24/06/2023
Das junge Pferd und sein in der Ausbildung junger Pferde eher unerfahrener Reiter.
Das ist eine häufige Konstellation, die uns immer wieder begegnet, meist sind es Reiterinnen. Alle diese Reiter und Reiterinnen wollen immer nur das Beste für Ihr Pferd, davon ist zunächst einmal auszugehen. Aber gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht.
Was sind häufige Kardinalfehler, die diese Reiterinnen im besten Willen machen? (natürlich nicht alle auf einmal, hoffentlich ;-) )
1. Zu wenig vorwärts zu reiten, da man Angst vor der Geschwindigkeit und dem Kontrollverlust hat ist einer der häufigsten Fehler, der dann den Pferden die Gehlust raubt, zu Taktverlust und Verspannungen führt sowie zu vorzeitiger Trageschwäche und deren Folgen. Hierbei geht es NICHT um ein Hetzen in den Gangarten, sondern um ein taktmäßiges frisches Vorwärts im Arbeitstempo und im fleissigen Mittelschritt. Es geht darum, dem jungen Pferd auch die Gehfreude unter dem Reiter in Balance zu vermitteln.
2.Keine ausreichende Vorbereitung an der Longe, vor allem bloß keine Verwendung von Hilfszügeln!
So lernen die jungen Pferde eben NICHT, wie sie den Reiter schadlos tragen können, bevor er aufsitzt. Durch fachgerechtes Longieren erspart man sich und dem Pferd viel Arbeit und Zeit und vor allem viel Frust. Ein Pferd, das gelernt hat, sich an der Longe in Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und beginnender Selbsthaltung zu bewegen, wird dies auch unter dem Reiter viel schneller umsetzen können, auch die Stimmkommandos erlernt das junge Pferd, die man dann in den Sattel zunächst mit übernimmt, um die reiterlichen Hilfen zu erklären. Auch dieses Longieren vor allem junger Pferde will und muss erlernt werden!
3. Keine Verbindung zu Pferdemaul aufnehmen und halten. Schlabbernder und springender Zügel mit offener Hand. Viele dieser Reiter haben(oft berechtigte) Sorge, zu viel mit der Hand zu machen, dem Pferd im Maul Schmerz zuzufügen. Sie reiten dann mit offenen Händen und schlabberndem Zügel. Wie soll ein junges Pferd so Vertrauen in die Reiterhand entwickeln? Hierzu muss der Reiter in der Lage sein, bei aufgenommenem Zügel dem Pferdemaul konsequent, weich und ruhig zu folgen. Weder zu ziehen, noch den Zügel springen zu lassen. Hierzu braucht es einen handunabhängigen Sitz und eine sitzunabhängige Hand. Ohne diese Grundvoraussetzung beim Reiter wird es schwer. Der Reiter bietet seine Hand an, das Pferd beginnt die Anlehnung zu suchen, muss sie aber auch finden können! Nur so kann sich eine konstante und angenehme Anlehnung in Takt und Losgelassenheit entwickeln.
4. Reiten des jungen Pferdes wie ein ausgebildetes Pferd. Dies sehen wir bei Reitern, die lange Jahre ein Pferd geritten haben, es auch weit ausgebildet haben, aber eben lang nicht mehr oder nie auf einem jungen Pferd saßen. Sie reiten „automatisch“ mit Hilfen, die das junge Pferd überhaupt noch nicht kennt, sitzen zu früh und zu deutlich ein, verlangen zu früh und zu lang Beizäumung und Aufrichtung.
5. Dauertreiben! Da das Pferd die treibenden Schenkelhilfen noch nicht kennt, verfällt grad der unerfahrene Reiter ins Dauertreiben, was dem Pferd die treibenden Hilfen natürlich erst recht nicht erklärt.
6. Nicht erkennen von beginnenden Problemen. Die können sehr diskret ausfallen und werden oft übersehen: leichtes Klemmen, unruhiger werden in der Anlehnung, Unruhe beim Aufsitzen, Aufrollen im Hals, Verlust von Takt und Gehfreude, immer schiefer werden. Das sind häufige Zeichen, aber auch Unwillen beim Putzen, Gurten oder Satteln und Auftrensen.
7. Entwickeln von Angst und nur noch Arbeit vom Boden aus. Bringt die Ausbildung meist auch nicht mehr wirklich weiter. Ein junges Pferd springt auch mal zur Seite oder stürmt kurz vor, wer hier nicht sattelfest ist und stürzt, der entwickelt schnell Angst vorm eigenen Pferd und auch das junge Pferd erschrickt enorm, wenn es den Reiter „verliert“.
8. Sich nicht trauen, auch mal loszulassen. Kann der Reiter nicht loslassen, wird das Pferd es auch nicht tun.
9. Angst vorm Reiten im Gelände, Draußen , Angst vorm Springen.
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Die Liste lässt sich fortsetzen.
Was tun?
Der Reiter muss mit intensiver Unterstützung lernen zu lehren. Das ist etwas ganz anderes, als ein ausgebildetes Pferd zu reiten.
Diese Paare brauchen intensive Betreuung und Unterstützung von Beginn an. Grundvoraussetzungen wie ein ausbalancierter, sattelfester Sitz, Zeit, Geld und eine Portion Mut und auch die entsprechende Infrastruktur wie eine sichere Reitbahn MÜSSEN vorhanden sein! Ist erst einmal Angst im Spiel, dann hilft nur noch längerer Vollberitt durch einen erfahrenen und gelassenen Jungpferdeausbilder und Ausbildung des Reiters auf erfahrenen Lehrpferden in dieser Zeit oder auch der Verkauf des jungen Pferdes, auch das ist keine Schande!
„Zusammen lernen“ gelingt nur mit einem Lehrmeister an der Seite.
Wenn Mensch und Pferd zueinander passen, erst dann ist Reiten auch
im Sinne der Pferde
Dagmar Ciolek