18/02/2022
Schon bevor dein gewünschter Hund bei dir einzieht, sagen dir alle, dass du den aber richtig auslasten musst.
Mittlerweile kommt es dabei nicht mehr auf die Rasse an und ob der Hund aus einer Arbeitslinie stammt, oder nicht. Er muss auf jeden Fall gehörig ausgelastet werden. Mir ist bewusst, dass es die meisten einfach gut meinen und nach ihrem besten Wissen und Gewissen handeln. Zudem habe ich gerade gestern wieder den Hinweis zu diesem Thema einer aktuellen Hundeschule gelesen, in dem es hiess: «Den Hund richtig auslasten». Dabei ging es um Antijagdtraining, schnappen, zerkauen, Leinenziehen…alles was im Alltag mit einem Hund so vorkommen kann.
In meiner Praxis erscheinen ganz viele, komplett erschöpfte Hunde mit eben genau solchen Symptomen:
- jagen alles was nicht niet und nagelfest ist
- zerkauen die halbe Einrichtung, graben den Garten um
- schnappen
- sind hyperaktiv
- berührungs- und geräuschempfindlich
- können kaum drei Minuten auf einem Fleck liegen bleiben
- …
Nach studieren des Fragebogens und ausschliessen von gesundheitlichen Problemen wird meist recht schnell klar: sie kommen mit der Umwelt und ihren Reizen absolut nicht mehr zurecht. Die erste Frage der Besitzer ist vielfach: «Muss ich meinen Hund mehr auslasten?»
Vielleicht kennen einige von euch diesen Zustand, in dem man all seine inneren Ressourcen aufgebraucht hat und die Beine vor lauter Erschöpfung nicht mehr still halten kann.
Oder dieses kurz-vor-dem-ausrasten-Gefühl.
Oder dieses «fahrig» werden, keinen festen Griff mehr haben, auf Wolken gehen, nur noch so schnell wie möglich alles hinter sich bringen um dann irgendwo hinzufallen wie ein Sack Kartoffeln und dann doch keinen Schlaf zu finden.
Genau so geht es vielen Hunden und viele andere befinden sich auf den Vorstufen dazu. Und genau deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit in meinen aktuellen Seminaren solche Themen im Detail durchzugehen und auseinander zu pflücken.
Hier ein kleiner Einblick in ein Gebiet mit grosser (Aus-)Wirkung:
Hunde haben mit unserem Alltag vielfach schon recht viel zu tun, einfach indem sie mit uns zusammenleben. Sie können vor lauter Aktivität und Förderung nicht mehr herunterfahren. Sie sind erschöpft, ihre inneren Ressourcen sind erschöpft und sie kippen ins Rastlose und reagieren völlig entnervt auf alles in ihrem Umfeld.
Beobachtet man Strassenhunde in ihrem natürlichen Umfeld, merkt man schnell, dass da nicht wahnsinnig viel passiert.
Schlafen, Futter suchen, ab und zu Kontakt zu anderen machen und etwas herumschnüffeln, markieren, dösen, fressen, dösen, schlafen, dösen, schlafen.
Border Collies in Arbeitsverhältnissen sind auch ein schönes Beispiel:
Einmal in der Woche die Schafe umzäunen, dann wieder auf dem Hof herumstreunen und ab und zu ein Training.
Polizeihunde werden nach neusten Erkenntnissen optimaler Weise nach 15 bis 20 Minuten Sucharbeit ausgewechselt, da die Konzentration nachlässt.
Nun. Was kannst du damit anfangen?
Natürlich ist die richtige Auslastung ein Punkt, der individuell herausgearbeitet werden muss, denn manche Hunde brauchen zwar massiv weniger Bewegung, dafür ab und zu gezielt etwas für ihren Kopf.
Du kannst:
- alle aktivierenden Spiele wie Ballspielen und werfen, Frisbee, Zerrspiele, Wasserschnappen, alles was wild ist (…) langsam in kleinen Schritten bis auf null herunterfahren.
- das ständige Üben von Kommandos auf dem Spaziergang, auf ab und zu reduzieren. Hunde sind so intelligent, dass sie das sehr schnell kennen und können. Falls die Übungen nicht klappen, sind es eher andere Störfaktoren die dazwischenfunken. Falls du dem Braten nicht traust, kannst du die Kommandos ja auch anstatt leer in den Spaziergang, gezielt in den Alltag einbauen.
Vielleicht da, wo sie Sinn machen und zur Situation passen.
- Aufhören mit deinem Hund Rad zu fahren, Rollerbladen und zu joggen (auch da langsam herunterfahren).
Du kannst:
- die Spaziergänge grösstenteils langsam auf 2-3 x ca 20 Minuten am Tag herunterfahren (in der Länge angepasst auf Alter, Körperstruktur, Gesundheitszustand, Phase und Körpergrösse des Hundes). Wichtig dabei ist, dass du deinen Hund gut beobachtest und bei Bedarf die Zeit anpasst.
- dir mehr Qualitätszeit mit deinem Hund gönnen. Sich mal auf eine Bank oder Wiese setzten und einfach sein. Wie viele von uns Menschen können das? Kann es dein Hund? Ihr könnt es zusammen wieder lernen.
- dir zu Hause mehr Qualitätszeit mit deinem Hund gönnen.
- ab und zu ein Schnüffelspiel, sofern es deinen Hund nicht aufputscht: Schüffelteppich, Fährte schnüffeln, Futtersuche draussen
- ab und an (je nach Hund auch gern 1x pro Woche) auf eine Wanderung, eine grössere Aktivität oder einen längeren Spaziergang unternehmen. Aber auch da, beobachte deinen Hund gut und schau, ob er überhaupt der Typ ist dazu und ob es ihm Spass macht oder nicht.
- ohne deinen Hund auf einen Powerspaziergang gehen, wenn du eher der aktive Typ Mensch bist und richtig Bewegung brauchst.
Wichtig dabei ist, seinen Hund gut zu beobachten und bei Bedarf die Aktivitäten anzupassen. Und natürlich sollte man alles im Gesamtkontext betrachten.
*Anmerkung für Sport und Arbeitshunde: Da kannst du schauen, dass dein Hund genügend richtig gute Ruhephasen an den Tagen zwischen den Trainings und der Arbeit hat. Auch lohnt es sich sehr gut zu reflektieren, ob das der richtige Hund für diese Aktivität und Arbeit ist. Mit einem Hund zu arbeiten bedingt ein sehr gutes Beobachten des Zustandes, des Verhaltens, der Konstitution und das wahren seiner «Integrität» indem man ihn frühzeitig vom «Dienst suspendiert».
Solltest du dich für diese Themen im Detail interessieren könnten die Seminare «Das authentische Hunde ABC» und «Stressreduktion beim Hund» etwas für dich sein. Für genaue Infos stay tuned.
❤️Dina