16/11/2025
Gut geschrieben
„Das ist Kommunikation“ Die Verklärung der Gewalt unter Hunden.
Es gehört inzwischen zur unbequemen Folklore digitaler Selbstüberschätzung: Zwei Hunde geraten in eine hochgradig dysregulierte Auseinandersetzung, der Puls schnellt hoch, die Stresshormone steigen, die Körpersprache verdichtet sich.
Daneben steht ein Mensch, Smartphone im Anschlag, der die Szenerie mit dem halbwissenden Pathos eines Sofabiologen kommentiert.
Was folgt, ist stets dieselbe, ermüdend vorhersehbare Litanei „Das ist Kommunikation.“
„Das ist Sozialisierung.“ „Das müssen die unter sich klären.“ „So regelt sich das Rudel.“
Nein.
Diese ritualisierte Blindheit hat System. Sie ist die wohl gefährlichste Form der Ignoranz: die selbstbewusste. Die Art, die sich nicht nur irrt, sondern im Irrtum auch noch eine Art moralische Überlegenheit wittert. Die, die Gewalt als Lehrplan inszeniert und Überforderung als Naturgesetz tarnt.
Während zwei Hunde in einer Stressreaktion feststecken, wird von außen eine Art esoterisch aufgeblähte National Geographic Fantasie übergestülpt. Die romantische Idee vom „natürlichen Klären“ ist ein dünnes, durchscheinendes Argument, das weder ethologisch trägt noch entschuldigt.
Dasselbe Publikum, das bei jeder beiläufigen Leinenkorrektur Alarm schlägt, betrachtet schmerzhafte Konflikte zwischen Hunden plötzlich als „pädagogisch wertvoll“.
Wer hier von „Kommunikation“ spricht, müsste, um wissenschaftlich bestehen zu können, auch einen Verkehrsunfall eine „dynamische Begegnung zweier Verkehrsteilnehmer“ nennen.
Eskalation bleibt Eskalation, unabhängig davon, wie kunstvoll man sie sprachlich verpackt.
Und dann ist da noch die groteske Doppelmoral: Kein Hundetrainer dürfte sich einem Hund gegenüber auch nur im Ansatz so verhalten, wie es Halter zwischen Hunden provozieren. Wozu auch?
Und als wäre es nicht eindeutig genug, formuliert das Recht noch klarer: Hundekämpfe, auch vermeintlich „unter Sicherheit“ mit Maulkorb, sind verboten. Punkt. Nicht „unerwünscht“, nicht „diskussionswürdig“ sondern verboten.
Doch ausgerechnet Laien, ausgestattet mit null Regulierung und umso größerem Sendungsbewusstsein, stilisieren dieselben Situationen zur dogmatischen Offenbarung.
Es ist das Paradox unserer Zeit: Je weniger jemand versteht, desto lauter wird er. Und je lauter er wird, desto eher wird ihm geglaubt, zumindest im Internet.
Ein verantwortungsvoller Halter sieht nicht zu, wie Tiere sich dekompensieren. Er verhindert, bevor er heroisiert. Er führt, statt zu filmen. Er schützt, statt zu schwadronieren.
Wer aber weiterhin behauptet, solche Szenen seien „lehrreich“, sollte sich fragen, für wen eigentlich. Für den Hund? Oder für das eigene Ego, das im Schutz vermeintlicher Naturgesetze endlich einmal nicht eingreifen muss?
EDIT danke für das Bild