19/09/2025
Der Hund muss arbeiten – nicht wir an der Leine
Von Emotion zu Suchkondition: Impulskontrolle im Mantrailing
Impulskontrolle im Mantrailing ist kein Beiwerk – sie ist der Prüfstein dafür, ob ein Hund einsatzfähig wird oder nicht. Im Alltag mag es reichen, wenn er nicht nach dem Futter schnappt oder den Besuch ignoriert. Auf dem Trail reicht das nicht. Dort muss er lernen, bei voller Erregung fokussiert zu bleiben, selbstständig zu arbeiten und unser Handling an der Leine auszublenden. Wir beeinflussen unsere Hunde ständig – bewusst und unbewusst. Wer das leugnet, macht sich etwas vor. Der Hund muss so motiviert und gefestigt sein, dass er sich über diese Manipulationen hinwegsetzt und die Spur verfolgt, ohne sich von uns lenken zu lassen.
Darum beginnen wir nicht im urbanen Umfeld. Wer gleich zwischen Beton, Windschneisen und Hitze trainiert, überfordert seinen Hund. Zu den zusätzlichen Umwelteinflüssen kommen Sonneneinwirkung, Bebauung, Geräusche, Geruchswirbel – und all das erschlägt gerade junge Teams. Das vergessen wir viel zu oft. Im Aufbau brauchen wir einfache, klare Bedingungen. Große, offene Wiesenflächen sind dafür besonders geeignet, weil der Hund dort nicht nur frei von unnötigen Ablenkungen arbeiten kann, sondern auch die Möglichkeit hat, seine angeborenen Fähigkeiten auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. Für uns bedeutet das: Wir können sein Verhalten lesen, verstehen, wie er mit Geruch umgeht – und gleichzeitig erlebt der Hund, dass seine natürliche Arbeitsweise zum Ziel führt. Erst wenn diese Basis sitzt, können schwierigere Umwelteinflüsse wie Bebauung, Wind oder Temperaturunterschiede dazukommen.
Die Intensities sind der erste Schlüssel. Vor dem Weglaufen des Runners wird der Hund zwischen den Knien fixiert, sodass er sich ohne jede Einwirkung durch den Hundeführer in dessen Richtung ausrichten kann. Aus dem Sichtausschluss heraus rennt der Runner dann auf die offene Wiesenfläche und legt einen kurzen Trail mit einer einzigen Schwierigkeit – einer simplen Richtungsänderung. Wichtig dabei: Die Motivation des Hundes ist hoch, und der Zeitraum bis zum Start bleibt bewusst kurz. Der Sichtausschluss verhindert, dass der Hund verfolgen kann, wohin der Runner tatsächlich läuft. Wird er anschließend gestartet, ist der Moment, in dem die Augeninformation in die Nasenarbeit übergeht, nur sehr kurz – und genau dieser Übergang ist ein zentraler Lernprozess. Anfangs ist er noch ablenkbar – und genau hier liegt die Aufgabe: die Übungen kurz halten, auf eine Schwierigkeit beschränken, den Hund nicht überfordern. Offene Flächen im Grünen sind die Orte, an denen der Hund versteht, was wir von ihm wollen. Hier zeigt er uns, wer er ist – und wir lernen, ihn zu lesen. Wer meint, sofort Komplexität schaffen zu müssen, zerstört Klarheit und überfrachtet den Hund.
Noch schärfer zeigt sich die Bedeutung der Impulskontrolle in den Delayed Start Intensities. Der Runner verschwindet aus dem Blickfeld – der Anreiz ist maximal. Alles im Hund schreit nach Losrennen. Doch er muss warten. Wir führen ihn kurz aus der Situation, lassen die Erregung abklingen, beobachten genau, wann er beginnt, sich abzuwenden und eigene Interessen zu entwickeln. Mit Wiederholungen verlängern sich diese Zeiträume. Erst dann kehrt er an den Start zurück, bekommt den Geruchsartikel präsentiert, durchläuft das Ritual – und startet ruhig und konzentriert. Hier lernt er, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Motivation ist wichtig – doch entscheidend ist, dass wir sie kanalisieren. Nicht indem wir ihm den Weg vorgeben oder ihn manipulieren, sondern indem wir ihn eigenständig auf seine Aufgabe fokussieren lassen. Das selbstbelohnende Verhalten, das erfolgreiche Arbeiten auf der Spur, ist später der eigentliche Antrieb, der Suchkondition entstehen lässt.
Doch Vorsicht: Der Rückweg darf niemals über die bereits gelegte Spur führen. Sonst verschiebt der Hund die Handlungskette, nimmt schon Geruch auf, bevor er überhaupt freigegeben wird, und startet eigenständig. Wird er dabei auf dem Weg zum Startpunkt blockiert, um diese Spuraufnahme zu verhindern, greifen wir direkt in seine Emotionen ein. Das führt in vielen Fällen dazu, dass der Hund die eigentliche Spur am Start nicht mehr aufnimmt, sondern sich frustriert nach anderen Spuren umsieht. Damit verlieren wir Klarheit und zerstören das Prinzip des klaren Startrituals. Deshalb muss der Rückweg bewusst so gewählt werden, dass der Hund neutral zum Startpunkt zurückgeführt wird – ohne Kontakt zur Spur und ohne Blockieren. Nur so bleibt das Ritual eindeutig, und die Konditionierung wird nicht unterlaufen.
Auch Negativs sind Prüfsteine für Impulskontrolle. Ohne sie würde der Hund aus Erwartung oder Bewegungsdrang irgendeine Spur aufnehmen. Mit ihr zeigt er uns, dass er den Geruch verloren hat – durch klare, natürliche Verhaltensweisen. Der Trail Circle ist keine Schwäche, sondern eine Information: Der Hund sucht nach dem, was verschwunden ist. Damit wir diese Signale lesen können, braucht es Klarheit im Training: nur eine Schwierigkeit auf einmal. Bei den Intensities ist es die einfache Richtungsänderung auf einer weiten Wiese. Dort, wo er den Geruch verliert, zeigt er den Kreis – und wir sehen, wie er versucht, sich neu zu orientieren. Wer das erkennt, versteht: Der Hund arbeitet. Und genau so lernen wir, ihn zu lesen.
Damit das gelingt, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Wir müssen auf Überforderung verzichten, die Lernbereitschaft des Hundes respektieren und seine Schwachpunkte gezielt angehen. Alles greift ineinander: Impulskontrolle, Motivation, Frustrationstoleranz, sichere Negativarbeit, einfache Handlungsketten und eine klare, konsequent durchgeführte Trainings-Timeline. Daraus wächst, was wir brauchen: Suchkondition. Ein Hund, der gelernt hat, seine Energie, seine Spannung und seine Motivation in konzentrierte Spurarbeit zu verwandeln.
Am Ende geht es immer um dasselbe: mit dem Hund zu lernen. Ihn nicht zu bremsen, nicht zu gängeln, sondern ihn verstehen zu lernen und ihn darin zu unterstützen, was er von Natur aus kann. Dazu gehört auch eine saubere Leinenführung – nicht als Kontrolle, sondern als Verbindung. Nur wenn wir ihm den Raum geben, wirklich zu arbeiten, entsteht das, was im Einsatz zählt: ein Team, das funktioniert. Und das, ohne dass wir wissen, wie der Trailverlauf ist.
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