29/03/2019
Babys wollen barfuß sein!
Dass größere Kinder und Erwachsene möglichst viel barfuß gehen sollen, um eine gesunde Fußmuskulatur aufbauen zu können und damit Fußfehlstellungen vorzubeugen, ist inzwischen allgemein bekannt. Wenn Schuhe unbedingt notwendig sind, sollten sie möglichst barfußähnlich sein, also dünn und flexibel.
Doch das Wissen, dass auch Babys von nackten Füßen profitieren, ist noch nicht sehr verbreitet.
Barfuß zu sein, bringt Babys auf mehreren Ebenen entscheidende Vorteile:
- Tastsinn
Babys verwenden ihre Füße noch viel aktiver als wir Erwachsene. So helfen sie beispielsweise auch mit den Beinen, Füßen und Zehen mit, wenn sie in Rücken- oder Seitenlage mit einem großen Ball o.ä. spielen. Der Tastsinn an den Füßen funktioniert nämlich genauso gut wie an den Händen - es sei denn, man lässt ihn durch ständiges Einpacken verkümmern.
"Mit Socken ist doch praktisch wie barfuß!", ist ein weit verbreiteter Irrtum. Socken wirken sich genau so aus, als würden wir ständig Handschuhe tragen. Bei den Füßen fällt es uns einfach nicht mehr auf, weil wir uns daran gewöhnt haben, ihren Tastsinn kaum zu benutzen.
- Körperwahrnehmung
Ein Baby muss seine Körperwahrnehmung erst entwickeln - es dauert mehrere Monate, bis es entdeckt, wo seine Füße sind und dass sie zu ihm gehören. Dann muss es sie begreifen, um sie immer besser spüren und verwenden zu können. Wie im ersten Lebensjahr üblich, erforscht es sie dazu nicht nur mit den Händen, sondern auch mit dem Mund, der besonders viele Nervenenden enthält.
Sind die Füße bedeckt, ist das nur sehr eingeschränkt möglich. Als Folge werden sie schlechter gespürt und sind in der Wahrnehmung weniger präsent - wieder genau so, als würden wir ständig Handschuhe tragen.
- Durchblutung
Socken, Strumpfhosen und Schuhe schränken die Durchblutung der Füße ein. Babys haben noch keine sehr ausgeprägte Ferse, sodass Socken entweder störend verrutschen, verloren gehen oder aber einschnüren. Abdrücke auf der Haut sind ein deutliches Zeichen dafür, dass das Kleidungsstück zu eng ist und die Durchblutung einschränkt. Dadurch werden die Füße oft kalt, sodass das "warme" Anziehen in Wirklichkeit kontraproduktiv sein kann. Am ehesten warm bleiben Füße und Zehen, die in Bewegung sind.
- Beweglichkeit
Barfuß können die Zehen problemlos gespreizt, gestreckt und gebeugt werden. Socken, Strumpfhosen und Schuhe üben immer einen gewissen Druck auf den Fuß aus und schränken damit die Beweglichkeit ein. Die Zehen werden z.B. zusammengedrückt. Selbst wenn es einem nicht bewusst ist, bewegt man die Gelenke der Füße und Zehen im angezogenen Zustand viel weniger als barfuß, wie Studien zu Kinderschuhen zeigen. Dadurch verkümmert mit der Zeit die untätige Fußmuskulatur bzw. kann sich bei Babys und Kleinkindern gar nicht erst richtig entwickeln.
Wenn Socken/Strumpfhosen/Schuhe dagegen überhaupt nicht einengen, sitzen sie so lose, dass sie verrutschen und in der Bewegung stören.
- Rutschfestigkeit
Nackte Füße haben den besseren Grip, vor allem, wenn es um das Abstoßen mit den Zehen oder dem Fußrand geht. Auf den Fotos sieht man gut, wie sich mein 7 Monate alter Sohn in jeder Position sicher abstützen kann, ohne wegzurutschen. Dabei geht es gar nicht nur um das Vorwärtskommen, auch beim Pivoting (Kreiseln in Bauchlage), Rocking (Wi**en im Vierfüßer) oder im Bärenstand (Stütz auf Händen und Fußsohlen) sollten Babys ihre Füße einsetzen können, ohne wegzurutschen.
Diesen "Rundum-Grip" können auch Antirutschsocken nicht in dieser Form bieten, ganz abgesehen von den Nachteilen in Bezug auf die Wahrnehmung.
"Aber mein Baby hat kalte Füße!"
Was dann? Hier gibt es mehrere Lösungswege.
- Am Rumpf wärmer anziehen.
- Stulpen/Babylegs anziehen. Kaufen, selber stricken oder Omas einspannen. Wenn die Unterschenkel warmgehalten werden, kühlen die Füße viel weniger aus.
- Darauf achten, dass Windeln und Hosen locker sitzen, ohne einzuengen (v.a. Bauch- und Beinbündchen). Sie schränken sonst nicht nur die für warme Füße notwendige Durchblutung ein, sondern auch die Beweglichkeit. Kleidung sollte weit und dehnbar sein - nicht ohne Grund strampeln Babys ohne Hose und/oder Windel viel mehr als mit. Uns Erwachsenen ist gar nicht bewusst, wie sehr Kleidung einschränkt, z.B. die Beweglichkeit der Hüftgelenke. Bewegung erzeugt Wärme und fördert nebenbei die motorische Entwicklung.
- Eine Matte auf den Boden legen (bitte keine Decke, darauf kann man sich sehr viel schwerer fortbewegen). Die Aufenthaltsdauer in Wi**en o.ä. auf ein Minimum reduzieren oder ganz streichen. In der Wippe sind Babys viel passiver, abgesehen von den Nachteilen durch die in der Regel halbsitzende Position, die für Babys, die sich noch nicht alleine aufsetzen können, generell nicht empfohlen wird.
- Kalte Füße bedeuten genau wie kalte Hände nicht zwangsläufig, dass dem Baby kalt ist. Es gibt auch Erwachsene, die immer kalte Hände und/oder Füße haben. Manche Babyfüße sind auch mit Socken kalt.
Man kann auch nicht unbedingt vom eigenen Temperaturempfinden auf das seines Kindes schließen. Meine Tochter zieht nach dem Heimkommen sofort Schuhe und Socken aus. Mir dagegen ist es ohne Socken zu kalt. Mein Sohn scheint noch hitziger zu sein als meine Tochter, weil er schneller schwitzt als sie in seinem Alter.
Die meisten Babys sind eher zu dick als zu dünn angezogen.
Selbst draußen kann ein Baby so lange nackte Füße haben, solange es auch keine Handschuhe braucht, denn die Füße sind bei Babys absolut mit den Händen vergleichbar, wie oben erklärt.
Als Elternteil muss man sich dann jedoch ein dickes Fell gegen die besorgten Einwände der Passanten zulegen - oder gleich ein Schild mit der Aufschrift "Nein, meinem Baby ist nicht kalt!" ;)
Also los, weg mit den Socken :D
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Copyright Text und Bild: Kathrin Mattes.
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