24/10/2024
PRINZIP DES FEHLERFREIEN LERNENS
Die Lernfähigkeit des Hundes hat sich durch die Domestikation im Vergleich zum Wolf deutlich gesteigert.
Das ist durchaus hilfreich, muss er doch als Sozialpartner des Menschen sehr viel mehr unterschiedliche Anforderungen erfüllen, denn als Laufraubtier in der freien Wildbahn.
Wissenschaftler – Psychologen und Kynologen – haben das Lernen in den vergangenen Jahrzehnten sehr genau untersucht und Interessantes herausgefunden.
Wenn wir unseren Hunden bewusst etwas beibringen, nutzen wir hierzu fast immer die sogenannte instrumentelle Konditionierung. D.h. der Hund erfährt auf sein Verhalten von uns eine Konsequenz, die dazu führt, dass er das Verhalten in Zukunft öfter (bei angenehmer Konsequenz) oder seltener (bei unangenehmer Konsequenz) zeigen wird. Dieses Verhalten wird dann mittels klassischer Konditionierung mit einem Signal (in der Regel ein Befehlswort) verknüpft, das idealerweise ganz kurz (0,5 – 1 sek.) vor dem Verhalten gegeben wird.
Zum gewünschten Verhalten kann der Hund zum einen über Versuch und Irrtum gelangen.
Dieses ist durchaus eine gute Sache, bringt es doch eine fifty-fifty Chance auf Erfolg. Beim freien Formen von Verhalten wird das auch ganz bewusst eingesetzt und stärkt vor allem die Kreativität des Hundes. Für sicheres Ausführen des Gelernten gibt es allerdings lerntheoretisch noch eine bessere Variante:
und zwar das fehlerfreie Lernen. Fehlerfreies Training ist vor allem gleich zu Beginn einer neuen Trainingsaufgabe ein wichtiger Faktor für schnelles Lernen und spätere Zuverlässigkeit.
H.S.Terrace, Wissenschaftler und Psychologe an der Columbia University, fand in einem Experiment mit Tauben heraus, dass Tiere, die über Versuch und Irrtum lernen, bei der gelernten Aufgabe wesentlich fehleranfälliger sind und bleiben als solche, die über fehlerfreies Lernen an eine Trainingsaufgabe herangeführt wurden (durchschnittlich über 3000 Fehler im Lernen über Versuch und Irrtum vs. durchschnittlich 25 Fehler im fehlerfreien Lernen bei gleich vielen Trainingseinheiten). Das ist ein eindrucksvoller Unterschied und wir sollten deshalb diese Lernmethode nutzen, wann und wo immer es geht.
Durch bewusste Vorbereitung und Gestaltung der Lernsituation verhindert hierbei der Hundehalter, dass der Hund Fehler macht. Hierzu ist Management gefragt, das bedeutet die bewusste Gestaltung von Übungsabläufen.
Das Wesentliche bei fehlerfreiem Lernen ist, dass es anfangs bzw. sehr lange im Übungsablauf tatsächlich nur eine einzige Möglichkeit gibt - nämlich die richtige und dass der erste Ansatz eines Fehlers sofort korrigiert wird, der Hund hier also eine negative Konsequenz erfährt, und zwar mit möglichst perfektem Timing und wichtig: IMMER.
Soll der Hund z.B. lernen, leinenführig zu gehen oder gar „bei Fuß“, dann sorgt man in der Übungssituation dafür, dass er gar nicht anders kann, z.B. in dem man ihn in genau der richtigen Position mit einem Leckerchen lockt, oder in einem langen schmalen Gang an der Wand entlang übt. Bei der Leinenführigkeit muss zudem jedes Strammwerden der Leine, jedes Verlieren der Orientierung am Menschen sofort eine negative Einwirkung des Menschen zur Folge haben. Denn lässt man den Hund mal ziehen und mal nicht, ist man lerntheoretisch in der sogenannten intermittierenden Verstärkung – oder auch intermittierenden Bestrafung – mal kommt der Hund ziehend vorwärts und damit zum Erfolg, mal nicht. Mal wird er „gestraft“ für Ziehen an der Leine, mal nicht.
Wie beim Spiel(automaten)süchtigen, der nicht Erfolge und Misserfolge realistisch aufrechnet und daraufhin sein Verhalten anpasst, sondern nur nach den wenigen erfolgreichen Spielsequenzen giert, wird auch der Hund das unerwünschte Verhalten immer wieder und sehr fest im Gehirn verankert zeigen.
Mit Strafe sieht es ähnlich aus: Man kann „stromzaunresistente“ Schafe produzieren, wenn der Zaun im Lernprozess beim Berühren nicht immer stromführend ist, sondern auch ab und an abgeschaltet und das Schaf, solange es noch nicht sicher abgespeichert hat, dass Zaun = Aua, doch immer wieder mal die Erfahrung macht, dass es den Zaun ungestraft durchbrechen und auf der anderen Seite zum saftigen Gras kommen kann. Das kann nicht das Ziel sein. So straft man lebenslang und uneffektiv. Dem Hund zuliebe sollten wir insofern unbedingt vermeiden, inkonsequent mit den Folgen auf unerwünschtes Verhalten zu sein, denn langfristig tun wir unserem Hund damit nicht unerhebliches Leid an, wenn er über intermittierende Bestrafung gelernt hat, doch immer wieder das unerwünschte Verhalten auszuprobieren und daraufhin von uns mal gestraft und mal nicht gestraft wird.
Aber zurück zu Beispielen für fehlerfreie Übungsaufbauten:
Soll der Hund z.B. das Liegenbleiben lernen, geht man in so kleinen Trainingsschritten und mit so geringer Ablenkung vor, dass der Hund gar nie auf die Idee kommt, ohne Auflösekommando aufzustehen. D.h. das Liegenbleiben wird engmaschig belohnt, und der Mensch bleibt präsent beim Hund, um Aufstehen sofort abzubrechen. Denn jedes unerwünschte Aufstehen bedeutet einen Fehler und wirft uns im Trainingserfolg zurück, besonders dann, wenn womöglich nicht mal eine eindeutige Konsequenz für den Fehler und sofortiges Wiederholen der Übung verlangt wird. Ist man nicht sicher, ob der Hund liegen bleiben wird, z.B. wenn er irgendwo kurz warten soll, gibt man gar kein Platzkommando, sondern lässt den Hund einfach angeleint in beliebiger Position warten.
Beim sicheren Rückruf z.B. mit der Hundepfeife, aber auch mit einem Rückrufkommando, ruft man den Hund nur, wenn man sehr sicher ist, dass er in dieser Situation auch kommen wird (oder das Kommen mittels Schleppleine oder sonstiger Einwirkungen einfordern kann). Anfangs also nur, wenn der Hund ohnehin schon auf dem Weg zu einem ist. Später unter geringer Ablenkung und nur, wenn der Hund nicht mit dem Kopf völlig woanders, z.B. im nächsten Mäuseloch, ist.
Rückruf aus „kritischen“ Situationen, beispielsweise aus dem Hundespiel, sollte unterbleiben, wenn nicht Leib und Leben davon abhängt, dass der Hund jetzt tatsächlich kommt. Die Belohnung für das Ignorieren des Kommandos wäre das tolle Weiterspielen mit dem Hundekumpel. Eine sehr ungünstige Lernerfahrung…. Lieber abholen / heranlocken / einfangen und weiterhin am Aufbau des sicheren Rückrufs in Übungssituationen arbeiten.
Nicht vergessen werden sollte bei allen Übungen natürlich die Belohnung – nur was sich lohnt, wird der Hund dauerhaft immer wieder tun.
Kleinschrittiges, konsequentes Arbeiten und sich tatsächlich auch die bei jedem Hund individuelle Zeit fürs Üben zu nehmen, gehört zwingend dazu und wird sich langfristig durch einen zuverlässigen Hund auszahlen.
Gerade auch bei Hunden mit Ängsten und Unsicherheiten hat sich gezeigt, dass fehlerfreies Lernen allerhand erwünschte Nebenwirkungen hat. So liegt auf der Hand, dass fehlerfreies Lernen das Selbstvertrauen des Tieres verbessert und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Probleme zu lösen stärkt.
Erfolg zu haben, ist ein gutes Gefühl. Und gute Gefühle sind eine ideale Lerngrundlage.
Hier auch noch ein erklärendes Video mit dem Anschauungsbeispiel des Lernens bei einer Ratte dazu: https://www.youtube.com/watch?v=GngbfMGHyaM&list=PLgAAIPHy3d4F63iHlN4qGzCyYz45UxFrL&index=31&t=229s
© Angelika Prinz, Rundumhund-Ostalb
Teilen erlaubt, Kopieren verboten