23/04/2024
Ist es nicht merkwürdig, dass wir dieses Thema mittlerweile weltweit ansprechen?
Ich kann dazu nichts anderes mehr sagen als Öffnet eure Augen, holt euch einmal zu viel Hilfe als zu wenig oder anders, zu früh statt zu spät. Hört uns zu, wenn wir etwas sagen statt es zu belächeln, nur weil eure Vorstellung nicht so weit reicht. Ihr schaut euch nämlich nicht freiwillig Bilder und Videos von Beissvorfällen an. Wir schon!
Auch uns erreichen fast täglich Nachrichten, dass der Hund JETZT weg muss, weil es einfacher ist, das Tier welches bei einem ein traumatisches Erlebnis hinterlassen hat abzugeben, statt gezielt unter Anwendung von Absicherung mit einem Trainer zu arbeiten.
Wir bieten nicht ohne Grund Beratung vor Anschaffung an!
Teilen mehr als erwünscht!
Gewünscht, geliebt, gebissen, beseitigt – Hundeleben am Abgrund
Die Zahl der angeschafften Hunde ist in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Gleichzeitig gab es noch nie so viele verfügbare Informationen rund um den Hund, angefangen bei Fachliteratur bis hin zu Erklärvideos auf YouTube und Foren, in denen sich Hundehaltende austauschen können. Die Dichte an Hundeschulen und Hundetrainern ist zudem enorm.
Und dennoch wurden noch nie so viele Hunde im Tierheim abgegeben oder direkt eingeschläfert, weil die Menschen mit ihren Hunden überfordert sind. Gewünscht, geliebt, gebissen, beseitigt. So der Werdegang vieler Hunde. Wir erhalten wöchentlich Hilferufe von Menschen, die am Ende sind: „Die letzte Chance. Wenn ihr nicht helfen könnt, muss der Hund weg.“ Häufig kann es nicht schnell genug gehen, bis der Hund, der einst mit Welcome-Drink mit Schirmchen in Empfang genommen wurde, wieder auszieht. Wohin soll er gehen? Natürlich irgendwohin, wo man ihm gerechter werden kann. Oder anders formuliert: Irgendwohin, wo man sich ums Problem kümmert. Vielleicht hat man es selbst vergeigt mit der Erziehung, vielleicht ist die Genetik schuld, wer will das schon so genau wissen. Aber der kurzzeitig geliebte Hund soll jetzt bitte zügig seinen Koffer packen und Leine ziehen. Nur bitte bei jemand anderem, einem selbst hat er den Arm bereits einige Zentimeter länger gezogen.
Beissvorfälle innerhalb der eigenen Familie häufen sich. Was zuerst als knabbern, spielen und schnappen tituliert wurde, endete dann halt doch beim Arzt. Oder im Krankenhaus. Hunde, die sich in Gesellschaft nicht angepasst zu verhalten wissen häufen sich. Problematisches Aggressionsverhalten von Hunden gegenüber Menschen und Artgenossen häuft sich. Nur sehen und vor allem einsehen tut man es oft erst, wenn Tränen oder Blut fliessen.
Woran liegt es? Es sind viele Faktoren, unbestritten. Immer mehr Hunde kommen nicht von seriösen Züchtern, sondern vom Vermehrer und immer mehr Hunde kommen aus dem Ausland. Hunde mit Genetik, die einfach nicht ins Friede-Freude-Eierkuchen-Zuhause von Familie Müller passt.
Viele Hundehaltende haben sich mit bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wunschhund vorbereitet. Die im Web verfügbare Überinformation gibt ein Gefühl von: Ich bin gut vorbereitet, denn ich habe auf dem Sofa abendlich alles über Hunde konsumiert, was ich im Internet finden konnte und mir daraus meine eigene Wahrheit gestrickt. April, April. Das Leben hat soeben angerufen, um dir mitzuteilen, dass du eben nicht richtig vorbereitet bist. Der Hund war dann eben doch nicht der vielgerühmte Familienhund, für den man ihn in sämtlichen Rassebeschreibungen angepriesen hat. Der Hund aus dem Tierschutz war weder dankbar noch hat er sich im neuen Zuhause wie ein Gast im Fünf-Sterne-Hotel benommen.
Auch die besuchte Hundeschule hat das Übel auf vier Pfoten nicht kommen sehen. „Das wird schon, der ist halt noch jung.“, „Das wird schon, der muss sich halt zuerst einleben.“, haben sie gesagt. Wurde aber dann doch nichts. Jedenfalls nichts, was man gewollt hätte. Denn die Anzeichen für problematisches Verhalten wurden nicht erkannt oder noch schlimmer, sie wurden schön geredet. Solange, bis man in die dampfende K***e reingetreten ist. Jetzt klebt sie da am Schuh und keiner mag sie wegwischen. Nun muss der Hund weg. Man hat bereits viel zu viel Zeit und Geld ins neue Hobby namens Hund reingesteckt. Jetzt ist Schluss, denn man hat ja schliesslich auch noch ein Leben mit anderen Verpflichtungen und Träumen, da passt ein Problemhund etwa so gut dazu, wie Senf auf ein Tiramisu. Das wird doch jeder verstehen, dem seine Work-Life-Dog-Balance einigermassen wichtig ist.
Das orthopädische Bett anzuschaffen, das war ein Klacks und jeden Rappen Wert für das geliebte neue Familienmitglied. Sich aber nun persönlich damit auseinander zu setzen, was schiefgelaufen ist und was der Hund jetzt wirklich braucht, damit man als Team die Kurve kriegt, das ist halt anstrengender, als Online Shopping. Da hört jetzt die Liebe einfach auf, denn am Ende des Tages ist und bleibt es dann doch nur ein Hund. Ein Leben in Harmonie mit Hund, ja. Ein Leben, wo man sich den Allerwertesten für den Hund aufreissen muss, lieber nicht.
Und bevor man den Hund jetzt anfängt richtig zu erziehen und auch einmal ein unpopuläres Nein ausspricht, gibt man ihn dann doch lieber auf. Beharrlich sein, konsequent sein, das ist halt nicht jedermanns und -fraus Sache. Die Tierheime sind voll und den Hund selbst zu vermitteln, das bringt man nicht übers Herz. Bevor der arme Hund noch in schlechte Hände kommt, soll er dann doch besser euthanasiert werden. Denn so ein schönes Leben, wie er es bei uns hatte, kann ihm sowieso niemand anders bieten.
An dieser Stelle sagen wir danke an die Mensch-Hund-Teams, die wir begleiten dürfen. Danke, dass ihr keinen Aufwand scheut und euch täglich dafür einsetzt, dass eure Hund lernen, in dieser Gesellschaft zurechtzukommen und mit euch ein lebenswertes Leben führen dürfen❤️. Und ja, es gibt Ausnahmen, wo eine gutüberlegte, verantwortungsvolle Umplatzierung absolut Sinn macht.
Gabriela Frei Gees, eDOGcation
https://www.nzz.ch/zuerich/tierheim-des-zuercher-tierschutzes-landen-immer-mehr-schwierige-hunde-ld.1822241