Mit Lilli mache ich eine neue spannende Erfahrung. Einen erwachsenen Hund in den Dummysport einzuführen. Und sie bestätigt mir etwas, das ich auch immer wieder bei Kundenhunden sehe: die Grundlage für den Sport wird im Alltag gelegt.
Ein Hund der im vertrauten Alltag nicht entspannt an der Leine gehen kann, wird es um so schwerer haben, im Training entspannte Fußarbeit zu zeigen.
Ein Hund der im vertrauten Alltag sich nicht einfach mal beim Spaziergang 10 Minuten lang ohne Ansprache ruhig verhalten kann, wird dies erst recht nicht zeigen können, wenn die Aufregung vom Training dazu kommt.
Ein Hund der im vertrauten Alltag nie andere Hunde um sich rum hat, wird im Training mit anderen Hunden zwangsläufig aufgeregt sein.
Überlegt euch mal, wo eure Hunde im Training Baustellen zeigen, und fragt euch dann, ob diese Baustellen sich vielleicht auch irgendwo im Alltag zeigen.
Nicht bei jedem Verhalten wird dies so sein! Manchmal zeigen sich bestimmte Probleme auch erst außerhalb des vertrauten Alltags.
Mein Tipp in diesem Fall: löst das Verhalten raus aus dem Dummytraining. Übt Fußarbeit auf dem Supermarktparkplatz. Übt Halteübungen vor dem Hundeverein im Nachbardorf, wenn diese gerade Übungszeiten haben. Geht zu einem Zeitpunkt wenn keine anderen Hunde unterwegs sind in die Hundeauslaufzone, und trainiert dort Fußarbeit ohne Nase auf dem Boden.
BEziehung und ERziehung haben meines Erachtens nichts miteinander zu tun. 👆🏼
Wenn euer Hund ein Signal nicht befolgt, sagt das nichts über eure Beziehung zueinander aus. Hunde testen über das nicht-befolgen eines Signals nicht unsere Grenzen.
Wenn euer Hund das nächste Mal ein Signal nicht befolgt, fragt euch doch folgendes:
- habe ich das Signal unter dieser Ablenkung ausreichend trainiert? Kann mein Hund das Signal wirklich auch mit dieser Ablenkung?
- ist mein Hund so abgelenkt, dass er mein Signal eventuell wirklich nicht wahrnimmt?
- ist es meinem Hund vielleicht gar nicht möglich das Signal zu befolgen? Gerade beim abrufen aus Hundebegegnungen kann es zB passieren, dass die Kommunikation mit dem anderen Hund ein plötzliches losrennen eskalieren lassen würde. Und unser Hund deswegen diese plötzliche Bewegung vermeidet.
Poldi ist draußen nicht ableinbar. Er ist selten auch nur wirklich ansprechbar. Es hat 1,5 Jahre(!) gedauert, bis er draußen mal Futter nehmen konnte. Mit mir oder mit Espe zu spielen ist ihm nicht möglich. Sobald er draußen ist, ist er zu 100% im Jagdmodus.
Seine ERZIEHUNG ist draußen nicht abrufbar. Weil ich mir ehrlicherweise auch nicht die Mühe mache es groß zu trainieren (wenn es interessiert, kann ich gerne mal was zum Warum schreiben).
Unsere BEZIEHUNG ist aber trotzdem absolut intakt. Obwohl er mich draußen sofort stehen lassen würde.
Das Video zeigt dies sehr gut.
Hundewald in Dänemark. Da ich gerade erst die Leine losgelassen hatte, war er noch dicht bei mir.
Von vorne kommt uns ein Hund entgegen. Poldi ist unsicher und macht was? Er entschließt sich zu mir zu kommen, damit wir gemeinsam die Situation bewältigen.
Und das ist BEZIEHUNG 🥰
(Natürlich ist die Kombination aus guter Beziehung und Erziehung wunderbar. Aber ich würde mich immer wieder für eine gute Beziehung bei schlechter Erziehung entscheiden, statt andersrum)
Passend zum Thema, vorauseilende Strafe.
Lilli wird langsamer und spannt sich an … ich hätte sie „ermahnen“ können, weil sie sich ja anspannt.
Oder aber ich benutze den sekundären Verstärker TOP (wie ein Clicker) und danach eine Handvoll Futter zum abregen, um ihr Verhalten damit hoffentlich zu verstärken.
Warum möchte ich das Verhalten verstärken? Weil es so viel besser ist, als das ursprüngliche Verhalten (=sich brüllend in die Leine zu schmeißen).
Ist dies das angestrebte Endverhalten?
Nein.
Mache ich mir damit etwas kaputt, wenn ich ihre Anspannung „belohne“?
In 2facher Hinsicht Nein. 😉
1) Das Verhalten hat sich hoffentlich ihrer Ansicht nach gelohnt. Sollte sich das Verhalten ihrer Ansicht nach lohnen, wird sie es in Zukunft häufiger zeigen. Und langsam werden und losrennen um zu brüllen schließen sich nun einmal aus.
2) Der Marker (TOP) ist sehr positiv belegt. Einfach gesprochen, überschwemmt sie ein gutes Gefühl, in dem Moment in dem sie es hört. Und dieses angenehme Gefühl wird sie unweigerlich auch mit dem Anblick des anderen Hundes verknüpfen. Und dadurch das sich die Emotionen, die sie mit dem Anblick eines fremden Hundes verbindet ändern, wird auch das Verhalten sich ändern.
Wieso sollte man auch brüllend in die Leine springen, wenn es Kekse bedeutet, dass der andere Hund einen anguckt.
Lilli reagiert bei Begegnungen mit ihr unbekannten Hunden mit Aggressionsverhalten. Das fing Anfangs schon bei einem Abstand von 100m an.
Die Ursache war ganz unspektakulär: sie hat (im wahrsten Sinne des Wortes) keinen Plan, wie man fremden Hunden begegnet. Und loszubrüllen war dann die von ihr gewählte Strategie.
Die letzten 6 Monate bestanden beim Thema Hundebegegnungen zu 99% aus Management. Oder anders gesagt: wenn die anderen Hunde zu dicht waren, und ich nicht ausweichen konnte, hing Lilli brüllend im Geschirr und konnte nicht mehr fressen geschweige denn, dass sie ansprechbar war. Wie ich darauf reagiert habe? Quasi gar nicht. Man trainiert für den Ernstfall, nicht im Ernstfall. Ich habe gewartet bis sie wieder so weit war das sie reagieren/ fressen konnte, und habe ihr dann geholfen ihre Erregung abzubauen.
Heute stand der zweite(!) Social Walk an. Das zweite Mal erst, dass ich gezielt mit ihr an dem Thema arbeite.
Alle 3 Hunde auf dem Video sind ihr fremd.
Training mit reaktiven Hunden sollte genau so aussehen: völlig unspektakulär.
Da steckt natürlich eine Menge Training dahinter. Aber nicht in den Situationen, in denen sie auf die Hunde reagiert hat. Sondern v.a. Training ganz unabhängig von Hundebegegnungen.
Und natürlich klappt nicht bei jedem Hund so schnell wie bei Lilli.
Aber Verhaltensänderungen müssen nicht über Strafen erzwungen werden.
Kundenfeedback ♥️
Ich verfolge generell gerne die Fortschritte meiner Teams. Und wenn ich dann solche Nachrichten bekomme, natürlich noch viel mehr. 🥰
Kundenfeedback:
Es fliegen Dummies, andere Hunde arbeiten ❤️❤️❤️
Liebe Cathrin, es kann nicht viel falsch gewesen sein im letzten 3/4 Jahr 🙂. […]Der Lumpich ist glücklich, entspannt und zufrieden hier 🎉. Ein meeeega Erfolg - vor einem Jahr hätte er schon morgens bei Ankunft schlotternd im Auto gesessen.
Das Video bei dem die Toller Hündin für das fixieren vom Dummy mit Futter belohnt wird, hat ein paar Diskussionen ausgelöst.
Ich versuche mich mal an einer ausführlicheren Erklärung.
In diesem Video arbeiten wir mit einem
Sekundären Verstärker (=ein Ton, der der Hündin ankündigt, dass sie sich einen primären Verstärker verdient hat).
Primäre Verstärker sind alles, was ein gerade vorliegendes Bedürfnis des Hundes befriedigt. Häufig ist das Futter oder ein Spiel. Aber ich kann auch schnüffeln dürfen, die Freigabe zum Spiel mit dem besten Kumpel und sogar markieren dürfen als primären Verstärker nutzen.
In dem Video fixiert die Hündin ein geworfenes Dummy. Ihr Bedürfnis ist es, dort hinzurennen. Wir möchten aber gerne die Zeit ausdehnen, die die Hündin ruhig neben der Hundeführerin sitzen kann. Und dabei ist uns wichtig, dass die Hündin in der Wartezeit nicht anfängt die Hundeführerin anzugucken, oder in der Gegend rum zu gucken (und erst recht nicht, aus Frust anfängt zu fiepen). Daher kriegt sie den sekundären Verstärker, in dem Moment, in dem sie das gewünschte Verhalten zeigt= ruhig am Beim sitzen, und das Dummy fixieren.
Wir könnten jetzt als Belohnung der Hündin die Freigabe geben (oder ein Signal, dass sie apportieren darf).
Das ist nicht falsch. Aber wir haben uns trotzdem für eine andere Variante entschieden: nämlich der Hündin Futter zu geben.
Wieso? Wenn ich neben dem apportieren dürfen dem Hund bewusst beibringe, dass auch sitzen bleiben selber sich lohnt, minimiere ich das Risiko, einen Hund zu haben, dessen einzige Erwartungshaltung und dessen einziges Bedürfnis das losrennen ist.
Um mal zu demonstrieren, wie leicht es ist, einem Hund beizubringen etwas anzustarren, habe ich eben mit meiner Hündin draußen ein kleines Video gedreht. In 2x 10 Minuten Training habe ich ihr beigebracht, einen Ziegelstein zu fixieren.
Dieser Ziegelstein hat absolut keinerlei Bedeutung als primärer Verstärker 😉. Aber se
Mittlerweile ist das arbeiten mit Futter im Dummytraining etwas normaler geworden. Aber trotzdem hört man noch häufig: wenn man mit Futter arbeitet, guckt er nur noch dich an. Oder: wenn man mit Futter arbeitet, spuckt er das Dummy aus.
Beides ist richtig und falsch.
Es ist nicht die Arbeit mit dem Futter, die diese Probleme verursacht. Wie jedes (Trainings)Werkzeug, muss man auch dieses beherrschen. Wenn man Fehler bei der Anwendung macht, zeigen diese sich natürlich darin, dass der Hund nicht das erwünschte Verhalten zeigt.
Ein großer Faktor in der Arbeit mit Futter ist der sogenannte sekundäre Verstärker. Ein Geräusch, welches dem Hund ankündigt: das war super, dafür gibt es gleich eine Belohnung (viele kennen den Clicker; auch dieser ist ein sekundärer Verstärker)
In diesem Fall setzen wir den sekundären Verstärker und die nachfolgende Futterbelohnung in 2facher Hinsicht ein.
Während die Hündin sitzt, ertönt das Geräusch des sekundären Verstärkers (in diesem Fall ein gesprochenes „Click“). Die Hündin lernt also, dass es sich lohnt sitzen zu bleiben.
Gleichzeitig achten wir aber darauf, dass nur geclickt wird, wenn sie aufmerksam die Fallstelle fokussiert. Die Hündin lernt also sich nicht ablenken zu lassen, sondern die Fallstelle ausdauernd im Blick zu behalten, bis sie geschickt wird. Wichtig ist in diesem Fall: das Futter wird NICHT so gegeben, dass die Hündin beim füttern nach oben guckt. Sondern die Hündin kriegt das Futter so gereicht, dass sie während der Belohnung das erwünscht Verhalten weiter ausführt.
Für uns wirkt das wie eine Kleinigkeit, für die Hunde ist dies ein großer Teil unserer Kommunikation an sie, was wir von ihnen wollen.