21/06/2023
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Was bedeutet es eigentlich, sich für einen jungen Hund zu entscheiden?
Die größte Gefahr, mit der ein Welpe in seinen jungen Lebenstagen konfrontiert wird, ist vermutlich der Mensch selbst. Wir als Menschen, die entzückt von diesem unbeholfenen Knäuel sind und gleichzeitig einen Alltag weiterleben, der - wenn wir ihn unreflektiert und unverändert belassen - den jungen Hund schnell überfordern kann.
Auf der einen Seite möchten wir alles dafür tun, dass das neue Familienmitglied die besten Chancen hat, anzukommen. Auf der anderen Seite ist da unser Alltag mit seinen Bedingungen, in die das Fellkind hineinfinden soll. Meist viel schneller, als es ihm guttut.
Wir schauen darauf, was das Fellkind in naher Zukunft alles können muss, um unseren Alltag meistern zu können. Vergessen dabei aber oft, dass für unseren jungen Hund alles das erste Mal ist. Dass die erste Begegnung mit unserem Alltag beispielsweise nicht erst das Autofahren ist, der Spaziergang oder gar das Alleinsein. Die Begegnung mit unserem Alltag beginnt viel früher.
Und während wie unseren Fokus auf die Zukunft richten, Sorge haben, dass wir mit diesem oder jenem zu spät beginnen, ist die Gegenwart bereits da!
Das Anfassen, das Hochnehmen, die Geräusche, die unsere Schritte im Flur machen, das Verschwinden auf der Toilette, die anderen Familienmitglieder und so vieles mehr.
Unser junger Hund lernt. Und das ganz schnell!
Und wir? Wir machen uns bereits Gedanken darüber, wann unser Welpe am besten Sitz und Platz lernt und wie er möglichst schnell lernt mit anderen Artgenossen fein umzugehen. Bevor wir eigentlich verstehen, was sein Tempo ist, was seine Individualität ausmacht und was die Natur in der Entwicklung überhaupt vorgesehen hat. Bevor wir überhaupt realisieren, dass er bereits in seinem Tempo unterwegs ist, wenn wir ihn denn wirklich ließen.
Das Begrenzen, das Geschirranziehen, das Berühren durch alle möglichen Menschen, all das nehmen wir als gegeben hin. Doch schon da beginnt unser Alltag! Nicht erst dort, wo wir in unseren Gedanken so etwas wie Training vermuten. Unser Alltag ist bereits jeder Moment.
Und wenn es heißt, dass ein junger Hund möglichst viele gute Erfahrungen mit seinen neuen Menschen machen sollte, dann bedeutet dies, dass das nicht allein in den Momenten sein sollte, in denen wir uns das bewusst machen.
Ich las erst neulich davon, dass es wichtig sei, liebevoll mit dem Welpen umzugehen und das Vertrauen zu ihm nicht zu zerstören. Im gleichen Abschnitt folgte die Empfehlung bei Beißattacken des Welpen seinen Fang zuzuhalten und die Übung so lange zu wiederholen, bis er es verstanden habe. Beim Hineinbeißen in die Fesseln solle man sich abrupt zu ihm drehen und es würde meist schon reichen, den Welpen dabei anzuschauen.
What?
Ich glaube, ich habe ein anderes Verständnis von Vertrauen, das sicherlich nicht damit wächst, den Hund zu fixieren und bedrohlich auf den Welpen einzuwirken, der entwicklungstechnisch noch gar nicht in der Lage ist, Verhalten zu hemmen.
Kann es sein, dass wir über dem, was wir uns von unseren Hunden wünschen und verlangen, gerne mal die entwicklungsrelevanten Voraussetzungen und biologischen Programme ignorieren oder glauben, die biologische Entwicklung würde sich nach unseren Wünschen richten?
Unsere Hunde lernen so schnell. Auch ohne Kampf. Nämlich fair, bedürfnis- und entwicklungsgerecht.