30/04/2022
Gedanken zum Ausstellungsverbot und zur sogenannten Qualzucht
Die Hundewelt ist in Aufruhr- Anlass ist ein sogenanntes „plötzliches Ausstellungsverbot“ für Caniden, welche sogenannte Qualzuchtmerkmale ausweisen.
Hierin liegt schon bereits der erste Irrtum- so plötzlich und unerwartet kam die ganze Sache nämlich nicht; schon lange haben Tierschützer insbesondere die Brachycephalen und die Nackthunde im Visier.
Schon vor einiger Zeit bildete sich QUEN- eine evidenzbasierte Datenbank für zuständige behördliche Stellen, welche strukturiert bestimmte Informationen zur Verfügung stellt. Meines Erachtens nach, hätten Rassehundezuchtverbände bereits mit Veröffentlichung dessen in Alarmbereitschaft versetzt werden müssen.
Lange Zeit schon ist die Hundewelt gespalten- Tierschützer stehen vermeintlich auf der einen und Hundezüchter vermeintlich auf der anderen Seite; einigen wenigen ist es scheinbar nur möglich gut zusammen zu arbeiten, was per se sehr schade ist.
Nunmehr ist am nächsten Wochenende die Internationale Rassehundeausstellung in Erfurt geplant, einst ein international gefeiertes Event für Hundeaussteller aus aller Welt, wird es wohl dieses Jahr eher ein Trauerspiel werden.
Nahezu unmöglich zu erfüllende Auflagen wurden für Hundeaussteller erlassen, so dass Teilnehmer neben den Meldegebühren und steigenden Spritpreisen, begleitet von Hotelkosten, ihren Hund vor Eintritt zu den Messehallen noch einer umfangreichen tierärztlichen Untersuchung betreffend Qualzuchtmerkmalen zuführen müssen. Unterbleibt dies werden die Teilnehmer trotz bezahlter Meldegebühren am Einlass abgewiesen, so die Ankündigung.
Zu diesem Zweck wurden im Vorfeld umfangreiche Untersuchungsbögen an alle Aussteller versandt.
Doch was soll das, fragt sich der verständige Leser mit Recht ?
Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 10 TierschutzHundeVO.
Danach sollen Hunde von Ausstellungen, also dem öffentlich zur Schau stellen von Hunden, ausgeschlossen werden, wenn ihnen Körperteile, insbesondere Ohren oder Rute, tierschutzwidrig vollständig oder teilweise amputiert worden sind oder
bei ihnen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten, weiterhin mit Leiden verbundene Verhaltensstörungen auftreten, jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.
Entsprechendes gilt natürlich auch für sonstige Veranstaltungen, bei denen Hunde verglichen, geprüft oder sonst beurteilt werden.
Das klingt erstmal noch ganz harmlos.
Wenn Sie jetzt noch glauben, das betrifft nur die großen und internationalen Rassehundeausstellungen in Deutschland- so haben Sie weit gefehlt.
Selbstredend gilt dies auch für Besucherhunde an solchen, für sämtliche Sportveranstaltungen – sei es Agility oder Windhundrennen-/coursing.
So war es noch möglich, dass ein Hund, welcher beispielsweise unter Kryptorchismus litt, gleichwohl seiner Passion- nämlich dem Coursing, einer simulierten (Kunst-)Hasenjagd nachgehen konnte, dies ist nun nicht mehr möglich.
Ich, als leidenschaftliche Hobby- Züchterin von persischen Windhunden und Anwältin, frage mich wo ist der Mehrwert solcher fragwürdigen Regelungen.
Zunächst bleibt festzustellen, dass vorgenannte Norm per se zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthält.
Dies führt zwangsläufig dazu, dass jeder zuständige Amtsveterinär diese nach seinem besten Wissen und Gewissen anwenden und mithin auszulegen hat.
Dass hiermit Willkür und subjektivem Handeln Tür und Tor geöffnet werden könnten, liegt für mein Dafürhalten klar auf der Hand.
Was passierte in Erfurt?
Per se wurden beispielsweise alle Rassehundebesitzer von Caniden über 60 cm verpflichtet, auf Grundlage einer Allgemeinverfügung der Stadt Erfurt vom 20.04.2022, welche nach dem § 41 ThürVwVfG öffentlich bekannt gegeben wurde, eine bildgebende Untersuchung zum Ausschluss von Cauda Equina Syndrom, eine Kompression des Rückenmarks, und Spondylose, knöcherne Zubildungen der Wirbelsäule, durchzuführen, andernfalls dürften sie nicht an den Wettbewerben teilnehmen.
Was bedeutet dies? Es handelt sich hierbei um eine Untersuchung, welche ausschließlich anlässlich einer Vollnarkose durchgeführt werden kann.
Erlauben Sie mir die berechtigte Frage, welcher verantwortungsvolle Hundebesitzer lässt ansatzlos, also ohne dass mein Hund entsprechende Sypmtome zeigt, eine Vollnarkose an seinem geliebten Vierbeiner durchführen, ohne dass es hierfür einen begründeten Anlass gibt? Jedenfalls in meiner Rasse ist mir kein einziger Fall von Spondylose und Cauda Equina bekannt; ich lebe schon einige Jahre mit Salukis zusammen.
Allerdings ist mir bekannt, dass insbesondere Salukis ein erhöhtes Risiko ausweisen auf Vollnarkosen empfindlich zu reagieren, auch sind sie nicht mit jedem Narkosemittel kompatibel- ich wäre ein Narr würde ich meinen geliebten Hunden eine solche Untersuchung zumuten.
Dies führte dazu, dass nahezu sämtliche Aussteller meiner Hunderasse ihre Hunde zurückgezogen haben.
Hierzu sollte man wissen, dass der Saluki eines der ältesten und ursprünglichsten Rassen überhaupt ist. Dieser Hund ist zum Jagen gezüchtet, das Durchschnittsalter der Rasse liegt bei 11,5 Jahren – dies bei einer Rasse, welche eine durchschnittliche Größe zwischen 62-70 cm ausweist.
Hinzu kommt der Zustand, dass jeder Amtsveterinär in Deutschland individuell die genannte Regelung umsetzen kann- bedeutet für den Aussteller, dass das was für Erfurt galt, in Dortmund noch lange nicht gelten muss.
Gleichwohl verkenne ich nicht die Bemühungen des VDH an dieser Stelle, das Untersuchungssystem zu vereinheitlichen- ein gewisses Restrisiko bleibt jedoch, da die finale Entscheidung bei den Veterinärämtern liegt.
Ich frage mich daher durchaus, welcher durchschnittlich gebildete Mensch würde im monatlichen Abstand also zum MRT, Krebsvorsorge und Gentest spazieren?
Besonders hart getroffen hat es die Nackthunde und Brachycephalen.
Auch bei den peruanischen Nackthunden beispielsweise handelt es sich um eine ursprüngliche Rasse, welche seit Tausenden von Jahren in den Ursprungsländern (Peru) überlebt hat, plötzlich mit dem Import nach Europa, erleiden diese Hunde also einen Sonnenbrand? Mit Verlaub, das müsste Ihnen bereits beim Lesen einen Schmunzler in das Gesicht zaubern.
Fehlende Zähne werden als Qualzucht bezeichnet- ich frage Sie aufrichtig- wie viele Haus-oder Familienhunde sind Ihnen persönlich bekannt, die morgens und mittags die Haustür aufgemacht bekommen, um sich selbst ein Reh fangen zu dürfen und dies fachmännisch zerlegen müssen, um nicht zu verhungern?
Wahrscheinlicher ist wohl das Szenario, dass der moderne Haus- und Familienhund mit Dosen der Futtermittelindustrie aufgezogen werden, gleichwohl sich BARF mehr und mehr etabliert.
In Hessen jedenfalls ist dies verboten, dem steht nicht nur die HundeVO entgegen. Die praktische Relevanz ist daher verschwindend gering.
Auch die Brachycephalen muss man kritisch bewerten. Der VDH angeschlossene Zuchtverband hat die Defizite selbst erkannt und bereits seit Jahren die Zucht in die richtige Richtung gesteuert- so muss der Mops beispielsweise einen Belastungstest machen, dieser Belastungstest ist in aller Regel für den Besitzer die größere sportliche Belastung, nicht selten mangelt es diesen an Ausdauer, während der Hund selbst hoch motiviert am Ende des Tests regelmäßig auf weitere, lustige Aufgaben wartet.
Wenn Sie nunmehr glauben, es trifft nur brachycephale Rassen und Nackis, so seien Sie versichert- so ist dem nicht.
Auch die beliebten Rassen, beispielhaft sei der Golden Retriever genannt oder der Pudel, haben ebenso eine lange Liste Qualzuchtmerkmale.
Wenn Sie bis hierher noch gedacht haben, dass Sie das als einfacher Hundehalter mit dem Familienhund nichts angeht- weit gefehlt. Verstirbt ihr geliebter Freizeitpartner in einigen Jahren, sie suchen dann den Ihnen vertrauten und vielleicht befreundeten Züchter auf, so kann es gut möglich sein, dass es diesen Züchter schlicht nicht mehr gibt.
Ich verkenne nicht, dass man Tierquälerei absolut zu unterbinden hat; ich verkenne auch nicht die Mühen des Gesetzgebers.
Hier ist jedoch eindeutig die Verhältnismäßigkeit für die getroffenen Maßnahmen nicht gewahrt.
Wenn es das Ziel sein sollte, die gesunde Rassehundezucht zu fördern, so macht es keinen Sinn, an der kontrollierten Rassehundezucht der VDH Vereine die Stellschrauben anzusetzen.
Zum Verständnis muss man einmal die Welpenzahlen heranziehen.
Im Corona- Jahr 2020 wurden im VDH ganze 251 Mopswelpen geboren, im Jahr 2006 waren es noch doppelt so viele Welpen.
Geschätzt leben in Deutschland jedoch etwa 80.000 M***e jeden Alters. Dementsprechend gibt es eine große Population von M***en außerhalb dieser VDH Zuchtregularien. Man kann also ganz deutlich erkennen, dass der größte Teil von Mops-Welpen gerade nicht aus der VDH Zucht stammt, sondern vermutlich fern von kontrollierter Hundezucht stammt; also solcher Produktion, wo gerade kein Belastungstest und keine Gesundheitsuntersuchungen stattfinden.
Wir erinnern uns- sanktioniert durch das Ausstellungsverbot werden jedoch ausschließlich diese Hunde aus kontrollierter Verbandszucht, alle anderen dürfen mangels Verbandszugehörigkeit keine Schau besuchen.
Es werden also, wenn auch in allerbester Absicht, genau die falschen Züchter und Hunde bestraft und mit nicht nachvollziehbaren Auflagen sanktioniert.
Was erwartet uns in naher Zukunft?
Der Ausblick und die Geschwindigkeit, mit welcher die Regelungen förmlich durchgepeitscht wurden, lassen vermuten, dass das Ausstellungsverbot nicht das Ende sein wird.
Eingeholte Gutachten lassen erkennen, dass das Ziel wohl ein Zucht- und Haltungsverbot für Caniden mit Qualzuchtmerkmalen sein wird.
Daher ist es jetzt wichtig, dass man handelt, und zwar sofort, wenn wir nicht unsere geliebten Rassehunde aufgeben wollen.
Züchter sollten zusammenhalten und müssen gemeinsam gegen solch willkürlich anmutenden Verfügungen vorgehen; in Erfurt läuft noch immer die Rechtsmittelfrist bezüglich der vorgenannten Allgemeinverfügung.
Ein Widerspruch des Adressaten, also der Aussteller, lohnt in jedem Fall; gegebenenfalls sollte das Verfahren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden.
Durchaus muss man abwägen, ob die geforderte Untersuchung in Vollnarkose nicht eher ein Verstoß gegen § 17 des TierSchG darstellt, als dass es einen Nutzen hat.
Ich persönlich finde es äußerst bedenklich, dass ein Amtsveterinär fordert, dass ich eine lebensbedrohliche Handlung an meinem Tier vornehmen lassen sollte.
Hier heiligt der Zweck meines Erachtens nach definitiv nicht die Mittel.
Auch wenn es regelmäßig heißt formlos, fristlos, fruchtlos könnte jedoch eine Dienstaufsichtsbeschwerde der Züchter geboten erscheinen- insbesondere unter dem vorgenannten Aspekt, dass ich mich förmlich zur Vornahme einer strafbaren Handlung genötigt fühle, wenn ich meinen Hund auf einer Zuchtschau präsentieren möchte.
Diese unsäglichen Maßnahmen stellen nicht nur ein Problem für uns Züchter dar, so galt doch ein Championat durchaus als Qualitätsmerkmal für den Züchter und den Hund, auch ist man stolz auf seine Tiere; sondern es führt zu erheblichen Einbußen sowohl bei dem Landesverband im VDH- Thüringen.
So kann man das Gedankenspiel weiter fortführen- betroffen sind schließlich auch die Industriestände auf der Messe, welche mit deutlichen Einbußen der Einnahmen rechnen müssen.
Juristisch müsste man insoweit auch prüfen, ob dieser Eingriff nicht mein Recht der Berufsausübung unzulässigerweise einschränkt, zumindest soweit formal-juristisch auch gewerbliche Züchter betroffen sind; wie auch die Futtermittelindustrie; ein mögliches Zucht- und Halterverbot würde jedoch deutlich in mein Grundrecht Eigentum eingreifen- also auch hier gibt es zahlreich juristische Prüfungspunkte, die zu berücksichtigen sind.
Auch die Tierärzte gehen auf die Barrikaden- mit Recht, folgt man beispielsweise dem Blogger Tierarzt Ralph Rückert.
Die Reaktionen auf die Gesundheitsfragebögen der einzelnen Tierärzte waren bunt gemischt- gefordert wird schließlich nicht nur, dass Lumpi quietschfidel ist, sondern zum Teil fachtierärztliche Untersuchungen, die der Haustierarzt in der Regel nicht leisten können wird.
Ein MRT schlägt mal eben schnell mit 800,00 € und mehr zu Buche; zudem sind viele Untersuchungen zeitintensiv und rauben den Tierärzten die wichtige Zeit für die tatsächlichen Notf(e)lle. Viele Tierärzte leben in Angst und Schrecken, da sie die Folgen des Ausfüllens dieser Bögen weder juristisch abschätzen können, noch hierbei irgendeine Hilfestellung erhalten.
Nicht zuletzt wehre ich mich entschieden dagegen, dass die Züchter lange Zeit über Sinn und Inkrafttreten der Maßnahmen im Unklaren verblieben sind.
Subjektiv betrachtet fühlt man sich als Züchter tatsächlich ein wenig unter Generalverdacht gestellt- aber seien Sie gewiss, verehrter Leser- auch wir Züchter lieben unsere Hunde: wir verzichten auf Partys zu Silvester, weil wir unsere Hunde nicht alleine lassen. Wir verzichten auf Luxusurlaub in der Karibik aus Liebe zu unseren Fellnasen; bevor ich mir einen Mantel kaufe, lasse ich lieber einen Hundemantel anfertigen für meinen Hund. Wir bangen mit unserer Hündin bei jeder Geburt, schlafen nächtelang nicht und wachen über Mutter und Welpen; wir geben Geld für Tierarzt und Zubehör aus, bevor wir an uns selbst denken.
Die Lösung muss daher sein, dass handelnde Amtsveterinäre einen sinnvollen und rechtssicheren Leitfaden erhalten.
Unbestimmte Rechtsbegriffe müssen klar definiert werden; und zwar sinnvoll statt willkürlich. Es müssen dabei der Ursprung und die Verwendung einer jeden individuellen Rasse hinreichend berücksichtigt werden, statt pauschalisiert tierschutzwidrige Maßnahmen zu fordern; es sollten Statistiken erhoben werden anhand der rassespezifischen Defizite und Stärken.
Auch wenn die Regelungen derzeit unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, bedeutet dies jedoch nicht, dass Amtsveterinäre sich in einem rechtsfreien Raum bewegen, ebenso wie Züchter.
Entscheidungen müssen individuell getroffen werden; nicht pauschal beispielsweise alle Hunde über 60 cm müssen zur bildgebenden Untersuchung. Ein Saluki ist wohl kaum vergleichbar mit einer Deutschen Dogge, so dass diese Pauschalisierung in der Quintessenz völliger Nonsens ist.
Eine kritische Beachtung sollten daher die anstehenden Maßnahmen erfahren.
Wir werden sehen, unter welchen Voraussetzungen zukünftig Ausstellungen und Sport möglich sein werden, auch sollten wir der Zucht und Haltung ein besonderes Augenmerk schenken.
Unabhängig von den vorgenannten Beispielen, hat die Umsetzung der Vorschriften auch nicht unerhebliche Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Kynologen weltweit.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit