17/10/2024
Unerwünschte Lernerfahrungen beim Welpen
Dieses Posting soll euch etwas sensibilisieren für unerwünschte Lernerfahrungen beim Hund, die wir oft einfach geschehen lassen, weil wir’s gut meinen oder nicht drüber nachdenken, was der Hund dabei lernt:
Der Welpe zieht zum anderen Hund hin, wir geben dem Ziehen nach, der Hund hat also mit seinem Ziehen Erfolg, kommt zum Ziel, zieht also künftig häufiger zu anderen Hunden. Eigentlich wollen wir das ja aber nicht, das ist tatsächlich recht lästig beim täglichen Spaziergang: Wir wollen später an anderen Hunden möglichst neutral vorbeikommen und eben auch keinen Hund, der gelernt hat, dass Leinezerren sich lohnt, um ans Ziel zu kommen.
Der Hund bellt, fiept, macht Rabatz, weil es ihm langweilig ist, und wir schauen ihn an, sagen „Nein“ oder verlangen ein Kommando von ihm. Er hat nun also gelernt, dass genau diese Handlungen zu Aufmerksamkeit unsererseits führen (auch negative Aufmerksamkeit, sprich Schimpfen, ist für viele Hunde besser als gar keine Aufmerksamkeit) und wird diese Verhaltensweisen künftig häufiger zeigen, wenn ihm langweilig ist.
Der Welpe bellt und winselt, wenn wir ihn am Zaun angebunden oder in die Box gepackt haben. Wir gehen zu ihm, um ihn zu erlösen. Er wird also künftig häufiger bellen und winseln, wenn ihn eine Situation frustet. Auch das wollen wir sicher nicht.
Der Welpe setzt seine Zähne ein, beißt, wenn wir ihm ins Mäulchen schaun wollen oder die Pfoten abwischen wollen, wir ziehen die Finger weg, er hatte also Erfolg, wird künftig häufiger seine Zähne einsetzen, wenn er etwas nicht mag. Das wollen wir sicher auch ganz und gar nicht. So kann man sich regelrecht einen beißenden Hund heranziehen, der später keinerlei Körperpflege oder medizinische Maßnahmen an sich toleriert.
Der Welpe hat Angst vor einem neuen, gruseligen Untergrund, zappelt, um dort wegzukommen, wir geben nach, lassen ihn runterspringen oder nehmen ihn hoch. Er wird also künftig häufiger zappeln und einfach abhauen, wenn ihm etwas nicht geheuer ist. Besser wäre hier die Lernerfahrung, dass er es mit unserer ruhigen Zusprache und Unterstützung schaffen kann, die gruselige Situation zu bewältigen, seine Angst zu überwinden, dort einfach ruhig stehen zu bleiben. Das kann dann schon ausreichen als wesentlich positivere Lernerfahrung.
Wenn man merkt, dass eine Situation den Hund stark stresst, kann es durchaus sinnvoll sein, sie das nächste Mal etwas milder zu gestalten, um sich langsam an die Herausforderung heranzutasten. Dennoch sollte man möglichst auch beim jetzigen Mal verhindern, dass der Hund mit an sich unerwünschten Strategien Erfolg hat und diese sich festigen. Und besonders bei schlauen, schnell lernenden Hunden festigen sich diese leider sehr schnell.
Und bei den Grundkommandos ist es natürlich dasselbe. In der momentanen, sehr frühen Lernphase sollten wir sehr genau drauf achten, dass wir Kommandos nur dann geben, wenn die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass der Hund sie ausführt oder wenn wir sie eben einfordern können. Konsequenz ist hier das Zauberwort, denn sonst lernt unser Hund halt leider schnell, dass wir eben nicht konsequent sind und dass der Versuch, sich dem Kommando zu widersetzen, große Aussicht auf Erfolg hat. Er wird also künftig häufiger versuchen, dies zu tun, besonders wenn er gerade andere, für ihn interessantere Dinge im Kopf hat. Richtig schwierig wird es dann in der Pubertät, wenn Hunde ohnehin beginnen, Bisheriges zu hinterfragen und die Welt voller verlockender Dinge für den Junghund ist.
Sehr häufig erlebe ich das beim Thema Rückruf. Der noch brave, toll orientierte und deshalb freilaufende Welpe erweitert mit der Zeit seinen Radius, wird entdeckungsfreudiger, rennt mal auffliegenden Vö**ln nach oder ins frisch gedüngte Feld, um sich zu wälzen oder ein paar Schnauzen voll Mist zu fressen. Wenn wir nun unser Rückrufwort nutzen, das in ein paar Monaten möglichst zuverlässig funktionieren soll, haben wir dem Welpen, der in der Situation einen neuen, tollen Reiz vor der Nase hat und den Rückruf eben NOCH NICHT zuverlässig beherrscht, leider die Lernerfahrung ermöglicht, dass der Rückruf nicht verbindlich ist, wir auf Distanz keine Einwirkungsmöglichkeit haben und er sich für das Ignorieren des Rückrufs auch noch selbst belohnen kann, indem er jagen geht, Mist frisst, sich lecker parfümiert….
Was tun in solchen Situationen? Eben NICHT das Rückrufwort nutzen, sondern versuchen, den Welpen anderweitig vom Vorhaben abzubringen. Und wir sollten nach dieser Erfahrung einsehen, dass nun die Zeit der Schleppleine gekommen ist, in der der Rückruf verbindlich gemacht wird, d.h. der Hund lernt in den nächsten Monaten, indem wir den Rückruf an der Schleppleine durchsetzen, ihm das Nichtbeachten unmöglich machen, dass wir auch in der Distanz eine gute Kontrolle über ihn haben und es ratsam ist, auf Ruf auch dann zu kommen, wenn die Verlockungen groß sind. Und dieses Lernen dauert lange, bis über die Pubertät hinaus, bis zu 3000 gelungene Wiederholungen in unterschiedlichsten Situationen und mit unterschiedlichen Ablenkungen sind nötig, damit der Rückruf WIRKLICH sicher sitzt und regelrecht als Reflex ausgeführt wird.
Ein anderes Beispiel ist das Kommando Sitz oder Platz, das wir unseren Hunden oft viel zu früh im Lernprozess dann geben, wenn wir mal für Ruhe sorgen wollen. Also z.B. wenn wir uns mit jemand unterhalten möchten, wenn wir dem zappelnden Welpen das Geschirr anziehen möchten, etc.
Auch in diesen Situationen ist es aber so, dass wir meist nicht konsequent sind. Bei einer Unterhaltung werden wir nicht lückenlos kontrollieren, ob der Hund tatsächlich auch sitzen bleibt und er lernt so sehr schnell, dass er nur mal kurz den Po auf die Erde bringen muss, dann aber wieder tun und lassen kann, was er selbst möchte.
Ähnlich beim Geschirr-Anziehen: Bei einem Welpen, der das nicht liebt und rumzappelt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass er auf Kommando „Sitz“ sitzen bleibt. Da wir in dieser Situation auch wieder mehr damit beschäftigt sind, das Geschirr überzustreifen, werden wir auch hier nicht konsequent auf die Ausführung des Kommandos bestehen und schon wieder hat der Hund gelernt, dass er „Sitz“ auch selbst auflösen kann, sobald ihm das Sitzen zu blöd oder anstrengend in der Situation wird. Wirklich hilfreich ist das Kommando für uns in beiden Situationen so eben auch nicht und kann es langfristig bei genau solchen Lernerfahrungen auch nie werden.
Und die Leinenführigkeit ist ein weiteres für Mensch und Hund langwieriges und anstrengendes Thema mit oft unerwünschten Lernerfahrungen. Die hat der Hund nämlich immer dann, wenn er an gespannter Leine auch nur 10 cm vorwärtskommt. Ein konsequent durchgeführter Wechsel zwischen Freizeitmodus am Geschirr und Arbeitsmodus am Halsband hilft hier weiter, und bei großen Hunden eben auch am Geschirr KEIN Schlittenhundverhalten (also richtiges Reinhängen und Zerren) oder heftiges In-die-Leine-Springen zu tolerieren.
Ein sauberer, konsequenter, kleinschrittiger Übungsaufbau mit möglichst wenigen Chancen für den Hund, Fehler zu machen, verspricht langfristig die zuverlässigsten Ergebnisse beim Gehorsam! Das „Prinzip des fehlerfreien Lernens“ zeigt auch in Studien die besten und sichersten Lernerfahrungen!
© Angelika Prinz; Rundumhund-Ostalb
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