09/03/2024
Messebesuch mit Hund
Letztes Wochenende war ich auf der Hundemesse. Und ich konnte wieder sehr interessante Dinge beobachten, leider manchmal auch nicht so schöne. Wer mich kennt, der weiß, dass ich sehr gerne Mensch-Tier-Interaktionen beobachte.
Mich erstaunt es immer wieder, wie viele Menschen meinen, ihren Hund mit auf Messen schleppen zu müssen. Dazu möchte ich gleich sagen, dass ich nicht per se dagegen bin seinen Hund mit auf solche Großveranstaltungen zu nehmen. Ich selbst hatte auch einen meiner Hunde dabei, aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, auf die ich weiter unten noch eingehen werde.
Für die meisten Hunde sind andere Hunde in den Massen Stress, für viele Hunde auch große Menschenmengen. Ich kenne wenige Hunde, die mit solchen Situationen wirklich völlig gelassen umgehen.
Das Kontinuum auf dem ein Hund Stress hat ist natürlich groß, manche Hunde sind vielleicht nur leicht aufgeregt und eher im Eustress, d.h. positiv erregt, weil sie sich über die vielen anderen Hunde oder Menschen freuen. Andere Hunde sind dagegen völlig panisch. Wie ein Hund mit solchen Situationen klarkommt hängt von Faktoren wie Sozialisation, Genetik bzw. Epigenetik, (traumatischen) Vorerfahrungen, der Beziehung zum eigenen Mensch, Selbstbewusstsein und natürlich auch noch anderen Faktoren ab.
Leider sehe ich auf solchen Messen immer wieder und leider nicht zu selten Hunde, die völlig verängstigt oder sogar panisch sind und eigentlich nur flüchten wollen, weil ihnen die Situation einfach viel zu viel ist. Solche Hunde haben auf Messen nichts verloren und können in so einem Zustand auch überhaupt nichts mehr lernen, da ihr System völlig überflutet ist. Hier muss erstmal in Situationen gearbeitet werden, die der Hund noch leisten kann.
Dazu möchte ich unbedingt noch darauf eingehen, dass zwar oft behauptet wird, dass Lernen unter Stress nicht möglich ist, es hierzu aber auch andere Meinungen gibt, z.B. das Lernen unter leichtem Stress sogar durch die erhöhte Aufmerksamkeit besser stattfinden kann. Weiterhin ist es für mich als Trainerin auch ganz wichtig, dass unsere Tiere auch lernen mit Stress umzugehen und v.a. ihre Stressregulation zu verbessern und zu trainieren. Der Grund dafür ist ganz einfach: unser Leben ist nie stressfrei, wir können auch unsere Tiere nicht vor jeglichem Stress behüten und deshalb ist es nur sinnvoll und fair mit unserem Tier solche Situationen zu üben.
Es gibt auch Studien, die aufzeigen, dass es gar nicht gesund ist, nie Stress zu haben. Wichtig ist nur, dass der Stress nicht chronisch ist und sich das System anschließend wieder entspannen und beruhigen kann. Das gemeinsame Meistern von herausfordernden Situationen ist übrigens auch für unsere Beziehung und Bindung zu unserem Tier sehr förderlich.
Man kann also zusammenfassen, dass ein Hund, der prinzipiell keine (großen) Ängste vor Menschen oder anderen Hunden (oder anderen dort gegebenen Reizen) hat, wahrscheinlich auf einer Hundemesse einen Stresspegel hat, den sein System noch verarbeiten und regulieren kann.
Oft sehe ich auf Messen aber auch Auslandshunde, die zum einen oft Ängste gegenüber Menschen zeigen und zum anderen ein Problem mit dem engen Raum den sie mit anderen Hunden teilen müssen haben. Wir müssen immer auch bedenken, dass Hunde an der Leine MASSIV in ihrer Kommunikation mit anderen Hunden eingeschränkt sind und das viele Hunde sehr stresst. Hier würde ich mir wirklich mehr Empathie wünschen und auch Akzeptanz, dass der eigene Hund vielleicht eben kein Partygänger ist, der überall mitgenommen werden möchte.
Für mich steht fest, wenn ich meinen Hund mit auf eine Messe nehme, dann muss ich:
1. Sicherstellen, dass er der Situation auch gewachsen ist
und
2. für ihn da sein und nicht erwarten, dass er einfach funktioniert
Ein interessantes Phänomen, das ich beobachten konnte war, dass bei Familien meistens der Mann den Hund geführt hat (die soziologischen Hintergründe könnt ihr euch selbst überlegen). Meistens war das nur für die Hunde nicht so passend, da absoluter Gehorsam verlangt wurde (was in stressigen Situationen schwierig sein kann), sie wenig Empathie und Unterstützung erfahren und im Alltag vermutlich zur Frau mehr Kontakt und daher auch eine bessere Beziehung haben.
Es ist immer sinnvoll, solche Situationen mit der engsten Vertrauensperson zu meistern, da diese meistens die meiste Sicherheit gibt (sofern sie nicht selbst völlig verunsichert oder überfordert ist).
Ich hatte meine junge Huskyhündin auch mit auf der Messe, aber nur weil ich wusste, dass sie mit Menschenmengen kein Problem hat und ich schon auf Pferdemessen mit weniger Hunden und mehr Platz vorher geübt hatte. Trotzdem wusste ich, dass sie gestresst und aufgeregt sein würde. Ich habe die Situation aber bewusst als Trainingssituation genutzt um an ihrer Stressregulation zu arbeiten und Situationen auszuhalten.
Meine Hündin ist außerdem für jeden Spaß zu haben und will immer dabei sein. Weiterhin ist so eine Situation gerade für junge Hunde, die neugierig und lernbegierig und voller Tatendrang sind eine gute Abwechslung um sie auszulasten. Trotzdem habe ich auf folgende Rahmenbedingungen geachtet:
1. Ich habe mir vorher die Gegebenheiten ohne Hund angeschaut
2. Ich habe erst auf dem Vorplatz geübt und meine Hündin beobachten lassen, damit sie sich wieder etwas beruhigen konnte und auch in der Messehalle immer wieder Situationen eingebaut, wo sie beobachten konnte
3. Ich war bei ihr und nicht mit irgendwelchen Verkaufsständen, Vorführungen etc. beschäftigt
4. Ich war mit ihr in Kommunikation und habe auf ihre Vorschläge (z.B. anderen Hunden auszuweichen) gehört
5. Ich habe sie nicht mit Kommandos noch mehr gestresst, sondern ihr einen Rahmen gegeben (v.a. durch die Leine) und für gutes Verhalten gelobt und belohnt.
6. Ich habe die Zeit begrenzt und darauf geachtet wann es ihr zu viel ist
7. Ich bin anschließend mit ihr an einen Ort gegangen, an dem sie sich wohlfühlt und wieder runterfahren konnte.
Vielleicht könnt ihr ein paar der Punkte für den nächsten Messebesuch oder auch übertragbar auf andere herausfordernde Situationen in eurem Alltag mit eurem Hund mitnehmen.
Und zum Schluss noch eine Frage an euch:
Wie meistert ihr potentiell stressige Situationen mit eurem Tier?