15/03/2024
Das optimale Hundegeschirr?! - Wir helfen euch gerne bei der richtigen Auswahl!
Zitiert von Tierarztpraxis Klahold, vielen Dank für diesen Beitrag:
"Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber diskutieren, ob nun Halsband oder Geschirr oder eine Kombi daraus das Beste ist.
Jede/r hat das Recht, selbst zu entscheiden, welches Halsband oder Geschirr sein/ihr Vierbeiner trägt. Etliche Jahre in der Praxis haben jedoch gezeigt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, worauf geachtet werden sollte. Das scheint auch das Personal im Zoofachhandel größtenteils zu betreffen, denn ansonsten kämen nicht so viele Patienten zu mir mit einem nach Beratung dort gekauften (schlecht sitzenden) Geschirr. Also möchte ich euch schlichtweg Informationen zur Verfügung stellen. Was ihr dann damit macht, bleibt euch überlassen.
Ich möchte mich heute um verschiedene Alltagsgeschirre und deren Vor- bzw. Nachteile in Bezug auf Einschränkungen des Körpers kümmern. Zuggeschirre (für Trailen, Canicross, Schlittenhunde o.ä.) sind ebenfalls nicht gemeint (da tritt die Problematik auch nicht so auf).
Nein, es geht um die Vielfalt an Geschirren für "Jederhund", die einen unterwegs am Hund, aber auch im Zoofachhandel an der Wand in einer unüberschaubaren Vielfalt anspringen. Mit Polsterung, ohne Polsterung, mit Leuchtfunktion, in allen Farben des Regenbogens und/oder gemustert, mit Meshgewebe, etc. pp.
Vorweg: ein gut (!) sitzendes Geschirr schränkt den Hund möglichst wenig oder gar nicht während seiner Bewegung ein. Weder wenn der Hund zieht, noch, wenn er nicht zieht.
Nochmal: der Hund darf in seiner Bewegung nicht eingeschränkt werden.
Wie aber bewegt sich ein Hund (nur auf die Vorderhand bezogen) vorwärts?
"Schwingbeinphase": aus der Schulter heraus schwingt die gesamte Vordergliedmaße nach vorn (das Schulterblatt rotiert, Oberarm, Unterarm und Pfote bewegen sich nach vorn).
Problem: kommt Zug auf Geschirre mit quer über die Brust verlaufendem Gurt, entsteht Druck auf dem Schultergelenk/Oberarm. Dadurch kommt es zu einer Beeinträchtigung des Vorschwingens der Vordergliedmaße. Außerdem rutschen die Brustgurte auch gern hoch und drücken dann noch auf den unteren Hals. Oder aber der Gurt, der hinter den Gliedmaßen rund um den Brustkorb verläuft, rutscht schön nach vorn in die Achsel.
Nächster Schritt in der Bewegung, "Stützbeinphase": der Hund nimmt das Gewicht auf das Vorderbein auf und zieht die belastete Gliedmaße nach hinten. Dadurch, dass die Pfote ja auf dem Boden steht, wird so der gesamte Rumpf nach vorn bewegt.
Problem: für einen wortwörtlich reibungslosen Ablauf benötigen der Ellbogen und der Bereich hinter dem Schultergelenk Platz. Und das ist der zweite Punkt, wo die allermeisten Geschirre versagen: sie sitzen nämlich so eng hinter dem Ellbogen, dass eine freie Rückführung desselben nicht möglich ist.
Hattet ihr mal einen zu eng geschnallten Rucksack auf? So, dass er schön unter den Armen eingeschnürt hat? Nicht so cool, oder? Und jetzt stellt euch vor, ihr würdet auch noch auf den Armen laufen müssen, mit so einem zu eng geschnallten Rucksack...
Welche Geschirre bleiben denn übrig, wenn man die o.g. Aspekte berücksichtigt?
Alle die, die links und rechts vom Hals einen Gurt haben, die einen Gurt um den Brustkorb herum haben UND eine Verbindung zwischen den Vorderbeinen zwischen Hals- und Brustgurt haben. Die liegt dann auf dem Brustbein auf - und das ist kein Problem, wenn darauf Druck kommt. Auf dem Rücken sollte das Geschirr natürlich auch eine Verbindung zwischen Hals- und Brustgurt haben.
Jetzt kommt die nächste Stolperfalle (wär' ja auch sonst zu einfach): nicht alle Geschirre, die die genannten Attribute aufweisen, passen automatisch. Es ist absolut wichtig, dass der Brustgurt zwischen den Vorderbeinen LANG genug ist. Und das ist oft nicht der Fall.
Ist er verstellbar, kann nachjustiert werden. Ist er zu kurz, sitzt automatisch der Brustgurt press in der Achsel. Auch nicht gut.
Am einfachsten ist eine gute Passform zu erreichen, indem alle Gurte (bis auf den oben am Rücken) verstellbar sind.
Euer Hund versucht, sich rückwärts aus einem gut (und damit halbwegs locker) sitzenden Geschirr zu winden? Da ist die Lösung nicht ein zu enges Geschirr, sondern ein sog. Panikgeschirr mit einem zusätzlichen Gurt, der direkt hinter dem Brustkorb um den Bauch geführt wird. Und/oder ein eng genug sitzendes Halsband.
Zum guten Schluss noch ein Wort zu "Erziehungshilfen", die das Ziehen des Hundes auf wundersame Weise "verschwinden" lassen. Wenn ihr diese Geschirrtypen mal mit dem oben Gelesenen abgleicht, werdet ihr feststellen, dass der eine Typus Nicht-Ziehen-Geschirre quer über die Brust verläuft (bei den Fotos hat der Beagle so eines an).
Ein anderer Typus Nicht-Ziehen-Geschirr hat eine Art Halsband. Von diesem Halsband aus verlaufen zwei dünne Schnüre als Schlaufen (mit oder ohne Polsterung) von vorn je unter einer Achsel durch, um sich dann dahinter oben wieder am Halsband durch einen Ring zu fädeln. Dann sind beide Schnüre miteinander verknotet (oder ähnliches) und an einer weiteren Öse befestigt. Dort, in dieser Öse, wird die Leine eingehakt. Und was passiert nun, wenn Hund zieht?
Richtig, die Schnüre ziehen sich zusammen. Da sie am Halsband fest sind, ziehen sie in der Achsel die dünne, empfindliche Haut gründlich nach oben in Richtung Schulter/Öse. Klingt unangenehm? Ist es auch. Da hilft auch die "Polsterung" nicht wirklich. Klar zieht der Hund deshalb nicht mehr. Aber versteht er, weshalb er grundsätzlich nicht ziehen sollte?
Aus meiner Sicht sind diese Nicht-Ziehen-Geschirre allesamt abzulehnen. Sie sitzen schlecht, verursachen u.U. Schmerzen oder mindestens Unwohlsein und helfen nicht (ohne weiteres Training) dem Hund zu vermitteln, was man eigentlich von ihm will.
Weil Fotos viel mehr aussagen als Worte habe ich bei shutterstock mal nach Beispielbildern gesucht und bin reichlich fündig geworden. Ich sage ein paar Worte auf jedem Foto. (Irgendwie hat es teils in der Bearbeitung anders ausgesehen als beim Speichern. Entschuldigt bitte die seltsamen Zeilenumbrüche.)
Auf einigen Bildern findet ihr zusätzliche Markierungen, die euch die Zuordnung der anatomischen Strukturen erleichtern sollen: die blauen Linien sind andeutungsweise die Lage des Schulterblattes, die grünen Striche geben den groben Verlauf des Oberarmes wieder. Der Punkt markiert das Schultergelenk."