30/05/2024
Vor ein paar Jahren habe ich mal kurz über Impfungen und wie ich das bei mir handhabe geschrieben.
Seit dem hat sich viel geändert.
Das wichtigste vorneweg: Die Stiko-Vet (die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin) – ja auch die gibt es – hat ihre Empfehlungen deutlich angepasst.
Aber auch ich habe viel dazugelernt, habe Seminare besucht und deshalb auch mein Impfverhalten als Tierärztin verändert. Und weil es mir um Informationen geht und nicht um einen langatmigen Artikel hier die Fakten kurz und knapp – und hoffentlich für jeden nachvollziehbar.
Bei den Impfungen unterscheiden wir zwischen CORE und non-CORE Impfstoffen. CORE heißt dass es um eine Impfung geht die im Prinzip jedes Tier haben sollte – zumindest von der Idee her, um einen möglichst guten „Herdenschutz“ zu gewährleisten. Non-CORE sind solche Impfstoffe, die man nur von Fall zu Fall anwendet.
1. Es gibt in Deutschland keine Impfpflicht für Hunde und Katzen.
2. Tollwut
Tollwut ist eine anzeigepflichtige Tierseuche und untersteht dem Seuchengesetz. Da sie aber schon seit 2007 in Deutschland nicht mehr vorgekommen ist (außer bei ein paar vereinzelten Fledermäusen in der Eifel) wird sie nun auch von der Stiko-Vet nicht mehr als CORE geführt, das heißt sie wird als minder wichtig eingestuft. Allerdings ist sie für den Grenzübertritt – auch innerhalb der EU und in Länder die ebenfalls als Tollwut-frei eingestuft sind – vorgeschrieben und so kommt man bei Auslandsreisen mit dem Tier nicht drum herum. Für GB braucht man inzwischen auch nur die Tollwut-Impfung.
Je nach Impfstoff wird 1xig mit mindestens 12 Wochen geimpft (der Impfschutz ist aber erst 3 Wochen später gültig) und dann wieder in einem oder gleich in 3 Jahren. Das 3jährige Intervall ist inzwischen der Standard.
Wenn möglich impfe ich Hunde und Katzen erst nach dem Zahnwechsel (also in der Regel mit 6 Monaten) und Katzen auch nur sehr ausnahmsweise, da sie normalerweise nicht ins Ausland mitgenommen werden.
Manche Tierpensionen verlangen eine Tollwut-Impfung. Ich persönlich würde immer versuchen eine Katze zuhause zu lassen, da für die meisten Katzen ein Ortswechsel ein Problem ist und enormen Stress bedeutet. Inzwischen gibt es ganz viele Organisationen und auch „Einzel“personen, die solche „in-house“ Betreuungen während des Urlaubs anbieten.
3. Staupe und Parvovirose
gehören zu den CORE-Impfungen, sagt die Stiko-Vet und ich stimme zu. Es gibt leider keinen 2fach Impfstoff mehr! Also ist die kleinste Variante der SHP (Staupe, Hepatitis und Parvovirose).
Eine Erstimpfung ist frühestens mit 4 Wochen möglich (wofür es inhzwischen einen 2er (SP) Puppy-Impfstoff gibt), die Regel ist aber 8 Wochen und dann eine Wiederholungsimpfung mit ca. 12 Wochen.
Es ist aber auch möglich Hunde nur 1xig mit 12 Wochen (oder älter) zu impfen. Die Gültigkeit der Impfung ist lt. Beipackzettel dann 3 Jahre. Die Stiko-Vet empfiehlt eine weitere Impfung nach 1 Jahr, was ein bisschen seltsam ist, da das je nach Impfstoff nicht mal der Hersteller empfiehlt. Da es – wie oben erwähnt – in Deutschland (und übrigens auch für den innereuropäischen Grenzübertritt) keine Impfpflicht für diese beiden Erkrankungen gibt ist es ebenso möglich einen TITER zu bestimmen anstatt nach 3 Jahren einfach nachzuimpfen. Es gibt sehr zuverlässige Schnelltests für die Praxis, bei denen man innerhalb von 30 Minuten weiß ob das Tier geschützt ist oder nicht. Wenn dem so ist kann man sich eine Wiederholungsimpfung erst mal sparen. Eine Wiederholung des Titer-Tests ist jederzeit möglich.
Sollte Ihr Hund auf den Hundeplatz gehen und/oder in die Hundepension (Katzenpension), so ist es sinnvoll zu klären ob eine Titer-Bestimmung akzeptiert wird – oder noch besser, die Betreiber aufzuklären dass ein Titer die sicherere Alternative ist, weil man dann WEISS, dass das Tier auch wirklich geschützt ist.
Tierärzte, die solche Titer-Schnelltests anbieten sind oft auch gerne bereit mal einen Vortrag darüber zu halten, wenn das gewünscht wird.
Bei Katzen ist es vor allem die Parvovirose (dort auch als Katzenseuche bekannt), die man grundimmunisieren sollte, vor allem wenn es sich um Freigänger handelt. Für Katzen benutze ich ausschließlich Impfstoffe ohne Zusatzstoffe. Dort gibt es die Parvovirose nicht als Einzelimpfstoff sondern nur im Pack mit „Katzenschnupfen“, der damit auch abgehakt wäre.
Katzen können im schlimmsten Fall mit der Bildung von Hauttumoren, den gefürchteten Fibrosarkomen, auf Impfungen reagieren, deshalb mache ich Impfungen (und Injektionen generell) bei Katzen so selten wie nur irgend möglich. Man kann bei reinen Hauskatzen den Sinn und Zweck von Impfungen auch grundsätzlich diskutieren, aber das ist vielleicht mal ein Thema für einen späteren Zeitpunkt.
4. Leptospirose
ist eine potentiell auch tödlich verlaufende bakterielle Infektion bei Hunden. Die Stiko-Vet stuft sie inzwischen als CORE Impfung ein.
Dazu ein paar Anmerkungen von mir persönlich: Die Schwere einer solchen Erkrankung ist abhängig vom Alter und Immunstatus eines Hundes. Viele Infektionen laufen bei älteren Hunden subklinisch, also völlig ohne Symptome ab.
Die Übertragung geschieht vor allem über den Urin von Mäusen – aber auch (viel seltener) über den Urin infizierter Artgenossen. Erwähnt wird auch die Übertragung über Pfützen und stehende Gewässer.
Die Leptospirose Impfung ist als L, L-multi oder L4 erhältlich. Die L4 beinhaltet mehr Bakterienstämme als die L, die nur gegen zwei relativ gut schützt. Grundsätzlich ist der Schutz bei der Lepto-Impfung – wie bei allen bakteriellen Infektionen – nur bedingt möglich, da der Organismus auch bei einer „natürlichen“ Infektion nur eine teilweise und zeitlich begrenzte Immunität aufbauen kann. Es ist eine jährliche Nachimpfung nötig, und wenn überhaupt geimpft wird das dann im frühen Frühjahr gemacht, um den möglichst besten Impfschutz über die Sommermonate zu gewährleisten. Es gibt Literaturangaben die zwischen 6 Monaten und 3 Jahren liegen was den Impfschutz angeht. Sogenannte Impfdurchbrüche sind im Vergleich zu den anderen Impfungen (ausgenommen Zwingerhusten) relativ häufig, d.h. Hunde infizieren sich trotzdem, was sicher auch daran liegt dass es über 100 Stämme der Leptospiren gibt und die Impfung sich nur auf wenige wesentliche beschränkt.
Da gerade bei der L4 in der Literatur viele Nebenwirkungen – z.T. auch sehr heftige – beschrieben sind, ist es meiner Ansicht nach immer eine Risiko-Nutzen Abwägung ob man einen Hund impft oder nicht und eine individuelle Entscheidung, die mit dem Tierarzt/der Tierärztin genau besprochen werden sollte.
5. Die anderen Impfungen
Hepatitis Contagiosa Canis (HCC)
ist in Mehrfachimpfstoffen enthalten, die dann z.B. SHP oder DHP (Distemper = englisches Wort für Staupe) heißen. Da das Auftreten von HCC in Deutschland sehr stark gesunken ist wird sie nicht mehr als CORE vaccine geführt und nur im Einzelfall empfohlen.
Zwingerhusten
wird ebenfalls nur im Einzelfall empfohlen – z.T. bei Ausstellung noch vorgeschrieben. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Hunde daran erkranken ob sie geimpft sind oder nicht. Eine Impfung garantiert auch nicht immer einen leichteren Verlauf. In der Regel ist die Erkrankung nach ein paar Tagen überstanden und man braucht nur in den seltensten Fällen Antibiotika. Deshalb habe ich für meine Praxis entschieden Zwingerhusten nicht mehr regelmäßig zu impfen.
Lyme-Borreliose
wird hauptsächlich durch Zecken übertragen. Die Impfung ist allerdings zu wenig an die in Deutschland hauptsächlich vorhandenen Serotypen (also die häufigsten Erreger) angepasst und deshalb auch wegen ihrer nicht wenigen Nebenwirkungen nicht zu empfehlen. Das Risiko/Nutzen-Verhältnis fällt einfach zu schlecht aus.
Leishmaniose
kommt inzwischen auch in Deutschland vor und wird von Sandmücken übertragen. Die vorhandene Impfung schützt allerdings nicht vor der Erkrankung sondern nur vor den klinischen Symptomen und wird allgemein eher kritisch gesehen, da auch hier gravierende Nebenwirkungen beschrieben sind. Da es sich bei der Leishmaniose um eine regional begrenzte Problematik handelt ist es sinnvoller hier anderweitige Prävention anzuwenden.
Leukose
bei der Katze sollte auch nur geimpft werden, wenn Katzen einer direkten Gefährdung ausgesetzt sind (was sich in der Regel auf Zuchten oder TH beschränkt). Vor allem auch deshalb, weil die Leukose Impfung ganz speziell mit den sog. Fibrosarkomen in Verbindung gebracht wird.
Natürlich sind Impfungen immer eine individuelle Entscheidung und sollten mit Ihrem Tierarzt/Ihrer Tierärztin besprochen werden. Dennoch ist es meines Erachtens ein Grundprinzip so wenig wie möglich und so viel wie nötig zu impfen. Jede Impfung stellt für das Immunsystem eine Herausforderung dar und es auch völlig klar, dass nur absolut gesunde Tiere geimpft werden sollten und so wenig Stress wie nur möglich dabei entstehen sollte, so dass der Organismus optimale Bedingungen hat mit dieser Herausforderung umzugehen.
Titer-Kontrollen werden leider immer noch viel zu selten gemacht obwohl sie eine wunderbare Möglichkeit sind den Immunstatus eines Tieres zu überprüfen.
Genau wie die Kastrationen sollten auch Impfungen kein 08/15 Standard sein – sie sollten abgewogen und sinnvoll eingesetzt werden – denn nur dann können sie erfolgreich zur Gesundheit unserer Haustiere beitragen.
Beatrice Milleder, prakt. TÄ
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Darf gerne geteilt werden.
Übrigens - die WSAVA (World Small Animal Veterinary Association) empfiehlt in ihren Impfrichtlinien (Vaccination Guidelines) so wenig wie möglich nachzuimpfen und dafür Titer-Tests zu machen. Diese Empfehlung stammt von den führenden Veterinär-Immunologen auf diesem Planeten. Nur so als Gedanklicher Anstoß.
Ach ja - und eins noch, weil mir das gerade in der Praxis öfter unterkommt. Ein erwachsener Hund, dess Impfstatus man nicht kennt, oder dessen Impfintervall überschritten wurde MUSS NICHT NOCHMALS grundimmunsiert werden! Man impft einfach EINMALIG weiter! Und ja - das ist auch evidenzbasiert, immunologisch abgesichert!