04/05/2025
Ein toller Artikel von Eva Windisch zum Thema "Grenzen im Zusammenleben mit Hunden" und weshalb es unfair ist, von ihnen zu erwarten, dass sie den Sinn und Zweck von menschlichen Regeln verstehen. Und doch sind es wunderbare Wesen, die gelernt haben, sich in unser Leben mit all ihren Zwängen und Freiheiten zu integrieren und dabei auch die meisten unserer Regeln und Grenzen einzuhalten, die wir sie gelehrt haben.
Am erstaunlichsten an den ganzen Diskussionen zu diesem Thema ist für mich, dass gerade diejenigen, welche am lautesten danach rufen und Grenzen durch Korrigieren setzen, nicht respektieren, wenn Hunde das Überschreiten ihrer eigenen Grenzen durch Warnen zeigen. Stattdessen korrigieren bzw. bestrafen sie den Hund auch noch dafür.
Dabei lautet ein bekanntes Sprichwort doch nicht umsonst, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch zurück. Dann wundert man sich auch nicht, weshalb immer mehr Hunde mit Beissvorfällen im Tierheim abgegeben werden - denn während ein guter Trainer im Training mit aversiven Ansätzen vielleicht noch genau die Regeln einhält, die beim Strafen zwingend notwendig sind, ist dies bei der Mehrheit der Nachahmer nicht der Fall. Und so wird aus Korrektur und Grenzen setzen dann ganz schnell ein unfaires, teils gewaltvolles Verhalten gegenüber dem Hund, auf das er entweder irgendwann resigniert aufgibt oder sich eben hündisch zur Wehr setzt.
Deshalb ja, wie jedes Mitglied einer Gruppe, soll auch der Hund Regeln, die für ein gutes Zusammenleben notwendig sind, lernen dürfen. Die Frage ist halt einfach wie. Und ganz klar, das geht auch ganz ohne dass man den Hund erschreckt oder ängstigt. Und ja, irgendwo sind dem Hund auch Grenzen gesetzt. Aber dann kann man als Mensch immer noch vorausschauend handeln und den jagenden Hund zum Beispiel an die lange Leine nehmen. Dadurch hat er deutlich mehr Freiheit wie der Hund, der bei Fuss oder hinter dem Menschen gehen muss.
Müssen Hunde Grenzen kennen? Müssen Sie Regeln einhalten?
Unsere Hunde haben keinerlei Vorstellungen von unseren Regeln und Grenzen. Sie leben in einer Hundewelt, und in dieser Hundewelt ist alles was sie machen perfekt und richtig. Sie haben keine Vorstellung von unserer gesellschaftlichen Moral und Gesetzesgebung, keine Vorstellung von dem, was wir Menschen für richtig und falsch erachten, keine Vorstellung von Recht und Unrecht.
„Der weiß genau, dass er das nicht darf!“ prahlt der stolze Hundehalter.
Nein, er weiß es nicht, er weiß nur, dass sein Mensch ihn häufig schimpft oder straft und hat für sich den Rückschluß gezogen, dass ein Meideverhalten besser ist als unangenehme Konsequenzen.
„Dem müssen Grenzen gesetzt werden, der muss Regeln einhalten!“ Lieber Leser, bitte überschätzen Sie Ihr Tier nicht und bitte vermenschlichen Sie ihn nicht durch solche Sprüche. Es ist und bleibt ein Tier mit dem IQ eines zweijährigen Kindes (das ist nicht meine Erfindung, sondern wissenschaftlich erwiesen). Und ich setze sogar noch eines drauf: Mit dem Gemüt eines zweijährigen autistischen Kindes. Auch dieses lebt in seiner eigenen Welt, in der alles was es tut seine Richtigkeit hat. Aber mit zwei Jahren hat man auch noch keine Vorstellung wie ein perfekter erwachsener Mensch zu funktionieren hat, wie unsere Gesellschaft so tickt und was für Normen und Moralvorstellungen sie hat.
Die Grenzen die ein Hund einem anderen verdeutlicht ist lediglich: „Kommt mir nicht zu nahe, ich möchte nicht, dass Du meinen Individualbereich überschreitest!“ und „Dies ist meine Ressource, und ich bin bereit sie zur verteidigen!“
Nicht anders machen wir übrigens auch in unserem Leben.
Unsere Hunde erfahren einige Grenzen, nämlich dass sie gelegentlich an der Leine geführt werden, dass die Leine ein Ende hat, dass die Haustür zu ist, und dass der Garten einen Zaun hat, dass der Kühlschrank zu ist, die Futterbox nicht zu erreichen ist, und und und. Durch Trial and Error lernen sie für sich, wo und wie diese Grenzen sind. Aber das sind Grenzen, die wir ihnen nicht beibringen müssen, sondern das sind Erfahrungen, die unsere Hunde machen. Solche Erfahrungen machen sie ihr ganzes Leben lang, das müssen wir weder andressieren noch beibringen, noch üben. Auch wir machen viele Erfahrungen im Leben. Jeden Tag aufs Neue.
Und die erzieherischen Grenzen, die unseren Hunden ständig gesetzt werden, werden nie nachhaltig sein. Dass ein Hund nicht jagen geht, kann der Hundehalter per Leine, per Schleppleine oder per Rückruf erreichen, aber niemals kann er von einem Hund erwarten, dass dieser sich auf seine gute Erziehung besinnt und beschließt, dass Jagen in der Menschenwelt unmoralisch ist.
Dass ein Hund keine Leute anspringt, kann man wunderbar situativ per Rückruf regeln oder indem man die Leine kurz hält, wenn man sich mit jemandem unterhält, den der Hund üblicherweise anspringen würde. Alles was ein Hund macht, was man in dem Augenblick nicht möchte ist wunderbar per Rückruf zu regeln. Setzt man dem Hund damit eine Grenze? Situativ ja, aber das ist doch keine Erziehung oder ein Regelwerk sondern normales Handling im Alltag.
Jeder Hundehalter kann entscheiden, was er mit seinem Hund gerade vorhat. Grenzen setzen? Er kann entscheiden, ob sein Hund an der Leine einen anderen angeleinten Hund beschnüffeln darf. Aber die Grenze dazu, und dass dies ein NO GO ist muss der Hundehalter wissen, bzw. regeln. Oder dass er seinen Hund anleint, wenn ein anderer angeleinter Hund entgegen kommt. Diese Grenze muss der Hundehalter lernen und der Hundehalter muss wissen, dass der Hund solche Höflichkeiten nie verstehen und von alleine umsetzen wird, vor allem, wenn er das Interesse hat, diesen Hund zu beschnüffeln.
Wir müssen uns Grenzen setzen und abschätzen: „Wie komme ich mit meinem Hund in der Gesellschaft an?“ Was kann ich meinen Mitmenschen oder Mitgeschöpfen zumuten und was nicht. Ist es nicht vielmehr so, dass wir uns über das nicht umsichtigen Verhalten der anderen Hundehalter aufregen und nicht über deren angeblich „schlecht erzogenen“ Hunde?
Daher bitte seien Sie unsichtig, wenn Sie mit Ihrem Hund hinaus gehen, achten Sie liebevoll auf ihn und auf Ihre Mitmenschen, kennen Sie Ihre Grenzen im Umgang mit Ihren Mitmenschen, aber bitte erwarten Sie nicht, dass Ihr Hund (Ihre) Grenzen samt Ihrem Regelwerk auswendig kennt und aus eigener Initiative von sich aus befolgt.
In diesem Sinne, seien Sie ein achtsamer Hundehalter und stets freundlich und umsichtig im Umgang mit anderen.
Eva Windisch
Hundetrainerin, Hundeverhaltensberaterin, Hundepsychologin, Hund-Mensch-Coach
www.mithundensein.de
Tel.: 0177 2826344 (jederzeit kostenlose Beratung, damit ich mir nicht nach jedem Artikel die Finger wund tippen muss)
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