16/06/2024
Auslastung
Ich lebe in einem kleinen Dorf mit vielen Bauernhöfen, und jeder hat einen Hund, der sich den ganzen Tag frei auf dem offenen Hof aufhält und den ganzen Tag fast nichts anders macht als rumgammeln und schauen.
Ein Bauer hat einen Berner Sennenhund, der viel liegt und schaut. Der Höhenpunkt des Tages ist für ihn, wenn der Bauer mit seinem Frontlader zu seinem ein Kilometer entfernten Offenstall für Pferde fährt um dort auszumisten. Dann springt der Hund in die Schaufel, der Bauer fährt sie ganz hoch, und der Berner Sennenhund lacht übers ganze Gesicht von hoch oben herab. Wärend der Bauer dort mistet, trottet der Hund, der übrigens kerngesund ist, dort ein wenig rum, und dann geht es auf dem gleichen Weg wieder zurück.
Ein anderer Hofhund ist ein unkastrierter Schweißhundrüde, der ebenfalls nur auf dem Hof abhängt. Wenn ein anderer Hund am Hof vorbeigeht, trottet er raus auf die Straße, sagt kurz "hallo", und wackelt dann wieder rein. Ab und zu geht sein Frauchen ein wenig mit ihm spazieren, während sie ihren Kinderwagen dabei schiebt.
Ein anderer, auch ein unkastrierter Setter, hält sich ebenfalls den ganzen Tag am Hof auf, auch ein ganz Netter. Gehen wir vorbei, schließt er sich uns kurz an, um sich draußen in ein paar Lehmpfützen zu wälzen. Der Sohn des Hauses geht ansonsten einmal am Tag eine halbe Stunde im Wald spazieren.
Warum ich das erzähle: Keiner unserer Hofhunde im Dorf macht einen unausgelasteten Eindruck. Ganz im Gegenteil: Es sind freundliche, ausgeglichene und sehr soziale Hunde. Ihre Auslastung besteht darin, in Ruhe Eindrücke wahrzunehmen, draußen zu sein, beim bunten Treiben auf dem Hof dabei zu sein und ansonsten abzuhängen.
Sollte uns das nicht zu denken geben?
Brauchen unsere Hunde wirklich so viel Action, so viel Auspowern, wie man uns glauben macht?
Wir sind es, die unsere Hund durch zu viel Auspowern genau in das Verlangen nach mehr hineintreiben. Je mehr wir sie gutgemeint auspowern, desto gestresster werden die Hunde sein.
Entschleunigen, wahrnehmen lassen, den Hund mal wieder Hund sein lassen, ihm in den Alltag miteinbeziehen, die Seele baumeln lassen, die Natur genießen, die Sinne einsetzen lassen - anstatt ihm ständig zu vermitteln mit uns auf der Flucht oder auf der Jagd zu sein.