31/10/2024
Das ist Roscoe. Er ist 14 Jahre alt. Roscoe duckt sich, wenn man schnell auf ihn zu kommt. Er schreckt zurück, wenn man mit der Hand nach ihm greift. Er tut sich schwer damit, über Türschwellen in Räume zu gehen. Wenn eine Tür nach draußen offen steht, hat er den Drang, hinaus zu rennen. Muss man ihn z.B. hochnehmen, gerät er in Panik, schreit ohrenbetäubend und strampelt, als würde sein Leben davon abhängen.
Roscoe war 13 Jahre in einem Tierversuchslabor. Er hatte "irgendwie Glück". Er wurde von dem Labor abgegeben, hat jetzt ein Zuhause, einen eigenen Korb, eine eigene Box, in der er völlig ungestört essen kann und im Sommer einen Hundepool. Eine Handvoll Hundekumpel, in deren Mitte er nicht mehr um alles kämpfen muss. Er kann sich im Gras wälzen und hat voller Staunen das Meer gesehen. Er durfte sich und seine Nase auf dem Hundeplatz ausprobieren. Hier könnte die traurige Geschichte mit einem Happy End enden. Kann sie aber nicht, denn Roscoe stellt unter den Versuchstieren (selbst bei Hunden!) eine absolute Ausnahme da. Denn er bekam ein Leben nach dem Labor. Wir alle schalten irgendwann weg, wenn die Bilder in den Medien zu schrecklich werden. Egal, um was es geht. Das ist verständlich. Weil es ein unvorstellbares Grauen ist, das wir nicht fassen können. Nur: Wegsehen ist (und war es) nie eine sinnvolle Alternative. Eigentlich wissen wir das auch. Niemand muss sich mit Schock-Bildern quälen, nur um dann resigniert mit den Schultern zu zucken und zu denken "Was kann ich schon tun?!"
Wenn wir uns einmal bewusst machen, dass unsere Entscheidungen Konsequenzen haben, sind wir einen großen Schritt weiter. Dann geben wir die Minute länger beim Einkauf vielleicht gerne, um nach dem Tierversuchsfrei-Zeichen auf Kosmetika zu schauen. Oder wir fragen uns, was zur Hölle Knochen und Haut von Tieren (in Form von Gelatine) in Fruchtkaubonbons überhaupt zu suchen haben. Oder wenn auf einigen Shampoos "vegan" steht (also ohne tierische Bestandteile), was um Himmels Willen dann in den anderen drin ist. Und wir wissen ja eigentlich auch, dass das Super-Schnäppchen Grillfleisch oder Würstchen immer nur auf Kosten der Tiere geht und nie zu Lasten der Industrie oder Hersteller. Sicher ist: Jeder kann etwas verbessern, auch wenn man nicht auf tierische Produkte verzichten möchte. Wer z.B. partout keine vegane Milch trinken mag, kauft vielleicht die Kuhmilch, bei der die Kälber mehrere Monate bei der Mutter bleiben dürfen.
Jährlich veröffentlicht eine Abteilung des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) die Zahl der Versuchstiere. 2022: über 4 Millionen. Eine Zahl, die schwer zu fassen ist. Knapp 3.000 Hunde, über 2.000 Pferde, fast 70.000 Kaninchen machen das vielleicht etwas greifbarer. Jährlich wohlgemerkt. Ohne Worte sind fast 2 Millionen getötete "Überschusstiere". Sie werden zwar gezüchtet, aber nicht gebraucht. Falsches Alter, falsches Geschlecht... getötet. Für alle, die aufschreien möchten: Was wäre die Option? Unsere Tierheime sind voll. Überall. Gelder werden gekürzt, Wartelisten auch für Notfälle sind oft monatelang. Und es wird seit Jahren schlimmer. Illegaler Welpenhandel, unseriöse Züchter (aka Vermehrer), Qualzuchten als Statussymbol, Coronatiere - jedes Stichwort verdient ein eigenes Kapitel.
Unser Laborbeagle hat uns dazu gebracht, noch einmal bei uns selbst zu schauen, was geht. Unter anderem: Mitglied bei der Laborbeaglehilfe werden. Die den abgegebenen Tieren eine neue Chance geben, die unermüdlich Aufklärungsarbeit betreiben und (ganz wichtig!) auch die Schwierigkeiten mit diesen traumatisierten Tieren nicht verschweigen. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich und manchmal ist es schwer, bei der ganzen medialen "Tränendrüsen-Rhetorik" die Seriösen darunter zu finden.
Von unserer Seite immer eine Empfehlung wert: (Tier)Ärzte gegen Tierversuche e.V. Etwas irreführend der Name. Denn jeder, auch ein "nicht-medizinischer" Mensch, kann hier mitmachen, Mitglied werden, sich informieren. Zum Beispiel welche Firmen immer noch Tierversuche machen (lassen). Der berühmte kleine Schritt...
Roscoe weiß von all dem nichts. Vielleicht wundert er sich über sein neues Leben. Vielleicht ist es ihm egal. Wie der richtige Name, den er nach 13 Jahren endlich bekommen hat.