05/03/2024
Warum die Bauern in Österreich nicht demonstrieren? Oder tun sie es nun doch?
ein paar Gedanken dazu aus meiner Sicht ...
Demnächst wird es wohl auch in Österreich Bauernproteste geben. Gerechtfertigt sind sie allemal. Der wirtschaftliche Druck und die Belastung durch überbordende Bürokratie und immer neue schikanöse Auflagen, die mit Hausverstand keineswegs mehr nachvollziehbar sind, haben auch hierzulande doch schon längst ein unerträgliches Maß erreicht. Hinzu kommt die totale Handlungsunfähigkeit der zuständigen Politiker aufgrund innerparteilicher Interessenskonflikte mit dem Wirtschaftsflügel.
Die bisherige Zurückhaltung der heimischen Bauern wird von realitätsfernen Politikern wie Mikl-Leitner (Landeshauptfrau von Niederösterreich), Josef Moosbrugger (Präsident der Landwirtschaftskammern) oder Georg Strasser (Präsident des Bauernbundes) naiverweise als Zeichen von Zufriedenheit und Besserstellung gegenüber anderen europäischen Ländern gedeutet.
Das Gegenteil ist leider schon lange der Fall. Die Stimmung auf Österreichs Höfen ist dramatischer denn je. Überlastung, Überschuldung, Burnout, Betriebsaufgabe oder im schlimmsten Fall Suizid sind auch in heimischen Bauernfamilien immer öfter traurige Realität.
Verantwortlich für die lange anhaltende Ruhe vor dem Sturm in der Bauernschaft hierzulande ist meiner Meinung nach schlichtweg die Angst vor den Konsequenzen von eventuellen Protestaktionen für den Einzelnen: Kaum ein Land, in dem Standesvertretung, Verbände, Politik, verarbeitende Industrie, Handel und Banken derart verfilzt sind, wie in Österreich.
Wer protestiert und sich damit gegen dieses System auflehnt muss, wie die Vergangenheit leider immer wieder gezeigt hat, mit einigem rechnen: Probleme beim Vermarkten der Produkte über Lagerhaus, Molkerei oder Schlachthof, Schwierigkeiten mit der Hausbank, der Gemeinde, den Kollegen im Bauernbund, der Ortsbauernschaft und in sämtlichen Verbänden, Schikanen von Seite der Landwirtschaftskammer, der Veterinär- und Lebensmittelbehörde, von Naturschutzseite und natürlich durch die AMA. Die hohe finanzielle Abhängigkeit von Ausgleichs- und Umweltzahlungen, die größtenteils durch die AMA abgewickelt und kontrolliert werden, stellt für viele Betriebe einen sehr effektiven Maulkorb dar. Es ist inzwischen schier unmöglich geworden, eine unangekündigte Kontrolle aufgrund von Lücken oder Fehlern in den umfangreichen Aufzeichnungen und Unterlagen ohne gewisse negative Folgen zu überstehen. Der Druck der daraus erwächst ist inzwischen ein wesentlicher Faktor, der Betriebsleitern zunehmend quasi die Luft zum Atmen nimmt. Für Proteste fehlt diese Luft dann natürlich sowieso.
Nun scheint aber auch hierzulande das Fass mehr als voll zu sein. Die Bauern werden auf die Straße gehen. Die Protesterfahrung ist allerdings nicht in dem Maße vorhanden, wie in Ländern, die bereits seit 2019 auf der Straße sind. Es droht einerseits die Vereinnahmung durch die eine oder andere Partei, damit verbunden eine weitere Spaltung innerhalb der Bauernschaft. Andererseits könnte es angesichts der Medienberichterstattung schwierig werden, den notwendigen Schulterschluss mit der übrigen Bevölkerung zu erreichen.
Für einen Erfolg der Proteste wird es also essentiell sein, klare Botschaften und Forderungen aufzustellen und diese entsprechend aufbereitet in Richtung Medien und Mitmenschen geordnet zu transportieren. "Wir fahren jetzt mal los, weil´s uns endgültig reicht - und dann schau ma mal", wird vermutlich zu wenig sein. Auch utopische Forderungen die vielleicht momentan cool klingen wie "Stopp von Importen!" oder "Höhere Preise für alle!" bringen niemanden weiter.
Aus meiner Sicht gibt es 5 Punkte, die bei Umsetzung zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation der Landwirtschaft und darüber hinaus der Gesellschaft führen würden:
1. ONE EUROPE - ONE RULE: Einheitliche Regeln und Standards über alle Länder der EU.
2. EQUALITY: Importe in die EU müssen entlang der gesamten Produktionskette diesen Standards entsprechen. Und zwar in allen Belangen - auch in sozialen … Und sie müssen dann auch klar gekennzeichnet werden.
3. SHINE - PAY: Wer glänzen will, muss zahlen. Nationale Auflagen oder Auflagen des Handels über den EU Standards müssen inklusive Lohnansatz vollständig abgegolten werden!
4. ANTI DUMPING: Gesetzliche Reglementierung von Rohstoffeinkauf unter den Gestehungskosten
5. BURN BUREAUCRACY: Radikaler Bürokratieabbau auf allen Ebenen (z.B. Abgeltung "begrünter Tage" laut Satellitenbild anstatt Beantragung und Abgeltung verschiedener Kulturen, usw.)
Unglaublich wichtig für den Erfolg bevorstehender Aktionen wird es jedenfalls sein, unbedingt klaren Kopf zu bewahren. Die Existenzangst und Ausweglosigkeit vieler Bauern darf auf keinen Fall zu unüberlegten Aktionen führen. Derartige Missgeschicke, die zur Gefährdung von Leib und Leben führen können, wie die nicht gekennzeichneten Misthaufen gestern Abend auf der Schnellstraße in Deutschland, dürfen einfach nicht passieren. So etwas kann Bauern und Betriebe nämlich ganz schnell komplett ruinieren und die allgemeine Stimmung zum Kippen gegen die Anliegen der Landwirtschaft bringen.
Ich wünsche allen Kollegen jedenfalls alles Gute, einen kühlen Kopf und dass am Ende mehr bleibt als ein Misthaufen, über den sich alle ärgern!
Georg Doppler
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