15/10/2024
Die falsche Frage nach der richtigen Methode
Wir fragen viel zu viel danach, welche Methode der Strafe ok sei. Dabei ist diese Frage so schnell geklärt und so unwichtig.
Denn das Ganze ist viel komplexer und ob es Strafen in der Erziehung braucht, steht nach allem was wir wissen gar nicht zur Debatte.
Es ist aber auch nicht die Frage welche Methoden es braucht.
Zumindest wenn es sich alles im Rahmen dessen abspielt, was das Tierschutzgesetzt sowieso vorgibt und den meisten Menschen auch klar ist.
Genauso sollte allerdings klar sein, dass ein kurzfristiges Ausbremsen seiner Handlungen aufgrund einer überschaubaren negativen Konsequenz für ein Handeln keine seelische Schädigung ist.
Im Tierschutzgesetzt steht aus gutem Grund eben nicht, dass der Hund immer glücklich und fröhlich sein muss und niemals Stress oder Unwohlsein fühlen darf.
Denn das ist weder machbar noch gut für irgendein soziales Lebewesen.
Jeder Mensch und jeder Hund erleben vollkommen natürlich täglich negative Konsequenzen in verschiedenen Abstufungen der Intensität und alle bis auf sehr wenige Ausnahmen sind nicht nur normal und harmlos, sondern auch notwendig und nützlich.
Was wir heute über Psychologie, Entwicklung von Sozialverhalten und Resilienz wissen bestätigt, dass klare Grenzen und unangenehme, faire Konsequenzen genauso notwendig sind wie Freiheit und Zuwendung, um sich gesund zu entwickeln.
Statt nach Methoden zu fragen, sollte wir viel mehr nach dem wirklich wichtigen fragen:
Nach der Angemessenheit an den individuellen Charakter des Hundes.
Wie die Beziehung zueinander aufgestellt ist und ob aus einer sicheren und liebevollen Verbindung heraus etwas unterbunden wird, oder ob jemand Rache verübt.
Was der Hund verstehen, umsetzen und ändern kann und ob er in der Lage ist, das Verhalten mit der Konsequenz in einen Bezug zu bringen, um dieser Konsequenz entgehen zu können.
Die Art wie der strafende Mensch dabei vorgeht, aus welcher Zielsetzung er heraus agiert, wie konsequent und überschaubar er dabei ist und ob er ohne Wut eingreifen kann.
Ob der Mensch genügend Fähigkeiten vermittelt, bekommen hat sich körpersprachlich und in seinen Handlungen klar und verständlich auszudrücken.
Ob es im allgemeinen Umgang im Alltag noch Vorarbeit bedarf, um Mensch und Hund in eine andere Beziehungsposition zueinander zu bringen.
Ob es ausreichende Förderung der Fähigkeiten gab, die der Hund braucht, um das Verhalten zu verändern.
Ob die Genetik des Hundes die Ansprüche des Menschen zulässt.
Ob der Mensch zuverlässig agiert, der Hund sich auf ihn verlassen kann und er auch ansonsten seinen Pflichten nachkommt, die er als Mensch dem Hund gegenüber trägt.
Was davor und danach passiert und wie der Hund aufgefangen wird, wenn er verunsichert ist.
Und natürlich, ob die Konsequenz dem Verhalten und dem Grad der Gefahr, die von diesem Verhalten ausgeht, angemessen ist.
Das sind Dinge, die geklärt werden müssten, um eine sinnvolle Strafe, die zu einer Verbesserung der Lebensqualität aller Parteien führen soll zu finden. Nur dann kann Lernen stattfinden. Erst dann können Strafen immer unnötiger werden und der Hund durch das Verstehen von dem, was unerwünscht ist mehr Freiheiten genießen. Wir brauchen sinnvolleres Strafen und nicht weniger.
Solange wir aber nur darauf schauen welche Methode der Strafe wir persönlich gut oder nicht gut finden, oder ob man überhaupt strafen darf, ist es Murks und bringt niemandem etwas. Es tabuisiert ein Thema, mit dem wir uns dringend mehr und vor allem schlauer beschäftigen sollten, als es als „böse“ abzutun und zu verteufeln.
Menschen die Hunde völlig unangemessen behandeln und ihnen Unrecht tun werden wir nicht dadurch verlieren, dass wir behaupten, das Strafe grundsätzlich böse sei. Sie werden auch nicht aufhören, weil wir behaupten, dass Menschen, die versuchen nur zu loben die ehrenwerteren Menschen seien.
Denn beides ist falsch.
Beides schafft im Zweifelsfall neues Leid für Hunde und Menschen. Das führt zu Überforderung und aus Überforderung und Verzweiflung folgt schnell unangemessene Strafe.
Beide Behauptungen entziehen sich dem notwendigen Umgang und einem tiefergehenden Verständnis und einer sinnvollen Umsetzung durch komplette Missachtung des Themas.
Strafe findet statt. Überall in der Erziehung, ob man will oder nicht und der Grund, dass sie oft so falsch angewendet wird, oder hinter verschlossenen Türen ungeahnte Ausmaße annimmt ist nicht das Strafen. Es ist das so tun, als sei Strafe dasselbe wie Rache und das Aufrechterhalten dieses Irrglaubens.
Es ist das Schweigen, das Verteufeln, das Verbreiten von Unwahrheiten und Vorurteilen. Es ist das so tun, als sein es alles nur eine Frage der eigenen Meinung oder persönlichen Betrachtungsweise und als gäbe es dazu keine wissenschaftlichen Grundlagen die „richtig“ und „falsch“ klar definieren würden.
Und es ist das sich aufschwingen zum vermeintlich netteren Menschen, indem man anderen die Illusion verkauft dieses Thema ausklammern zu können.
Wir brauchen kein Hundetraining ohne Strafe, wir brauchen ein Hundetraining mit sinnvollerer, angemessener und verständlicherer Strafe. Und wir brauchen Profis die Bescheid wissen, Menschen darin anleiten, Fragen beantworten, Sicherheit geben und helfen.
Diese Hundeprofis gibt es und sie müssen sich ständig verteidigen und gegen laienhaftes Halbwissen oder schlicht Ideologien wehren und rechtfertigen. Dabei kann jeder Hundemensch froh sein eine Hundeschule zu haben, die ohne Dogma und nach wissenschaftlichen Grundlagen lehrt. Da wo nach Hintergründen und sinnvollem Umgang geschaut wird und nicht auf einer Liste die „guten“ und „schlechten“ Methoden aufgeteilt werden, sondern die „fairen“, „sinnvollen“ und denen die bestmöglich dazu führen, dass dieser Hund und dieser Mensch in Harmonie miteinander auskommen, ihren Bedürfnissen gerecht leben können und so frei wie möglich so viel schöne Zeit wie möglich miteinander verbringen können.
An alle die so trainieren und die dranbleiben, auch wenn Ihr Euch manchmal gegen komische Angriffe verteidigen müsst sage ich: Danke, dass es Euch gibt!