04/11/2023
Der Stellenwert der halben und ganzen Paraden im Rahmen der Ausbildung des Reitpferdes.
Warum reiten wir halbe und ganze Paraden? Was sind das eigentlich genau? Viele meinen : zum „Bremsen“ und zum „Anhalten“. Manche meinen, bei einer halben Parade zieht man an einem Zügel, bei einer ganzen an beiden. Ähm, nein! Besteht dann vielleicht eine ganze Parade aus zwei halben? So rein mathematisch? Könnte sein.
Eine halbe Parade wird geritten über ein kurzes Einschließen des Pferdes in alle Hilfen. Oh. Was bedeutet das? Der Reiter nimmt sein Pferd kurz etwas deutlicher an den Sitz, an sein Kreuz über die Erhöhung der eigenen Körperrumpfspannung, richtet sich selbst auf, spürt seine Gesäßknochen leicht im Sattel, kippt sein Becken (oben) minimal nach hinten (was man von unten nicht sehen sollte, keine Rücklage), macht es über einen leichten Impuls mit beiden Waden aufmerksam und fängt den so ausgelösten leichten Vorwärtsimpuls mit der filternden Hand und zwar mit beiden Händen gleichzeitig ab, so dass das Pferd sich von hinten nach vorn etwas mehr schließt und so auch automatisch (relativ) leicht aufrichtet. Hierbei kann eine kurze aushaltende Zügelhilfe ausreichen, aber auch eine kurz annehmende erforderlich sein, der aber immer sofort ein Nachgeben folgt. Je nachdem, welche Hilfen im Rahmen einer halben Parade in der Intensität überwiegen, nimmt das Pferd sich im Tempo zurück oder pariert in die nächst niedrigere Gangart durch oder erhöht nur aufmerksam die Körperspannung, federt etwas deutlicher in den Hanken. Auf der gebogenen Linie geritten muss man bei den halben Paraden darauf achten, nicht einseitig einzuwirken, da man sonst das jeweilige Hinterbein zu sehr blockiert. Die meisten Anfänger neigen dazu, dann am inneren Zügel zu ziehen, daher kommt die Anweisung: „Parade am äußeren Zügel“. Nicht daher, dass immer der äußere Zügel überwiegen muss und soll. Spätestens beim Reiten auf Kandare darf das nämlich nicht mehr so sein und dauerhaftes Ziel ist die immer beidseits gleichmäßige feine Anlehnung.
Je besser der Reiter in den Paraden das Pferd am Sitz und am Kreuz hat(dem Katalysator der Hilfen), desto geringer kann das Ausmaß der verhaltenden Zügelhilfe ausfallen.
Je weiter ein Pferd in der Ausbildung ist, desto besser sollte es auf die über den Sitz gerittenen Paraden reagieren, desto durchlässiger sollte es sein. Takt und Losgelassenheit sowie die weiche, stetige Anlehnung dürfen hierbei nicht verloren gehen. Das Pferd darf sich aufrichten, aber nicht rausheben. Es wird in sich kürzer, darf aber nicht nur den Hals kurz und eng machen. Reitet Übergänge, bereitet jede Änderung der Anforderung mit halben Paraden vor!
Eine ganze Parade unterscheidet sich von einer halben nur dadurch, dass sie aus mindestens 2 Paraden besteht, aus der vorbereitenden(halben) und der ausführenden ganzen und sie führt immer zum Halten.
Der Effekt der halben und der ganzen Paraden ist die beginnende und fortgeschrittene Versammlung des Pferdes! Bevor ich diese dann weiter vorantreiben kann und möchte, zum Beispiel vor den echten Seitengängen muss die Durchlässigkeit in den halben und ganzen Paraden sicher gegeben sein, das Pferd sich aus dem Trab willig zum Halten und aus dem Galopp willig zum Schritt durchparieren lassen und auch innerhalb der Gangarten Tempiunterschiede willig annehmen.
Sonst passiert Folgendes: Der Reiter wirkt zu viel mit der Hand ein, muss ziehen, reitet von vorn nach hinten, die Pferde werden eng und kurz im Hals und drücken im schlimmsten Fall den Rücken weg, verlieren den Takt.
Die Erarbeitung der sauber über den Sitz gerittenen halben und ganzen Paraden darf demnach weder übergangen, noch in der Ausbildung vernachlässigt werden. Denn sie sind ESSENTIELL
im Sinne der gerittenen Pferde
Dagmar Ciolek