lernen so nach und nach, immer weniger auf kleine Außenreize zu reagieren und sich erst an ihrem Menschen zu orientieren, bevor sie impulsiv reagieren.
Im Kopf sollte mal allerdings behalten, dass ein genetisch dem Hund innewohnendes Programm nicht vollständig gelöscht werden kann!
Ein guter Grundgehorsam insbesondere mit zuverlässigem Rückruf ist ebenfalls hilfreich, um den Hund jederzeit aus kritischen Situationen abrufen zu können. Maulkorbtraining und Desensibilisierung von Auslösern (wie z.B. das Klingeln an der Haustür) kann zudem Sinn machen.
Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass eine Reduktion des Eiweißgehalts im Futter Aggression, besonders territorial bedingte, reduzieren kann. Insofern macht es Sinn, auch die Fütterung zu überdenken. Eiweißgehalte um 20 % (im Trockenfutter) sind absolut ausreichend, das Eiweiß sollte aber aus hochwertiger Quelle kommen!
© Angelika Prinz; Rundumhund-Ostalb
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