26/02/2024
ein wirklich guter Beitrag
Aus gegebenem Anlass....
Gerne gehen wir näher darauf ein, warum wir das fiktive Futter "Ah.Nie fit!" als Pampe und Kack-Mittelklassefutter betrachten. Und warum wir die ganzen möglichen Slogans, mit denen so ein Futter im Gepäck kommen könnte, als dreiste Werbelüge betrachten, die das Futter für uns aussehen lässt, als wäre es hochwertig.
Nun gut, hier kommt die Hitlist, was uns an diesem Beispiel-Futter nicht gefällt, was wir als dreist gelogen erachten und warum es in unserer Rangliste irgendwo weit unten in der unteren Mittelklasse-Kategorie zu finden ist und zeigen euch, wie man bei so einer Futterbewertung vorgehen könnte:
So könnten die Inhaltsstoffe und die Bewerbung dieses fiktiven Futters aussehen:
1) Die Analysedaten sind das Herzstück eines Futters und sie sagen am meisten aus.
Wir haben hier mal folgende Werte angenommen, welche u. a. mit "99% Fleischgehalt" beworben würden:
10% Protein
3% Fett
83% Feuchte
0,3% Rohfaser
2% Rohasche
Daraus kann man ablesen:
a) Es sind definitv keine 99% Fleisch enthalten. Mit 10 % Protein liegt dieses Futter auf einem der unteren Level im Vergleich zu anderen (hochwertigen) Nassfuttermarken.
b) Es wurden mindestens 30% Wasser extra hinzugefügt (das ist schon etwas, wo wir das Wort "unverschämt" einsetzen)
Dies macht man gewöhnlicherweise für maximale Gewinnabzielung, nicht aus "oh, wir haben Katzen so lieb und produzieren ein tolles Futter, damit die gutschigutschi nur das Beste bekommen"-Gründen. Warum man das nicht angibt hat gute Gründe. Manche Hersteller machen das durchaus und werden für die Ehrlichkeit dann von den Verbrauchern abgestraft.
c) Der Fettgehalt ist mit 3% sehr wenig für den fettliebenden Karnivoren Katze und unter den als Mindestempfehlung geltenden 6%.
d) In der Rohasche werden alle nicht veraschbaren Zutaten sichtbar. Das sind in der Regel die ganzen Mineralstoffe, kann aber auch Sand/Dreck sein, wenn die Fleischkiste vorm in den Kessel werfen auf den Boden gefallen ist ;-)
2) Näher zu b) Wasser: Produktionsbedingt kommt bei der Nassfutterherstellung nochmal extra Wasser dazu - bei nahezu jedem Nassfutter sind das zweistellige Prozentpunkte. Wasser kostet nichts und maximiert den Gewinn. Ein so hoher Feuchtegehalt wie in unserem Beispiel ist völlig unnötig. Fleisch hat im Schnitt rund 65-70% Feuchte, fettarmes wie Putenbrust auch 75% - je niedriger die Feuchte ist, desto mehr Futter bekommt man für sein Geld. Wären 99% Fleisch enthalten und 1% nur Gemüse und Mineralstoffe, würde das Futter bei eben diesen 70% liegen. Machen manche Hersteller übrigens auch. Ist dann auch viel besser, weil die Katze weniger braucht, um satt zu werden. Darf dann auch ein paar Cent teurer sein. Kapiert nur keiner. Weder in 2015 noch in 2024. Wir haben dazu mal einen Artikel verfasst. Da ging es um einen anderen Aufhänger, aber vielleicht wird das etwas klarer dadurch: https://the3cats.de/2015/08/jasper-eine-insel-in-der-dose/
3) Der Proteingehalt mit 10 % von a) kann weiter aufgeschlüsselt werden. Der Hersteller unseres fiktiven Futters gibt zum Beispiel auf der Deklaration die geschlossene Formulierung "Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse, Fisch und Fischnebenerzeugnisse" an - Damit darf er alles in die Dose werfen, was er mag. Neben den zahlreichen Werbeversprechen (hier witzeln wir gerne rum, dass das häufig von "ooops, versprochen" kommt) findet sich das näher aufgeschlüsselt nur auf begleitenden Informationen, wie z. B. der offiziellen Webseite. Die sind aber nicht verpflichtend für das, was in die Dose kommt. Theoretisch dürfen jetzt alle möglichen Fleisch, Fisch -nebenerzeugnisse rein und der Verbraucher kann sich nicht beschweren, da er halt nur das bekommt, was auf der Dose draufsteht, nicht das, was auf der Webseite oder in der hübschen Hochglanzbroschüre steht. Und warum man diese halb geschlossene oder offene Deklaration nicht auf die Dose unter "Zusammensetzung" druckt ist für uns ein Rätsel und sicher kein Qualitätsmerkmal. Bei unerfahrenen Herstellern finden wir das manchmal auch so, aber bei diesem maximal durchkalkulierten Beispiel ist das aus unserer Sicht ein klarer Mangel.
Dort finden wir:
Hühnermuskelfleisch 31 %
Rentiermuskelfleisch 7 %
Lachs 16 %
Weißfisch 16 %
Rinderlunge 18 %
Rinderleber 11 %
_____________________________
Summe Fleisch & Fisch 99 %
Das suggeriert jetzt, dass jemand ein Rezept genommen hat, wo man das Prozentzeichen gegen Gramm austauschen kann und daraufhin mit liebevoller Schnibbelarbeit 99g Fleisch in eine 100g Dose gefüllt hat. (Über das Wort "Fleisch" könnte man sich auch noch aufregen. Innereien sind eng betrachtet kein "Fleisch".)
Nope, das ist nicht so. Hier bekommt ihr ein bisschen Zeit, um mal kräftig schockiert durchzuatmen. Zahlen lügen nicht. Ein bisschen Rechnerei kommt gleich.
Zunächst noch ein wichtiger Zusatz: Es findet sich unter unserem Beispielfutter möglicherweise unter der Aufzählung noch der kleine Hinweis, dass Muskelfleisch sowohl das echte Muskelfleisch umfasst (nach offizieller "Fleischerdefinition") als auch Herz- und Magenmuskel. Sowohl Herz- als auch Magenmuskel zählen aber offiziell nicht ohne Grund zu den Innereien, weil sie eine andere Proteinzusammensetzung und Verdaulichkeit haben. Dass sie zudem günstiger sind, wäre hierbei sicher reiner Zufall.
Das Rechnen..... jaaaa, das ist kompliziert. Zugegeben. Wir haben in der Vergangenheit mal eine schicke Excel-Tabelle erstellt, die uns die Arbeit abnimmt. Eins ist auf jeden Fall klar. Bei 99% Fleisch wären die Analysewerte ganz andere. Dann hätten wir (nachgerechnet) Analysedaten von 19 % Protein, 4,49 % Fett und 74,8 % Feuchte.
Um davon auf 10 % Protein, 3 % Fett und 83 % Feuchte zu kommen muss also ordentlich was passiert sein auf dem Weg von den 99% Fleisch in die Dose. Über Trockenmasse und Co kann man wunderbar zurückrechnen und wir können mal gucken, wie viel unser liebevoller Handschnibbler am Ende tatsächlich auf seinem Rezept stehen hatte. Die Zuordnung der Innereien Herz und Magen geschieht nicht ohne Grund zum Muskelfleisch, also haben wir das gleich mit eingebaut. So viel müsste tatsächlich in einer Dose mit 99% Fleischanteil zugefügt worden sein:
10,26 % Huhn mager
4,58 % Rentier
5,00 % Huhn - Herz
5,00 % Huhn - Magen
7,19 % Rind - Leber
11,76 % Rind - Lunge
10,46 % Lachs
10,46 % Weißfisch
32,29 % Wasser(!)
Ja, shocking News. Rund 65% "Fleisch", keine 99%. Nein, nicht falsch gerechnet. Nein, nicht unüblich, dass Wasser oder Brühe zugefügt werden. Ja, die 83 % Feuchte würden wir als kackfrech betrachten. Übrigens hat unser Zurückrechneergebnis sogar 12% Protein, ist also wie oben aufgeführt noch etwas besser als die oben angenommenen Analyswerte. Nein, Wasser muss nicht deklariert werden (siehe verlinkter Artikel).
Was hierbei besonders ins Auge springt ist auch der hohe Anteil an Lunge. Lunge, Milz, Schlund/Strosse, Euter sind ein billiger Füllstoff, der reich an Bindegewebe ist. Viel Bindegewebe gilt als minderwertig und verkompliziert für die Katze den Proteinabbau. Das Bindegewebseiweiß sorgt z. B. dafür, dass mehr Kreatinin über den Harn ausgeschieden werden muss, was die Nieren belastet. Insgesamt ist der Anteil an Innereien sehr hoch.
Die beispielhaft ausgewählte fiktive Anmerkung zu Taurin finden wir auch nicht so doll, die besagt, dass weniger als die empfohlene Menge Taurin zugefügt worden ist, weil genug im Fleisch enthalten sei. Taurin bindet sich beim Erhitzen an andere Proteine und wird dadurch weniger bioverfügbar. Die Aussage "wir machen weniger rein, weil genug im Fleisch enthalten ist" ist daher fragwürdig.
Auf die Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente gehen wir jetzt erstmal nicht näher ein, die müssten wir nochmal gesondert nachrechnen, was halt Zeit in Anspruch nimmt, von der wir nicht unendlich viel zur Verfügung haben. Aber da vermuten wir beim Drüberfliegen auch einige Schwachstellen. Nur mal so als Info: Alleine das Zusammenstellen dieser Informationen hat schon 5 Stunden gedauert. Ohne dass wir auch nur irgendwas davon haben, ausser dass ihr schlauer seid ähh sein könntet. (Gut, eine Stunde noch für den Kampf mit Photoshop und der generativen Füllung.)
Noch ein Wort zu einem möglichen Werbeslogan zu "Fleisch aus Schweden":
Fleisch aus Schweden ist auch nicht besser als anderes Fleisch. Der in Rentieren (welche für gewöhnlich halb-wild gehalten werden) gefundene Gehalt an giftigen Schwermetallen war z. B. signifikant höher als der in Fleisch von Tieren aus kommerzieller Haltung, allerdings noch unter den von der EU herausgegebenen Grenzwerten. *nurmalso
Andere Werbeversprechen könnten auch leicht entkräftet werden. Wen Werbeversprechen und Realität interessieren, der kann sich mal den Vortrag von Kate Cooper zum Thema Marketing und Tierwohl anschauen: https://youtu.be/mKTORFmMycQ
Also definitiv ist unser fiktives Beispielfutter kein supertolles Futter. Wir würden es irgendwo zwischen Bozita und Carny einsortieren. Den realistischen Preis für das Futter würden wir bei rund 1,20 € für eine 200g-Dose sehen. Uns würde auch nicht wundern, wenn das Futter aus der gleichen Produktionsstätte wie Bozita käme. Könnte man alles nachprüfen. Dazu bräuchte man nur den Aufdruck vom Dosenboden.
Der Form halber ergänzen wir das oben Geschriebene einfach nochmal um den Hinweis, dass es sich bei der Bewertung natürlich um unsere sehr persönliche Sichtweise auf ein fiktives Futter handelt.
Die genannten Fakten zur Katzenernährung (und Futtermittelverordnung) sind echt und darin sind 3 unabhängige Ausbildungen von Frauchen als Ernährungsberaterin, 2 als THP bzw. Holistic-Can Opener und weitere Schulungen mit eingeflossen sowie brandaktuelle Literatur, u. a. das Buch "Ernährung der Katze" aus dem Thieme-Verlag, die wir hier in unserem Schlaubuchregal bepfoteln können.
Und? War euch das so bewusst, was man alles von einem Etikett entnehmen kann? Wollt ihr mehr wissen? Sollen wir einen Kurs starten? Habt ihr ein Futter, mit dem ihr euch schwer tut ob das jetzt gut ist oder nicht? Maunzt uns mal was in die Kommentare.
Hermine für die the3cats.de-Redaktion