17/05/2019
Sehr schön geschrieben.....
Der Alphawurf
Hinter diesem Wort verbirgt sich das Unterwerfen des Hundes indem man ihn auf den Boden drückt.
In Rückenlage (oftmals noch mit der Hand an seiner Kehle) wird er dann fixiert bis er sich ergibt und in dieser Pose ängstlich verharrt.
Manche Trainer meinen leider heute wieder, dass diese als längst überholt und widerlegt geltende Maßnahme, dem Hund zeigen würde, wer der "Chef" sei.
Häufig wird dies von Trainern propagiert, die der Rudelführertheorie anhängen und meinen dieses Verhalten aus der hundlichen Kommunikation abzuleiten.
Diese Annahme ist nicht nur schlichtweg falsch, sondern auch schädlich für die Erziehung/Ausbildung und das Verhältnis zwischen dem Besitzer und seinem Hund.
1. Kein Hund wird von einem anderen Hund zu Boden geworfen. Ein Hund zeigt diese Unterwerfungsgeste AKTIV. Er begibt sich VON SELBST in diese Position, wenn es aus seiner Sicht keine andere Verhaltensalternative - außer der totalen Unterwerfung - mehr gibt. Für den Hund ist diese Geste unter Artgenossen die letzte Möglichkeit einem ernsthaften Kampf mit Verletzungs- oder gar Todesfolge zu entgehen.
2. Mit dem Wissen, wann Hunde diese Geste zeigen, sollte auch klar sein, wie das Verhältnis zu ihrem Gegenüber ist, wenn sie sich unterwerfen.
Will man, dass sich der eigene Hund in Todesangst vor einem auf den Rücken dreht?
Spricht dies etwa für ein gutes Verhältnis zwischen Mensch und Hund? Ist die totale Unterwerfung des Hundes ein Zeichen einer vertrauensvollen Beziehung???
Nein! Nein und nochmals: NEIN!
Es zeugt von tiefstem Misstrauen - ja, sogar Angst - des Hundes gegenüber seinem Menschen.
(Ich bin froh, dass sich in all den Jahren keiner meiner Hunde vor mir in diese Pose begeben hat. Es hätte mich tief getroffen.)
3. Gänzlich ohne Korrekturen geht es in der Erziehung leider in den seltensten Fällen. Jedoch sollte eine Korrektur nie eine Sackgasse darstellen und immer einen Lösungsweg für den Hund aufzeigen.
Es ist beispielsweise völlig unnütz einen Hund jedes Mal auf den Rücken zu werfen und zu dominieren, weil er den Besuch anspringt.
Er springt den Besuch an, weil er einfach nicht gelernt hat, WIE er sich stattdessen bei Besuch verhalten soll. Will man dieses Verhalten nun mittels Alphawurf verändern, weiß er aber noch immer nicht, WIE er sich nun bei Besuch verhalten soll. Er hat noch immer keine Lösungsstrategie für diese Situation erlernt.
Zu wissen, dass irgenwas falsch war, aber nicht zu wissen, was in dieser Situation nun gewünscht und richtig wäre, schafft beim Hund enorme Unsicherheit evtl. sogar Angst, wenn das nächste Mal Besuch kommt.
Man stelle sich vor, man käme in einen anderen Kulturkreis, wo das Händeschütteln verpönt ist. In dem Moment, wo man seinem Gegenüber freundlichst die Hand geben will, bekommt man heftigst eine geballert.
Wüsste man jetzt, wie man sich bei der nächsten Begrüßung zu verhalten habe? Hätte man vielleicht sogar Angst vor der nächsten Begrüßung?
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn man zuvor erklärt bekommen hätte, wie man sich in diesem Kulturkreis angemessen begrüßt?
Genau so läuft modernes, zielorientiertes und faires Hundetraining!
Da ein Lebewesen sich nicht nicht verhalten kann, legt man ein (Verhaltens-)Ziel fest:
Ich möchte, dass meine Hunde ruhig neben mir sitzen, wenn mich jemand begrüßt oder Besuch kommt. Bevor ich sie in die Situation mit dem Besuch bringe, habe ich ihnen zuvor positiv beigebracht kurzzeitig ruhig neben mir zu sitzen. Sie kennen das gewünschte Verhalten.
Weichen sie dennoch davon ab, werde ich sie wieder ins Sitz bringen. Auch dies ist eine Korrektur, jedoch fair und lösungsorientiert. Zuvor erlerntes Verhalten wird eingefordert. Richtiges Verhalten lobe ich. Somit haben sie einen klaren Verhaltensrahmen. Dies gibt Struktur und Sicherheit - eben genau das Gegenteil von Unterwerfung!
4. Häufig wird das Argument gebracht, dass der Alphawurf für Hunde natürlich sei, da sie untereinander auch so kommunizieren würden.
Wir sind keine Hunde und unsere Hunde halten uns auch nicht für Hunde! Wir bilden auch kein Rudel, sondern einen Sozialverband artfremder Individuen.
Durch Jahrtausende währende Domestikation und Kooperation hat sich der Hund dem Menschen immer mehr angepasst und menschliche Kommunikationssignale interpretieren gelernt.
Wir haben im Gegenzug gelernt, seine Körpersprache zu interpretieren.
Würden wir versuchen auf hundesprachliche Art mit unserem Hund zu kommunizieren, scheitern wir schon an den einfachsten hundlichen Kommunikationssignalen. Trotz aller Mühe wird es uns nicht gelingen auch nur Ruten- oder Ohrenhaltung zu imitieren.
Umso abstruser ist es also, dass das auf den Rückenwerfen und zu Bodendrücken (was es in hundlicher Kommunikation in dieser Form gar nicht gibt!) noch heute von manchen Trainern als artgerechte und natürliche Erziehungsmaßnahme propagiert wird.
5. Der Alphawurf fokussiert allein das Fehlverhalten des Hundes und lässt keinen Raum für ein gewünschtes Alternativverhalten. Macht der Hund einen Fehler, dreht man ihn auf den Rücken. Die einzig mögliche Lernerfahrung des Hundes ist, sich bei einer Korrektur zu unterwerfen und passiv zu Verharren.
Das ist nirgends im Alltag hilfreich, wenn der Hund sich ständig bei jedem Fehlerchen auf den Rücken dreht, um seinen Besitzer wieder milde zu stimmen.
Damit wird der Gehorsam nicht zuverlässiger, der Hund nicht abrufbarer, die Leinenführigkeit nicht besser.
Er tendiert nur dazu sich öfter zu unterwerfen.
6. Erziehungsmethoden (wie der Alphawurf), die dem Hund nicht die Chance lassen, in ein gewünschtes Verhalten zu wechseln, zerstören die Möglichkeit auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Hund und Mensch.
Wie lange soll der Hund denn rumprobieren und rätseln, für welche Verhaltensweise er nicht aufs Härteste abgestraft wird? Wie lange wird er auf den Zufall hoffen, dass ein Verhalten situativ richtig war, wenn man ihm nichts beigebracht hat? Ist es dann nicht nur eine Frage der Zeit, wann sein Verhaltensrepartoir gänzlich verkümmert und er sich nichts mehr traut? Wie sieht es wohl psychisch in einem Tier aus, welches auf diese Weise in die erlernte Hilflosigkeit gezwungen wurde?
Er macht eben nichts mehr - somit auch keine Fehler.
Nur wer die Seele und Psyche des Hundes komplett ausblenden kann, wird sich mit einer Erziehung auf dieser Basis zufrieden geben. Grausam für den Hund!
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Von Kindesbeinen an gab es kein interessanteres Thema für mich als Hunde.
Seit fast 14 Jahren, ist dieses Thema nun sogar der Hauptbestandteil meines Lebens.
Neben der Erziehung zum alltagstauglichen Begleiter faszinierte mich besonders jegliche Form der Hundeausbildung.
Somit ist es nur logisch, dass ich mich tiefgründig mit verschiedensten Ausbildungs- und Erziehungsmethoden beschäftigt habe und noch immer beschäftige.
In 14 Jahren Trainertätigkeit bekam ich die Möglichkeit die Auswirkungen verschiedenster Ansätze der Erziehung und Ausbildung an tausenden Hunden zu beobachten.
Somit entwickelte sich, auf Wissen und Erfahrung durch Beobachtung basierend, unsere Trainingsphilosphie.
Weil ich früher leider erleben "durfte" (eher: musste), was die Erziehung mittels Alphawurf aus Hunden macht, lehnte ich dies von Anfang an ab.
Eine Korrektur OHNE ein zuvor erlerntes Alternativverhalten, ist Verrat an der Psyche des Hundes!
Derartige Erziehungsmethoden sind schlichtweg falsch und zeugen von absoluter Unkenntnis und mangelnder Methodenkompetenz.