23/03/2023
Den Hund zur Strafe zu ignorieren, teilweise sogar stunden- oder tagelang wird nach wie vor von den meisten Hundetrainern und natürlich auch im TV-Hundetraining propagiert.
Mit dem angeblichen Effekt, dass der Hund dann scheinbar über seine „Sünden“ nachdenkt. Darüber nachdenkt, dass er mal wieder gegen das menschliche Gesetzbuch verstoßen hat.
Tja, die Vermenschlichung der Hunde kennt keine Grenzen. Und mit Vermenschlichen, meine ich mitnichten, einem domestizieren Tier, welches uns liebt und braucht, Zuneigung, Zärtlichkeiten, Liebe, Streicheleinheiten, Verständnis, Empathie und warme Worte zu geben. Sondern von einem Tier zu verlangen, sich wie ein perfekter Mensch zu verhalten. Wie ein gelehrter Hochschulprofessor mit Anstand, Moral und Sitte. Denn das kann ein Tier nicht. Das kann nur ein Mensch, der in diesem System lebt und gezwungen ist, sich systemkonform zu verhalten. Und dies auch nur, weil man es ihm erklärt hat und er die Ratio besitzt, dies nachvollziehen zu können.
Ich hoffe, dieser kleine Ausschweifer lässt Sie, lieber Hundehalter, verstehen, dass ein Hund in seiner Denke nicht nachvollziehen kann, dass wenn Sie ihn zur Strafe ignorieren, er im Vorfeld einen Fehler begangen hat.
Bitte bedenken Sie immer, dass die Verhaltensweisen Ihres Hundes, die Sie als Fehler bezeichnen, in der Welt des Hundes, die einzig richtige und vernünftige Verhaltenssweise in seiner Welt, in seinem Leben war. Denn sie war bedürfnisorientiert und dazu da, sein Leben, sein Überleben und seine Gesundheit zu schützen. Dahinter steckt kein Kalkül und kein Hinterhalt. Daher kann er niemals verstehen, dass Sie dieses Verhalten als falsch ansehen, und er wird nie verstehen, dass Ihr Ignorieren eine Strafe für etwas Vergangenes ist. Ein Hund lebt im Hier und Jetzt.
Jemandem, der einen ignoriert, dem kann man auf lange Sicht nicht vertrauen, sich ihm niemals hingeben. Denn wer blind, taub und stumm ist, der ist eigentlich nicht überlebensfähig, so lernt der Hund nur, weiterhin sein Handeln selbstbestimmt zu tätigen, auf sich und seine Sinne selber zu vertrauen.
Nun gibt es aber tätsächlich Situationen in unserem Alltag, bei denen wir nicht dauerpräsent für unseren Hund sein können, obwohl wir zusammen sind. Und ebenso im Zusammenleben mit unseren Sozialpartnern. Kleines Beispiel: Wenn mein Mann liest und ich ihn etwas frage, nimmt er es nicht wahr, so fokussiert ist er in diesem Moment. Er ist bei sich und bei dem was er gerade tut. Er ignoriert mich nicht. Denn Ignorieren ist etwas, was man willentlich tut, um dem anderen zu schaden. Bei sich zu bleiben ist nur eine Sache der Konzentration (genauso funktioniert übrigens Hypnose). Und diese steuert man nicht willentlich. Alle Sinne sind auf eine Sache gerichtet, man nimmt anderes nicht mehr wahr. Das Gegenteil davon ist Multitasking. Das können Hunde beispielsweise nicht. Männer in der Regel auch nicht. Das ist übrigens der Grund, warum man einen jagenden oder buddelnden Hund so gut wie nicht herrufen kann. Nicht weil er ungezogen ist, sondern weil er den Ruf nicht wahrnehmen kann.
Zur Sache: Sie haben zum Beispiel einen Hund, der sehr ungeduldig ist, der Sie drängt. „Schnell schnell, Frauchen! Vorwärts, Action! Jetzt muss doch was passieren! Ich bin doch gewohnt, dass es gleich losgeht! Party! Futter! Los!“ Solche oder vergleichbare Situationen kennen Sie sicher. Bleiben Sie doch in solchen Momenten mal bei sich und gehen Sie nicht darauf ein, aber nehmen Sie ihn dennoch wahr. Tun Sie das, was Sie gerade tun. Sich anziehen, essen, im Restaurant die Speisekarte studieren, nachdenken, den Abwasch machen, lesen. Beschäftigen Sie sich damit. Konzentrieren Sie sich, bleiben Sie bei sich. Denn mit jedem beschwichtigenden: „Nein, jetzt nicht, warte, gleich…“ sind Sie „im Gespräch" mit Ihrem Hund, ebenso wenn er bettelt, und Sie das nicht mögen. Solange Sie mit ihm endlos diskutieren, ist für ihn das Thema noch nicht vom Tisch, und seine Erregungskurve ist und bleibt oben. Und Sie nehmen diese unweigerlich auf. Kommen Sie innerlich zur Ruhe. Das dürfen Sie natürlich einleitend freundlich kommentieren. Und noch mal zur Erklärung: Es geht hier nicht um einen Hund, der in wirklich in dem Moment ein Problem hat, in Not ist oder negativ erregt ist. Um noch mal Missverständnisse vorzubeugen: Da ist zu 100 % Beistand Ihr gefragt.
Den Hund in so einem Fall zu ignorieren ist unfair. Aber es ist ihr gutes Recht, sich kurz auf etwas anderes zu konzentrieren zu dürfen. Damit sind Sie in den Augen ihres Hundes nicht gemein, nicht hart, nicht doof, sondern einfach nur abgelenkt.
Fazit: Ignorieren = Etwas GEGEN den anderen tun
Bei sich bleiben = Etwas FÜR sich tun
Eva Windisch
Hundetrainerin, Hundeverhaltensberaterin, Hundepsychologin, Hund-Mensch-Coach
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