08/10/2023
Was machen mit den (alten) Katzen?
Wenn man als Tiermediziner an die (alte) Katze denkt, dann kann einem angst und bange werden und das wird den gut informierten Katzenbesitzern nicht anders gehen. Die Studienlage und die daraus resultierenden Statistiken sind erschreckend.
Hier ein paar Beispiele:
- bei 90% aller Katzen > 12 Jahre ist röntgenologisch eine Osteoarthrose nachweisbar. (1)
- 60% aller Katzen > 6 Jahren leiden an Arthrose. (2)
- Man geht davon aus, dass bis zu 85% der Katzen >3 Jahren an einer Zahnerkrankung leiden. (3)
- Bis zu 72% der Katzen haben FORL. (4)
- Ca. 66% aller Katzen > 7 Jahren haben eine chronische Nierenerkrankung. (5)
- In einer Studie wurde bei 67% aller Katzen, die unabhängig Ihrer Todesursache einer Autopsie unterzogen wurden eine Pankreatitis festgestellt. (6)
- Jede 8. Katze entwickelt eine Schilddrüsenüberfunktion, je älter, desto wahrscheinlicher. (7)
- Man schätzt, dass jede 6. Katze in Ihrem Leben eine Tumorerkrankung entwickelt. (8 )
- Auch Bluthochdruck ist häufig und daher wird vielerorts eine jährliche Blutdruckmessung ab dem 7. Lebensjahr empfohlen. (9)
Man kann also mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100% davon ausgehen, dass, wenn ihr eine ältere Katze zu Hause habt diese eine oder mehrere gesundheitliche Probleme hat.
Aus dieser Erkenntnis ergeben sich 2 Fragen:
1. Wie kann es dann sein, dass viele von euch davon nichts oder fast nichts bemerken?
Das liegt einerseits an der Natur der Katzen, die keine Schwäche zeigen und sich bei Schmerzen, Verletzungen und anderen Leiden häufig völlig unauffällig verhalten. Auch die andere Lebensweise im Vergleich zum Hund, der häufig an der Seite seines Besitzers ist und bei dem gemeinsame Spaziergänge und feste Fütterungszeiten etc. völlig normal sind, unterscheidet sich bei vielen Katzen erheblich und lassen Leiden weniger schnell ersichtlich werden. Aber auch wir Tierärzte tun uns oft bei der Untersuchung einer Katze schwerer Schmerzen von z.B. Abwehrverhalten zu unterscheiden oder z.B. vergleichbar gute Lahmheitsuntersuchungen wie bei einem Hund durchzuführen. Nicht selten ist eine genaue Untersuchung auch gar nicht möglich.
2. Was ist die Konsequenz dieses Wissens oder anders gefragt: Was machen mit den (alten) Katzen?
Wenn man die Frage ausschließlich medizinisch beantwortet, liegt die Antwort auf der Hand: Es benötigt regelmäßige und äußerst gründliche Vorsorgeuntersuchungen mit wiederkehrender Diagnostik, wie z.B. Blutdruckmessung, Blutuntersuchung, Ultraschall, Röntgen und Dentalröntgen und daraus resultierend in den meisten Fällen folgend Therapie, wie z.B. Zahnsanierungen, Schmerzbehandlungen und Einstellung von Erkrankungen durch Medikamente.
Die Realität sieht jedoch sicher in den allermeisten Fällen anders aus. Gründe dafür gibt es viele, unter anderem:
- Viele Katzen werden nur selten einem Tierarzt vorgestellt.
- Die Untersuchungen sind, wie schon beschrieben, häufig nicht so leicht.
- Der Zeitaufwand so vieler und genauer Untersuchungen ist immens hoch.
- Die Kosten sind es ebenfalls.
- Es bestehen über die Anzahl und die Häufigkeit der möglichen Probleme, sowohl beim Besitzer als auch beim Tierarzt Wissenslücken.
- Es besteht häufig der Wunsch beim Tierarzt keine „unnötigen“ Kosten für den Besitzer zu produzieren und beim Besitzer selbstverständlich ebenfalls der Wunsch diese nicht zu zahlen. Diagnostik und vor allem, wenn diese dann ein eigentlich erfreulicherweise negatives Ergebnis bringt, steht leider noch häufig unter diesen Verdacht der Produktion von „unnötigen“ Kosten.
- Untersuchungen und Diagnostik, sowie allgemein der Tierarztbesuch oder die Autofahrt verursachen Stress, den man gerne vermeiden würde.
- Manche Untersuchungen, wie Dentalröntgen sind nur in Narkose möglich.
- Medikamenteneingaben bei der Katze gestalten sich oft schwierig u.v.m.
Das sind alles nachvollziehbare Gründe und doch ist es ja vermutlich unser aller Anspruch, dass ein Tier nicht unter behandelbaren Schmerzen leiden sollte und wir wünschen uns eine bestmögliche Lebenszeit für unsere Vierbeiner zu schaffen. Es ist also am Ende ein Dilemma und die Frage zum Eingang des Textes durchaus ernst gemeint und auch wir in der Praxis haben darauf (noch) keine eindeutige Antwort oder Vorgehensweise, wenn uns eine ältere Katze vorgestellt wird. Daher sind wir wirklich auf eure Meinung gespannt.
Fragen, die uns interessieren wären, z.B.:
- Habt ihr das gewusst?
- Wie oft geht ihr routinemäßig zum Tierarzt?
- Würdet ihr euch sämtliche Diagnostik wünschen?
- Wie schützt ihr euch vor den Kosten? Habt ihr z.B. eine Tierkrankenversicherung?
- Würdet ihr euch Aufklärung von eurem Tierarzt dazu wünschen oder haltet ihr das für Panikmache?
- Besteht ihr auf einen Teil der Diagnostik?
- Wie alt ist eure Katze und seid ihr der Meinung sie ist völlig gesund unabhängig von den oben erwähnten Erklärungen?
- Ändert dieser Post etwas an der Vorgehensweise für euren nächsten Tierarzttermin?
- Aber auch, wenn ihr in der Tiermedizin tätig seid, wie geht ihr damit um?
- Und noch so vieles mehr, eigentlich alles, was euch einfällt.
Neben dem Ziel für die ein oder andere Erkrankung und Problematik der Katze Bewusstsein zu schaffen, geht es uns ernsthaft auch um Erkenntnisgewinn für unsere tägliche Arbeit und eure Meinung. Aus diesen beiden Gründen würde es uns sehr freuen, wenn ihr den Post sowohl teilt als auch kommentiert. Vielen Dank.
P.S.
Wir haben ferner den Beitrag als Anlass genommen bei der Online-Terminbuchung eine neue Auswahlmöglichkeit zu geben, der „ausführliche Untersuchung der geriatrischen Katze mit mindestens Blut und Ultraschall“ heißt und den wir mit einer entsprechenden Terminlänge versehen haben und bei einer ausführlichen Beratung und Untersuchung auf die beschriebenen Punkte eingehen möchten. Die Möglichkeit findet ihr hier:
https://tierarztpraxis-horrem.de/terminbuchung
Quellen:
1: LASCELLES BD, HENRY JB, 3rd, BROWN J et al.: Cross-sectional study of the prevalence of radiographic degenerative joint disease in domesticated cats. Vet Surg 2010; 39: 535- 44.
2: https://www.zoetis.de/oa-pain/feline-oa-pain.aspx
3: https://icatcare.org/advice/dental-disease-in-cats/
4: https://www.vin.com/apputil/content/defaultadv1.aspx?meta=Generic&pId=8768&id=3850090
5: Christina LMarino et al. The prevalence and classification of chronic kidney disease in cats randomly selected within four age groups and in cats recruited for degenerative joint disease studies. J Feline Med Surg. 2014 Jun; 16(6): 465–472.
6: H E V De Cock 1, M A Forman, T B Farver, S L Marks Prevalence and histopathologic characteristics of pancreatitis in cats Vet Pathol
7 Ines Köhler, Bianca Desiree Ballhausen, Christian Stockhaus, Katrin Hartmann, Astrid Wehner 1 Prevalence of and risk factors for feline hyperthyroidism among a clinic population in Southern Germany Tierarztl Prax Ausg K Kleintiere Heimtiere 2016 Jun 16;44(3):149-57. doi: 10.15654/TPK-150590. Epub 2016 Feb 23.
8: https://www2.zoetis.de/fur-tiere/katzen/krebserkrankungen #:~:text=Krebserkrankungen%20kommen%20bei%20Haustieren%20h%C3%A4ufig,Therapie%2C%20den%20Krebs%20zu%20beherrschen.
9: https://www.katzen-vorsorge-check.de/bluthochdruck-bei-katzen.aspx
Für mehr Infos zum Thema Tierkrankenversicherung mit weiteren Links:
https://tierarztpraxis-horrem.de/tierkrankenversicherung
Hinweis:
Es gibt teilweise Studien mit unterschiedlichen Prävalenzen zu einzelnen Erkrankungen. Wir haben für diesen Post in der Regel eine mit hoher Prävalenz gewählt und nicht jede Studie und Link auf die Qualität geprüft. Aber die Zahlen sind in der Tiermedizin allgemein bekannt und realistisch.