
16/12/2024
Interessante Darlegung...
WAS TUN BEI EINER HUNDERAUFEREI?
Eine Hunderauferei erlebt fast jeder Hundehalter irgendwann im Verlauf seines Hundehalterdaseins, denn in unseren dicht besiedelten Wohngegenden treffen zwangsläufig immer wieder Hunde auch ohne Leine aufeinander und die Natur hat es eben nicht als normal vorgesehen, dass vor allem sich gegenseitig fremde, erwachsene Hunde des gleichen Geschlechts, seltener auch des anderen Geschlechts, tolerieren. Ethologisch betrachtet sind diese Konkurrenz, Rivalen um knappe Ressourcen, um Paarungspartner, Territorium, Futter…, die eben deshalb nicht zwingend geduldet werden. Zwar gibt es zum Glück auch immer wieder Hundeindividuen, die Artgenossen grundsätzlich erstmal freundlich oder zumindest neutral begegnen, aber dies kann eben nicht von jedem Hund erwartet werden – wie sich das Verhalten nach der meist noch neugierig-freundlichen Junghundezeit entwickelt, ist abhängig von Erfahrungen, Sozialisation, aber auch Genetik und individuellem Charakter. Und auch zwischen Hunden, die bislang immer gut miteinander auskamen, kann es irgendwann mal aus verschiedenen Gründen zu Streit, zu einer kämpferischen Auseinandersetzung kommen.
Aggression gehört zum hündischen Normalverhalten und es handelt sich insofern erstmal in keinster Weise um eine Verhaltensstörung, wenn ein Hund mit anderen rauft, sondern eben nur um ein (uns) störendes Verhalten.
Weil wir Hundehalter aber ja mit den Folgen leben müssen: unser oder der andere Hund könnte mehr oder weniger stark verletzt werden, was Schmerzen, Tierarztbesuch, Kosten, psychische Belastung von Hund und Halter nach sich zieht, und weil wir als souveräner Anführer in der Hund-Mensch-Gruppe auch für den Schutz unseres Vierbeiners zuständig sind, sollten wir immer bemüht sein, Hunderaufereien zu vermeiden oder schnellstmöglich zu beenden. Das ist aber gar nicht immer so einfach und 0815-Ratschläge insofern schwer zu erteilen.
Hunderaufereien sind so unterschiedlich wie unsere Hunde selbst und deshalb kann und werde ich in diesem Artikel das Thema sicher nicht abschließend behandeln können, nur die häufigsten Formen, Gründe und Lösungsansätze aufzeigen wollen.
Als erstes nun mal zur Prävention. Der einfachste Tipp ist sicher, Hunde, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sie sich verstehen oder zumindest tolerieren, nicht zusammenkommen zu lassen. Erwachsene Hunde mit abgeschlossener Sozialisation brauchen keine aufgezwungenen Kontakte zu ihnen fremden anderen Hunden, denn zum einen ist der Mensch bevorzugter Sozialpartner des Haushundes und zum anderen reichen Kontakte zu einigen wenigen Hundekumpels, die der Hund idealerweise seit der Welpen-/Junghundezeit kennt, völlig aus.
Die Leine ist hier das probate Hilfsmittel, bei frei heranlaufenden Hunden kann ein Abschirmen des eigenen Hundes und körpersprachliches Wegschicken des fremden Hundes funktionieren.
Ist der Hundekontakt zweier Hunde nun aber bereits hergestellt, aus welchen Gründen auch immer, gibt es immer noch viele Maßnahmen, um Spannung herauszunehmen und Konflikten so möglicherweise vorzubeugen. In diesem Fall die Leine abzumachen oder fallen zu lassen, ist eine davon. An der - möglicherweise sogar noch strammen - Leine agieren die meisten Hunde schneller aggressiv, weil sie sich zum einen in ihrer natürlichen Kommunikation eingeschränkt fühlen, weil die gespannte Leine eben auch Spannung überträgt und weil sie durch die Nähe des Besitzers entweder den Eindruck haben, mit dessen Rückhalt agieren zu können oder diesen gegen den anderen Hund abschirmen und verteidigen wollen. Deshalb macht es auch immer Sinn, bei zwei sich frei gegenseitig abcheckenden Hunden erstmal ein paar Meter aus der Situation herauszugehen, nicht direkt neben den Hunden stehen zu bleiben.
Aber zurück zum Abmachen der Leine: natürlich ist diese Maßnahme nur sinnvoll, wenn die Umgebung einigermaßen gefahrenfrei ist. Neben einer vielbefahrenen Straße beispielsweise ist die dann eintretende Gefahr für den Hund natürlich deutlich höher als die durch eine angeleinte Hunderauferei. Und man sollte im Kopf haben, dass es leider auch Fälle gibt, in denen dann freigelassene Hunde panisch vor dem anderen Hund davonrennen und auf der Flucht zu Tode kommen.
Wenn es nun allerdings bereits soweit ist, die Hunde in eine Rauferei verwickelt sind, gibt es auch hier noch massive Unterschiede, die natürlich in die eigene Handlungsentscheidung einbezogen werden müssen.
Aber halt: gibt es das überhaupt? Eine eigene Handlungsentscheidung in derartigen massiven und abrupt entstandenen Stresssituationen für uns Besitzer?
Meine Meinung und Erfahrung: nur sehr bedingt! Wie wir nun agieren, hängt in erster Linie von unserem Charakter ab, unseren Erfahrungen, unserer eigenen Sozialisation. Deshalb sind alle guten Tipps für die Situation eigentlich nur eingeschränkt hilfreich. Ihr werdet ohnehin völlig instinktiv und impulsiv so reagieren, wie es euch eben eure Persönlichkeit vorgibt. Der eine steht in Schockstarre daneben, der andere beginnt panisch zu schreien, der dritte kann gar nicht anders als auch unter der Gefahr eigener Verletzung ins Getümmel zu greifen und die Raufbolde mit eigener Kraft zu trennen. Ich selbst bin, zumindest wenn mein eigener Hund involviert ist, eher der Typus „reingreifen und trennen“. Gottseidank ist mir dabei noch nie etwas passiert, ob das nun schlicht Glück war, eine gewisse Rest-Rationalität, wo ich gefahrarm hingreifen kann und wo eher nicht oder funktionierende Reflexe, weiß ich nicht so genau. Sicher ist, dass Hunde in dieser Situation nicht mehr wirklich unterscheiden, wo sie genau reinbeißen…in den Nacken des Kontrahenten oder Hand/Fuß eines Menschen, der ebenfalls noch mitmischt.
Aber zurück zu möglichen Handlungsoptionen, denn ich möchte euch ja zumindest Wissen an die Hand geben, was in welcher Situation angemessen und hilfreich sein könnte und was eher nicht. Denn auch Wissen fließt in die eigenen Impulse und Reflexe ein, vielleicht hilft es euch insofern ja weiter.
Sind noch mehr Hunde als die zwei Kontrahenten vor Ort, ist die erste Regel, diese zu sichern, anzuleinen und vom Kampfgeschehen fernzuhalten. Denn sehr oft würden sie frei ebenfalls in die Auseinandersetzung einsteigen, was natürlich ungut ist, den Streit anheizt und die Verletzungsgefahr erhöht.
Dann muss man wissen: Kampf ist nicht gleich Kampf. Die harmloseste und auch am ehesten zu unterbrechende Variante ist der sogenannte Kommentkampf, meist unter Rüden, besonders im frühen Erwachsenenalter. Hier gilt das Motto: viel Lärm um nichts – oder zumindest um wenig. Ziel der Hunde ist, sich gegenseitig zu beeindrucken, Rang und Status zu klären, ohne aber das Gegenüber tatsächlich zu verletzen. Die Hunde gehen zumeist lautstark aneinander hoch, man sieht Luftschnappen, oder maximal Ins-Fell-Beißen, ohne wirkliche Beschädigungsabsicht. Eine solche Situation bekommen Rüden oftmals auch ganz allein geregelt. Sieht man die Situation nicht in einen Ernstkampf kippen, was natürlich passieren kann, darf man hier auch einfach mal zuschaun, ob die Hunde in kurzer Zeit selbst zu einer Lösung kommen und sich, meist sich schüttelnd, scharrend und noch knurrend, voneinander lösen können. Falls einem Zuschauen nicht liegt, das Kräfteverhältnis sehr ungleich ist oder eben keine eigenständige Lösung in Sicht ist, kann hier einiges helfen, die Hunde zu trennen:
Meist wird geraten, bei Raufereien die Hunde nicht anzuschreien mit der Aussage, dies würde die Hunde nur anfeuern. Aus meiner Erfahrung ist ein gezielt und laut eingesetztes Abbruchkommando vor allem gegenüber dem Streitstifter, sofern klar ist, wem diese Rolle zukommt, zumindest bei intakter Hund-Mensch-Beziehung mit gutem autoritativem Verhältnis durchaus oft von Erfolg gekrönt. Ein Hund, der gelernt hat, sich Dinge verbieten zu lassen, ggf. auch unter höherer Reizlage, reagiert häufig auch im Hundestreit auf eine deutliche Ansage seines Besitzers.
Weglaufen und die Hunde zu sich rufen, kann ebenfalls funktionieren, auch Wasser ist eine Option, gezielt auf die Köpfe der Streithähne geschüttet oder gespritzt. Eine Decke oder ein Mantel, über die Köpfe der Hunde geworfen, kann auch so viel Verwirrung stiften, dass sie voneinander ablassen. Ob und wann man in den Streit hineingreift, den eigenen oder auch fremden Hund eher im hinteren Körperbereich packt, muss man situativ entscheiden. Wichtig zu beachten ist hierbei, wie schon geschrieben, dass die Gefahr besteht, selbst verletzt zu werden und dass man eben nicht gerade dann am Hund ziehen sollte, wenn er sich in den anderen verbissen hat, denn durch das Reißen des Menschen werden dann unter Umständen erst recht klaffende Wunden verursacht. Bei einem Kommentkampf würde ich hiervon deshalb eher abraten.
Anders sieht es aus bei einem Ernstkampf. Ein Kommentkampf kann in einen solchen kippen und es gibt auch Situationen, in denen sich sofort ein derartiger Ernstkampf entwickelt. Insgesamt sind Ernstkämpfe unter Haushunden aber sehr selten. Ziel der Hunde hierbei ist das Beschädigen, Eleminieren des Gegenübers, ein solcher Kampf kann insofern bis zum Tod eines Kontrahenten gehen. Woran erkennt man einen Ernstkampf? Gefährlich wird’s, wenn’s leise wird: die Hunde versuchen sich hier nicht mehr, mittels Drohen, Imponieren, Lautstärke, ritualisierten Kampfhandlungen, Zähnezeigen und Luftschnappen zu beeindrucken, sondern gezielt und beschädigend in möglichst verletzbare Körperteile zu beißen. Es wird hier nicht mehr kommuniziert. Der Unterlegene versucht auch nicht mehr durch Unterwerfung zu beschwichtigen, sondern sich durch Gegenwehr oder Flucht zu retten.
Hunde in einem Ernstkampf zu trennen, kann sehr, sehr schwierig sein. Oben beschriebene Maßnahmen funktionieren hier kaum mehr. Besonders, wenn die Hunde sich ineinander verbissen haben, braucht es einen enorm kühlen Kopf und auch große Entschlossenheit, um wirksam agieren zu können. Ob man dazu in der Lage ist, lässt sich nicht im Vorfeld sagen.
Was kann man noch tun? Sind beide Besitzer Herr ihrer Emotionen und handlungsfähig, kann man sich absprechen, beide Hunde gleichzeitig an den Hinterbeinen zu packen, erst einmal kräftig wie eine Schubkarre aufeinander zuzubewegen, was im Idealfall dazu führt, dass sie kurz verwirrt loslassen und sodann gleich nach hinten auseinanderziehen. Dass es in einem kämpfenden Hundeknäuel beileibe nicht so einfach ist, 4 Hinterbeine gleichzeitig zu fassen zu bekommen, dürfte selbsterklärend sein.
Hat sich ein Hund in Tötungsabsicht in den Halsbereich des anderen verbissen, hilft nur noch, diesem zu versuchen, die Luft abzuschnüren, mittels eines Gegenstandes, den man ins Halsband schiebt und so lange dreht, bis das Halsband sich um den Hals zuzieht. Oder bei Fehlen eines Halsbandes mittels eines Stricks, einer Leine, eines Gürtels dasselbe zu tun. Das Maul mit einem Stock aufzuhebeln, könnte sodann ebenfalls noch eine Option sein.
Das klingt nun alles sehr brachial und erschreckend. Deshalb nochmal zu eurer Beruhigung: Die häufigste Kampfvariante ist definitiv der Kommentkampf, Ernstkämpfe machen nur einen kleinen Prozentsatz aus.
Noch ein paar Worte zu den Hündinnen: Diese geraten deutlich seltener miteinander in Streit. Kommentkämpfe gibt es nur vereinzelt, eher kommt ein gegenseitiges „Anzicken“ oder bei toughen Hündinnen auch mal ein Mobben einer anderen Hündin vor, was meist recht schnell beendet ist, besonders, wenn der Besitzer durch Wegrufen oder deutlichem Verbot Einflussmöglichkeit auf seine Hündin hat.
Sollten Hündinnen tatsächlich aber miteinander in Streit, in eine richtige Rauferei geraten, ist diese meist schnell heftig, durchaus auch mit Beschädigungsabsicht. Gefühlt geht es bei Hündinnen in der Rivalität eben um sehr Wichtiges, die eigene Nachkommenschaft, deren Aufzucht extrem hohen Einsatz der Hündin verlangt. Hündinnen, die einmal miteinander gerauft haben, werden, anders als Rüden, danach auch kaum mehr miteinander verträglich sein.
Dass der oft gehörte Rat „die machen das unter sich aus“ nur sehr eingeschränkt zielführend ist, dürfte nach den geschilderten Szenarien klar sein. Denn natürlich tun Hunde genau dies. Allerdings eben mit Konsequenzen, die uns nicht immer recht sind, mit unerwünschten Lern- und Sozialisationserfahrungen oder auch mit körperlichen und psychischen Schäden für einen oder beide der Kontrahenten, im schlimmsten Fall sogar mit Todesfolge.
© Angelika Prinz; Rundumhund-Ostalb
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(P.S.: das Bild zeigt KEINE Rauferei, hier handelte es sich lediglich um wildes Spiel)