03/11/2024
Mein Hund aus dem Tierschutz/Tierheim
Wer sich für einen Hund aus dem Tierschutz/Tierheim entscheidet, hat in aller Regel nur Helfen und Gutes im Sinn.
So auch ich im Jahr 2007, als ich meine Podenco-Mix Hündin Jenna mit knapp 5 Monaten aus Spanien bekam. Sie wurde mit ihren Geschwistern in einem Kaktusfeld gefunden und ins Tierheim gebracht. Mehr konnte man mir zu ihr nicht sagen.
Und wie sich herausstellte, erfordert die Erziehung eines Hundes mit unbekannter Vergangenheit besonderes Geschick.
Häufig gibt es nur Spekulationen und wage Auskünfte darüber, wie ein Hund aus dem Tierschutz/Tierheim in den ersten Lebensmonaten aufgewachsen ist, was er wie kennengelernt hat oder eben nicht kennengelernt hat.
Die ersten Lebensmonate eines Hundes sind aber ausschlaggebend für sein grundsätzliches Denken über die Welt, Menschen, andere Hunde usw. Mit ca. 16 Wochen ist die wichtigste Sozialisation abgeschlossen und für einen Hund besteht die Welt aus dem, was er bis dahin kennengelernt hat. Alles Neue wird eher mit Misstrauen betrachtet und wird häufig viel schwerer kennengelernt.
Viele dieser Hunde weisen deshalb riesige Defizite in der Sozialisierung mit Menschen und der Umwelt auf, weil sie zB in einem Tierheimzwinger oder auf der Straße - fernab eines Lebens bei uns - aufwuchsen. Die Erfahrungen dort sind sehr begrenzt bzw ganz anderer Natur, als in einem Leben mit uns.
Eine fehlende Sozialisation lässt sich nicht nachholen, aber Hunde können Strategien lernen diese zu kompensieren.
Inwieweit sich so ein Hund noch in ein Leben bei uns und mit uns integrieren kann, hängt unserer Erfahrung nach sehr stark vom Individuum und dessen Charakter ab. Der eine ist ein mutiger Geselle, der andere eher ein Hasenherz - das ist eine Charakterfrage. Deshalb ist diesen Hunden äußerst individuell zu begegnen.
Eines zeigen sie aber vor allem zu Beginn fast alle: sie kippen quasi aus dem für uns normalen Rahmen des Verhaltens heraus:
Ist ein Welpe aus einer Vorzeigeaufzucht situativ mal kurz erschrocken und verängstigt, so zeigt sich im Vergleich dazu ein Hund aus dem Tierschutz häufig schon komplett panisch und nicht mehr ansprechbar oder sogar aggressiv.
Wird ein Welpe aus einer Vorzeigeaufzucht mal frech und forsch, so wird ein Tierschutzhund oft richtig dreist und ist quasi für den Besitzer gar nicht mehr zu händeln.
Neben der alltäglichen Erziehung, die es zu leisten gibt, müssen also vor allem diese Extremen in aller Regel immer wieder aufgefangen und möglichst in ein normales Maß / in einen normalen Rahmen gebracht werden. Damit tun sich viele Hundebesitzer schwer, denn mit diesen Extremen haben sie nicht gerechnet 😔.
Hierzu braucht es tatsächlich besonderes Geschick und Geduld beim Menschen, denn es fehlt dem Hund vor allem an Erfahrungen und Vertrauen in den neuen Sozialpartner Mensch und die Situationen, denen er nun ausgeliefert ist.
Zu Beginn, während der Erziehung und im gesamten Zusammenleben steht also besonders immer im Vordergrund:
Geduld + Vertrauensaufbau,
Geduld + Vertrauensaufbau, Geduld + Vertrauensaufbau und eine klare und faire Erziehung!!!!
Manchmal dauert es Wochen, manchmal Monate und manchmal geht es nur in Jahresschritten vorwärts.
Meine geliebte, kleine Jenna wurde 15 Jahre alt, sie war schüchtern, unauffällig aber stets an meiner Seite. Sie zählte eher zu den Hasenherzen.
Ich habe immer mit einem Schmunzeln gesagt: "Wenn sie 15 Jahre ist, ist sie bestimmt 'normal' 😇" - und ich behielt Recht.
Ich denke immer noch täglich an Jenna, denn sie war etwas ganz Besonderes und ich habe so viel durch sie gelernt 🖤.
Gabi Klaassen
Hundeschule Rhein-Wupper