08/12/2023
Mythos: Taubenfang und Taubentötung
Um die Taubenpopulation zu reduzieren, hat die Stadtverordnetenversammlung von Limburg für die Tötung der Stadttauben abgestimmt. Ob das überhaupt rechtlich zulässig ist, wird aktuell geprüft.
Aus Sicht von Taubenschützern, also auch von uns, ist das natürlich nicht vereinbar mit dem bestehenden Tierschutzgesetz. Es gibt genügend mildere Maßnahmen, z.B. das Augsburger Modell und die Betreuung von wilden Brutplätzen, die vor einer Tötung ergriffen werden sollten. Dass eine Überpopulation nicht von heute auf morgen reduziert werden kann (hier der Vergleich zu den Kastrationsprogrammen von Katzen), sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Das tut es aber leider offensichtlich nicht, wenn sich Städte für die vermeintlich schnellere Methode der Tötung von Stadttauben entscheiden.
Daher stellt sich die Frage: Bringt die Tötung von Stadttauben im Hinblick auf die Reduzierung der Stadttaubenpopulation überhaupt etwas? Das kann man mit einem ganz klaren „Nein“ beantworten! Denn Limburg ist nicht die erste Stadt, die versucht mit der Tötung der Stadttauben die Überpopulation in den Griff zu bekommen.
- Beispiel Reims: „In Reims wurden 1997 insgesamt 1.000 von 4.000 Stadttauben, also ein Viertel der Population, eingefangen, ohne dass sich damit ein Ende der Taubenkalamität abgezeichnet hätte.“ (Vater, Bestandsverminderung, S. 41–42).
- Beispiel München: „Selbst höchste Fangquoten in den Jahren 1964 bis 1969 zwischen 14.000 und 18.000 Tauben/Jahr (28 bis 45% des Gesamtbestandes) brachten keine erkennbare Auswirkung auf die Gesamtzahl.“ (Vater, Bestandsverminderung, S. 42).
- In Köln und Nürnberg gab es solche Fangaktionen auch, 1996 hat die Stadt Nürnberg den Taubenfang mit anschließender Tötung eingestellt [Stand 2000] (Vater, Bestandsverminderung, S. 42).
- Ähnlich ist es in der Schweiz, dort wurden in den 1970er /1980erJahren umfangreiche Fangaktionen mit anschließender Tötung durchgeführt, trotzdem hat das zu keinen wesentlichen Bestandssenkungen geführt (Haag-Wackernagel, Beitrag zur Ökologie der Stadttaube, S. 38; Stukenholtz, u.a., Ecology of Feral Pigeons, S. 4).
- Ähnliche Erfahrungen wurden auch in Stuttgart (Arkansas) und von 1983 bis 1991 in Barcelona (Spanien) gemacht (Stukenholtz, u.a., Ecology of Feral Pigeons, S. 4).
Selbst Fangaktionen mit „Rekordergebnissen“ hatten keine nachhaltigen Auswirkungen auf den Gesamtbestand. Die Taubenbestände können solche Verluste schnell wieder ausgleichen (sog. Kompensationen), indem mit höherer Fruchtbarkeit und Vermehrung auf die Populationsverluste reagiert wird. Eine Tötung der Stadttauben führe letztendlich nur zu einer Verjüngung des Bestandes. Zudem stellen die Fangaktionen mit anschließender Tötung „keinesfalls eine tierschützerisch und ökologisch vertretbare Lösung dar“ (Haag-Wackernagel, Beitrag zur Ökologie der Stadttaube, S. 40).
Die Tötung von Stadttauben zur Bestandsregulierung ist also weder tierschutzkonform noch nachhaltig.
Wir sind sehr froh, dass die Stadt Wiesbaden nicht diesen Weg geht, sondern in enger Zusammenarbeit mit uns ein nachhaltiges und tierschutzkonformes Stadttaubenmanagement umsetzen will. Ein entsprechender Antrag zur Prüfung des „Limburger Vorgehens gegen die Taubenplage“ beim Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie der Stadt Wiesbaden am 5.12.2023 wurde somit auch mit großer Mehrheit abgelehnt. (https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/stadt-wiesbaden/wiesbaden-will-kein-todesurteil-fuer-tauben-3119573)
Wir möchten mit den folgenden Worten zum Nachdenken anregen: Die Stadt gehört uns als Menschen nicht alleine, sondern wir teilen sie mit den Tieren, die hier auch leben dürfen und sollen. Sei es den Sittichen, den Nilgänsen oder eben auch den Stadttauben. Danke ❤️
Quelle:
Stuckenholtz, Erin Elizabeth u.a.: Ecology of Feral Pigeons: Population Monitoring, Resource Selection, and Management Practices, URL: https://www.researchgate.net/publication/332336735_Ecology_of_Feral_Pigeons_Population_Monitoring_Resource_Selection_and_Management_Practices [Zugriff: 7.12.2023]
Haag-Wackernagel, Daniel: Ein Beitrag zur Ökologie der Stadttaube. Dissertation an der Universität Basel 1984.
Vater, Günther: Bestandsverminderung bei verwilderten Haustauben Teil 2. Bilanz mitteleuropäischer Stadtverwaltungen; Situationsanalyse als Basis für neue Lösungsansätze, in: Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 43 (2000), S. 41–46.