03/02/2020
Eine immer wieder auftretende Frage bei der Ausbildung eines Pferdes lautet: “Warum ist der Schritt so störanfällig und wo kann ich ansetzen um dies zu korrigieren“.
Um zu verstehen, warum der Schritt so störanfällig ist, müssen wir erstmal verstehen wie der Schritt genau funktioniert.
Im Schritt haben wir diagonale Momente des Abfussens und gleichseitige (laterale) Momente des Abfussens. Das ganze ohne Schwebephase. Das bedeutet, dass unser Pferd zu jeder Zeit den Schritt verändern kann und zwar mehr in Richtung diagonaler Fußfolge oder mehr in Richtung lateraler Fußfolge. (Pass)
Wir müssen uns das wie folgt vorstellen:
Wenn ein Pferd mit dem Hinterbein der linken Seite nach vorne Tritt -in Richtung des am Boden stehenden Vorderbeins- und direkt hinter den Huf des am Boden stehenden Vorderbeins tritt, so ist die diagonale Bewegung nicht beeinflusst. Wir hätten theoretisch keine Laterale (also gleichseitige) Bewegung des gleichseitigen Beinpaares. Wenn nun aber das Hinterbein in oder über den Hufabdruck des Vorderbeins tritt, so muss das Vorderbein seinen Platz verlassen, bevor das Hinterbein wieder aufsetzt. In diesem Moment haben wir eine kleine Lateralverschiebung. Diese Verschiebung sollte genauso aussehen, dass das Pferd die Lateralverschiebung nur für diesen kleinen Moment nutzt und danach die Diagonale wieder vorherrscht. So haben wir einen korrekten Schritt.
Bei einer Passverschiebung verlängert sich der Moment des gleichseitigen Vorschwingens des gleichseitigen Beinpaares bis hin zum identischen Ab- und Auffussens.
Damit ein Pferd unter dem Reitergewicht sauberen Schritt auch in der Versammlung laufen kann, müssen verschiedene Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
1. Das Pferd muss über den Rücken laufen. Das kann es nur, wenn die Vor- und die Hinterhand zusammenarbeiten. Die Hinterhand muss in der Form nach vorne schwingen, dass der Schulterring -also die Muskulatur die den Rumpf zwischen den Vorderbeinen trägt- in der Lage ist, den Schwung aufzunehmen. Dieses „Nach-Vorn-Streben“ darf weder zu viel, noch zu wenig sein. Die korrekte Schrittlänge eines jeweiligen Pferdes erkennt man daran, dass der Rumpf zwischen den Schultern getragen wird und nicht nach unten durchfällt. Der Bauch pendelt dabei bei jedem Schritt leicht nach rechts und links. Weiterhin hält sich das Pferd in einer positiven Eigenspannung und sucht nach vorne eine Anlehnung an das Gebiss und damit an die fixierte und nicht rückwärtswirkende Reiterhand.
2. Das Pferd muss im Ansatz geradezurichten sein. Ein Pferd hat immer eine starke- und eine schwächere Diagonale. Es ist Ziel der Ausbildung, diesen Unterschied zu minimieren und unablässig für den korrekten „versammelten Schritt“.
3. Das Pferd muss gelernt haben, sich korrekt zu biegen. Oftmals hört man:“ um den inneren Schenkel biegen…“. Diese Formulierung ist meiner Ansicht nach irreführend, denn sie bewirkt, dass die Reiter -wenn auch unbewusst- den inneren Zügel verkürzen, den äußeren Zügel fixieren und mit dem äußeren Bein versuchen, die Kruppe auf der Spur zu halten oder sogar nach innen zu bringen. Richtig wäre aber, den inneren Zügel zu fixieren und durch geschicktes Nachgeben des äußeren Zügels und feinfühliges Treiben des inneren Schenkels das Pferd dazu zu veranlassen, die Muskulatur der äußere Körperhälfte beginnend mit dem Genick an das Gebiss heran zu dehnen. Sich also außen zu strecken ohne sich zusätzlich innen zu verkürzen. Wenn das Pferd dies tut, muss man sofort die Fixierung der inneren Hand lösen, um so die diagonale Hilfe (äußerer Zügel, inneres Bein) zu sichern. Was habe ich damit erreicht?
I. Ein Herandehnen an das Gebiss (kein Verkürzen der inneren Muskulatur durch unbewusstes Verkürzen des inneren Zügels)
II. Ein Öffnen der Ganasche der äußeren Seite (eine korrekte Stellung ohne Druck auf die innere Ganasche oder Ohrspeicheldrüse)
III. Ein Vorschwingen des äußeren Hinterbeines (kein Ausscheren nach außen)
IV. Die ersten Ansätze zur diagonalen Hilfengebung und somit zum Geraderichten des Pferdes.
Warum nun geht das Pferd aber Pass? Welche körperliche Reaktion ist dafür verantwortlich?
Pass ist ein Zeichen von Verspannung (gilt nicht automatisch bei Gangpferden).
Nun gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, bei einem Pferd ungewollte (und unerwünschte) Passverschiebungen hervorzurufen, die meistens aber aufeinander aufbauen:
1. Unbewusstes Verkürzen der inneren Körperhälfte des Pferdes auf gebogenen Linien. Dadurch entsteht eine Daueranspannung, die später zur Bewegungseinschränkungen führen kann. Ein Muskel kann nur durch den Wechsel von Anspannung und Dehnung arbeiten und wird auch nur so trainiert. Jegliche Form von Verkürzen führt zu einem Ausbremsen des jeweiligen Hinterbeines und somit zu einem Bruch in der schreitenden Schritt-Bewegung. Dadurch fällt der Rumpf zwischen den Schulterblättern durch und die freie Rückentätigkeit ist eingeschränkt. Eine Passverschiebung kann hier die Folge sein.
2. Durch diesen Fehler kommt kein Herandehnen an das Gebiss zu Stande. Das Pferd kommt nicht in eine Eigenhaltung durch eine positiv Eigenspannung. Es wird durch die Reiterhand in einer Form gehalten. Die Eigenspannung nimmt ab und das Pferd fällt im Rumpf zwischen den Schulterblättern durch. Auch hier kann eine Passverschiebung die Folge sein.
3. Wenn ich kein Herandehnen an den äußeren Zügel habe, sondern nur eine von der Hand vorgegebene starre Verbindung, so ist auch das Geraderichten über die diagonale Hilfe nur bedingt möglich. Ich kann also die ungleich starken Diagonalen des Pferdes nicht korrigieren. Eine Passverschiebung könnte hier ebenso die Folge sein.
Interessant ist, das es auch Pferde gibt, die trotz der oben aufgeführten Reitfehler keinen Pass gehen. Das liegt meines Erachtens an der guten Konstitution dieser Tiere. Sie bringen eine gute eigene Balance mit die wenig störanfällig ist oder haben ein extrem gutes Eigenes Tacktgefühl .
Sicher habe wir hier nicht alle Aspekte der Schrittproblematik aufgeführt, so hoffe wir aber das wir dem einen oder anderen einen Gedanken an die Hand gegeben habe der es ihm ermöglicht seine Schrittarbeit zu überdenken oder vielleicht zu verbessern.