13/12/2023
Fremdkörper bei Hund und Katze: erhöhtes Risiko in der Weihnachtszeit
(von Nicola Rinn, Tierärztin, Redaktion Vets online)
Die Aufnahme von Fremdkörpern sowie Verletzungen durch diese sind bei Hunden und Katzen häufige Vorstellungsgründe in der Tierarztpraxis. Während der Festtage stellen Weihnachtsschmuck, Geschenkverpackungen oder Lebensmittel eine erhöhte Gefahr dar. Die Symptomatik sowie der Schweregrad einer solchen Fremdkörper-Aufnahme zeigen sich variabel.
Die Aufnahme bestimmter Gegenstände stellt für Hunde und Katzen eine erhebliche Gefahrenquelle dar. Vor allem in der Weihnachtszeit wecken glitzernde oder schmackhaft riechende Objekte das Interesse des Tieres – nicht selten mit Folgen.
Ratsam ist es, vor allem während der Festtage, diese Risikofaktoren im Blick zu haben. Es ist empfehlenswert, die Symptomatik nach einer Fremdkörper-Aufnahme zu kennen und sich über diagnostische Verfahren sowie geeignete Therapieoptionen zu informieren, da dies ein häufig vorkommender Vorstellungsgrund in der Praxis und Klinik ist.
Ursachen einer Fremdkörper-Aufnahme: Gefahrenquellen in der Weihnachtszeit
Fremdkörper unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, Form und Beschaffenheit. Nicht selten sind es junge, unerfahrene Hunde und Katzen, die durch eine Fremdkörper-Aufnahme oder eine Verletzung durch diese, in der Tierarztpraxis vorgestellt werden. Neugierde, Spieltrieb sowie ein ausgeprägter Appetit sind oftmals Auslöser für eine Kontaktaufnahme mit einem Fremdkörper. Häufige Gefahrenquellen während der Festtage sind:
Baumschmuck und Weihnachtsdekoration:
Insbesondere Katzen empfinden fadenartige Strukturen als interessant. Während des Spielens kann es zur Aufnahme von beispielsweise Lametta-Fäden kommen, die sich dann in der Maulhöhle verankern.
Bei Weihnachtsdekoration in Bodennähe, zum Beispiel Krippenfiguren oder Teelichter in Aluminium-Schalen, besteht eine erhöhte Gefahr, dass diese angeknabbert oder verschluckt werden.
Weihnachtskugeln können als Ganzes aufgenommen werden oder zerbrechen und zu Verletzungen von Schleimhäuten im Zuge der Aufnahme führen. Zusätzlich besteht das Risiko von Schnittwunden an den Pfoten.
Verpackungen von Geschenken und Lebensmitteln:
Geschenke, die mit Geschenkband umwickelt sind, stellen ein weiteres Risiko dar. Verschluckt eine Katze oder ein Hund Geschenkband, kann es sich im Rachenraum verankern und während der Passage durch den Magen-Darm-Trakt Einschnürungen verursachen. In Aluminium-Folie umwickelte Weihnachtsmänner aus Schokolade oder scharfkantige Plastikverpackungen von Lebensmitteln stellen ebenfalls eine Gefahr dar.
Das Festtagsessen:
Rouladen-Nadeln, Zahnstocher von Käsewürfeln oder Knochen von Fleischzubereitungen – das Festtagsessen kann in der Weihnachtszeit hinsichtlich einer möglichen Fremdkörper-Aufnahme für das Haustier ein erhebliches Risiko darstellen.
Insbesondere Knochen von Geflügel neigen zu einer Zersplitterung sowie die Teilung in einzelne Knochenfragmente. Das Verschlucken und eine daraus resultierende Obstipation sowie das Verletzen der Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts sind eine mögliche Folge.
Die Symptome: Anzeichen einer Fremdkörper-Aufnahme
Die Symptomatik unterscheidet sich insbesondere darin, welches Organsystem betroffen ist. Abhängig von der Art, der Größe sowie der Verdaulichkeit des Fremdkörpers sind die Symptome hinsichtlich ihrer Ausprägung und ihrer Intensität variabel.
Fremdkörper des Verdauungsapparats
Kleine Fremdkörper passieren oftmals die Magen-Darm-Passage und eine selbstständige, symptomlose Ausscheidung ist möglich. Ist dies aufgrund der Größe und Beschaffenheit des Fremdkörpers nicht möglich, offenbaren sich hingegen Beschwerden.
Verankert sich ein Fremdkörper im Bereich des Oesophagus, zählt anhaltendes Regurgitieren zu den klinischen Hinweisen. Vermehrtes Schlucken, Schluckbeschwerden oder Hypersalivation sind ebenfalls hinweisend auf einen oesophagalen Fremdkörper.
Handelt es sich beim Fremdkörper um eine fadenartige Struktur, besteht die Gefahr, dass sich diese in der Maulhöhle, insbesondere im Bereich des Zungenbändchens, verankert. Hunde und Katzen versuchen sich durch auffallend häufiges Schlucken oder aber wiederholtes Würgen des Problems zu entledigen. Der Magenausgang stellt eine weitere Engstelle dar, an welcher sich fadenartige Fremdkörper verankern können.
Bei einer Fremdkörper-Aufnahme im Bereich des Magen-Darm-Traktes sind folgende Symptome möglich:
akutes Erbrechen (insbesondere unmittelbar nach der Futter- oder Wasseraufnahme)
mehrmalig, hintereinander auftretendes Erbrechen
verringerter Appetit bis hin zu einer vollständigen Futterverweigerung
Beschwerden beim Kotabsatz
abdominale Schmerzen mit Schmerzäußerungen im Zuge einer Palpation
Fremdkörperbedingte Einschnürungen und Obstruktionen einzelner Darmabschnitte bei einer Passage des Fremdkörpers durch den Magen-Darm-Trakt können zu vollständig fehlendem Kotabsatz oder auch Diarrhoe führen.
Erhöhte Körpertemperatur und ein schlechtes Allgemeinbefinden deuten auf eine erhebliche Beeinträchtigung durch den Fremdkörper hin. In akuten Fällen kann das Tier beispielsweise aufgrund von Invaginationen von Darmschlingen und Blutgefäßen in einen Schockzustand geraten.
Bei scharfkantigen Materialien besteht das Risiko von Verletzungen im Bereich von Schleimhäuten, wie der Maulschleimhaut oder der Darmschleimhaut. Blut im Erbrochenen oder im Kot können auf eine solche Verletzung hindeuten.
Fremdkörper des Respirationstrakts
Neben dem Magen-Darm-Trakt kann durch das Einatmen von beispielsweise Tannennadeln auch der Respirationstrakt, insbesondere die Nase, betroffen sein. Dies äußert sich meist durch vermehrtes Niesen, Husten oder Nasenausfluss.
Ursprünglich oral aufgenommene Fremdkörper können auch im Zuge von Erbrechen oder Regurgitieren in die Nasenhöhlenabschnitte gelangen. Rückwärtsniesen sowie eine röchelnde Atmung sind eine mögliche Folge. Bei bronchialen Fremdkörpern ist das Auftreten von Atembeschwerden sowie Reizhusten, der sich in Form eines chronischen Hustens manifestiert, möglich.
Neben der Aufnahme von Fremdkörpern besteht ebenso eine Verletzungsgefahr durch scharfkantige, zerbrochene Gegenstände. Mögliche Folgen sind Schnittwunden am Pfotenballen oder im Zwischenzehenbereich.
Diagnostisches Vorgehen bei Fremdkörper-Verdacht
Im Fokus der Diagnosestellung bei einem vorliegenden Fremdkörper-Verdacht steht eine ausführliche Anamnese mit einer Beurteilung der Symptomatik. Bildgebende Verfahren sind für eine Manifestation der Diagnose Mittel der Wahl.
Die beschriebene Symptomatik ist oftmals hilfreich, um den Fremdkörpers besser zu lokalisieren. Neben dem Allgemeinzustand des Tieres, liefert eine Palpation von möglich betroffenen Organen Hinweise.
Diagnosesicherung bei Fremdkörpern des Oesophagus und des Magen-Darm-Trakts
Treten Symptome auf, die vorrangig auf einen Fremdkörper im Bereich des Verdauungsapparats hindeuten, ist zunächst eine eingehende Untersuchung des Maul- und Rachenraums angeraten. Eine Palpation des Oesophagus sowie des gesamten Abdomens ist empfehlenswert. Schmerzäußerungen oder Anspannungen palpierter Bereiche sind hinweisend.
Bei Röntgenaufnahmen des Abdomens ist es notwendig, diese in mindestens zwei Ebenen anzufertigen. Fremdkörper im Abdomen sind häufig in der laterolateralen Ebene gut sichtbar; die zweite Ebene dient zur detaillierten Lokalisation. Je nach Röntgendichte des verschluckten Materials kann eine Röntgenkontraststudie indiziert sein.
Lässt sich ein Fremdkörper im Magen- oder Darmbereich lokalisieren, ist eine sonografische Untersuchung sinnvoll. In über 90 Prozent der Fälle lassen sich gastrale Fremdkörper auf diesem Weg diagnostizieren.
Lässt sich der Verdacht eines Fremdkörpers nicht bestätigen, sollten im Falle gastrointestinaler Symptome entzündliche (z. B. Gastritis oder Enteritis), infektiöse (viral oder parasitär) oder diätetisch bedingte Erkrankungen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Ebenfalls gilt es, Neoplasien und Obstruktionen anderer Ursachen mit in Betracht zu ziehen.
Diagnosesicherung bei Fremdkörpern des Respirationstrakts
Liegt die Verdachtsdiagnose eines nasalen Fremdkörpers vor, empfiehlt sich die otoskopische Untersuchung. Bei nasopharyngealen Fremdkörpern ist häufig eine endoskopische Diagnosesicherung indiziert.
Bronchiale Fremdkörper lassen sich durch Schnittbildverfahren detektieren. Angeraten ist es, diese endoskopisch gestützt durchzuführen, sodass der Fremdkörper im Zuge der Untersuchung entfernt werden kann.
Bei respiratorischen Symptomen ist es wichtig, Erkrankungen infektiöser, traumatischer oder neoplastischer Genese differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen.
Therapieoptionen: Welche Optionen bestehen bei einer Fremdkörper-Aufnahme?
Die Anwendung geeigneter therapeutischer Maßnahmen bei Fremdkörpern steht in Abhängigkeit der Lokalisation, der Art des Fremdkörpers sowie des Allgemeinbefindens des Tieres.
Liegt ein reduziertes Allgemeinbefinden vor, sind eine Stabilisierung des Kreislaufs und der Ausgleich von Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlusten mittels einer intravenösen Infusionstherapie dringend angeraten.
Sind Fremdkörper zu groß oder nicht gut zugänglich, ist oftmals ein endoskopischer oder chirurgischer Eingriff nötig. Die Therapie kann durch eine Schmerzmitteltherapie begleitet werden; eine Antibiotikagabe ist im Einzelfall sinnvoll.
Therapie bei Fremdkörpern des Oesophagus und des Magen-Darm-Trakts
Die konservative Therapie kann bei sehr kleinen, stumpfen Gegenständen mit glatter Oberfläche im Magen-Darm-Bereich, zum Beispiel kleinen Holzkugeln, indiziert sein. Ein medikamentös herbeigeführtes Erbrechen bewirkt die Ausscheidung des Fremdkörpers. Bei Hunden wirken sich verdauungsfördernde Lebensmitteln – wie Sauerkraut oder gekochter Reis – begünstigend auf eine schnelle Passage des Fremdkörpers durch den Magen-Darm-Trakt aus.
Sind Fremdkörper zu groß oder nicht gut zugänglich, ist oftmals ein endoskopischer oder chirurgischer Eingriff nötig.
Liegt ein gastraler Fremdkörper vor, ist eine Extraktion mittels einer Gastroskopie möglich. Durch Futterbestanteile im Magen kommt es vor, dass der Fremdkörper schlecht sichtbar ist oder eine Wanderung Richtung Dünndarm während der Narkoseeinleitung erfolgt; ein chirurgischer Eingriff kann nötig sein. Um eine Eröffnung des Magens zu vermeiden, ist eine endoskopisch gestützte Laparotomie oftmals angeraten.
Bei enteralen Fremdkörpern, die nicht ausgeschieden werden können, ist häufig ein chirurgischer Eingriff unerlässlich. Insbesondere fadenförmige oder große, scharfkantige Gegenstände stellen eine Indikation für eine Operation dar. Fremdkörper lassen sich mittels Enterotomie im Darmbereich entfernen.
Therapie bei Fremdkörpern des Respirationstrakts
Nasale Fremdkörper lassen sich meistens mittels einer dünnen Zange entfernen; bei oesophagalen oder bronchialen Fremdkörpern ist eine endoskopisch gestützte Entfernung hilfreich. Im Zuge einer solchen ist auf ein Vermeiden von Schleimhautverletzungen zu achten.
Welche Prognose haben Hunde und Katze bei einer Fremdkörper-Aufnahme?
Die Prognose bei einer Fremdkörper-Aufnahme hängt von der Lokalisation des Fremdkörpers, des Allgemeinzustands des Tieres sowie auftretender Komplikationen ab.
Bei großen, fadenförmigen oder scharfkantigen Fremdkörpern an schlecht zugänglichen Organabschnitten ist oftmals eine zeitnahe, adäquate operative Therapie entscheidend.
Komplikationen wie Perforation von Organen und auftretende Entzündungsherde im Bereich der Fremdkörper wirken sich verschlechternd auf die Prognose aus. In akuten Notfällen können zum Beispiel bei enteralen Fremdkörpern Darmverschlüsse auftreten; eine äußerst vorsichtige Prognose ist zu stellen.
Grundsätzlich führen eine frühe Diagnose sowie eine unmittelbare Behandlung zu einer besseren Prognose. Insbesondere kleine Fremdkörper lassen sich oftmals gut detektieren und komplikationslos entfernen.
Prophylaxe in der Weihnachtszeit: Frohe Weihnachten ohne Fremdkörper
Es ist wichtig Tierhalter*innen auf die Gefahrenquellen für ihr Tier während der Weihnachtszeit aufmerksam zu machen und dazu zu raten, Weihnachtsdekoration, Baumschmuck oder Geschenke so zu platzieren, dass die Tiere keinen direkten Zugang haben.
Ebenfalls sollten Lebensmittel für Tiere unerreichbar aufbewahrt werden.