03/11/2024
Das hauptsächliche Anliegen von vielen Tierschützern, Tierärzten und anderen Beteiligten an den „Qualzuchtkampagnen“ ist, bestimmte phänotypische Merkmale von Kaninchen (nur um die geht es hier) als „Qualzucht“ einzustufen. Im Wesentlichen sind das:
- die Körpergröße (Zwerge)
- die Kopfform (kurz bzw. brachycephal)
- die Ohrform (hängend).
Ich habe in den letzten Jahren sehr viel Fachliteratur gelesen und kann mit einiger Sicherheit sagen, dass es bis 2024 keine repräsentative Studie gab, die eine Evidenz (einen Beweis) dafür lieferte, dass Widderkaninchen bevorzugt von einer Krankheit auf Grund eines phänotypischen Merkmales betroffen wären.
Die Anhänger der Qualzuchtthesen werden jetzt aufstöhnen und sagen, dass es NATÜRLICH unglaublich viele Quellen gibt, die das beweisen würden.
Ja, es gibt viele Studien zu den verschiedenen „Qualzucht“-Themen, aber keine, die einen Beweis liefern würde.
Begründet liegt das in den Studienmethoden, was natürlich auch die Experten der QUEN gGmbH wissen – hoffe ich jedenfalls. Sonst würden sie nicht die Philosophie für ihre Evidenz-Definition bemühen, die keinerlei Beweisführung benötigt. Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Nach dem Motto: „Man sieht doch, dass der Kopf viel zu kurz ist!“. Zack. Qualzucht. Verbieten.
Rachel Dean gab 2013 in einem Artikel über die Evidenzbasierte Veterinärmedizin Tipps dafür, wie man Studien lesen sollte und was es dabei zu beachten gilt.
Die ersten 4 Tipps klingen eher banal, trotzdem scheitern schon die meisten „Experten“ bereits an diesen (sinngemäße Übersetzung in „Anführungszeichen“, Anmerkungen darunter sind von mir):
Tipp 1: „Die Qualität veröffentlichter Studien ist unterschiedlich, daher ist es wichtig, sich vor der Umsetzung der Ergebnisse einer Studie zu vergewissern, ob es sich um gute Wissenschaft handelt.“
Tipp 2: „Das Ziel einer Studie lässt sich am besten im letzten Absatz der Einleitung finden.“
Tipp 3: „Lesen Sie nicht nur die Zusammenfassung einer Arbeit und glauben Sie nicht alles, was darin steht.“
Anmerkung: es ist tatsächlich so, dass sich in manchen Zusammenfassungen abweichende Aussagen zu den Ergebnissen finden oder dass manche, wichtige fehlen. Oft merkt man in Diskussionen, dass jemand die Studie nicht gelesen hat, weil er nur Formulierungen aus der Zusammenfassung (Abstract) wiedergibt.
Tipp 4: „Die erste Stelle einer Studie, an der festgestellt werden kann, welches Studiendesign verwendet wurde, ist der Abschnitt über die Methoden; dieser Abschnitt gibt an, ob die Studie angemessen konzipiert wurde, um die Frage bzw. das Ziel zu beantworten.“
Anmerkung: an diesem Punkt entscheidet sich, ob z. B. die Frage „Leiden Widderkaninchen häufiger an Ohrerkrankungen?“ objektiv beantwortet werden kann. Viele Studien habe ich früher nicht gelesen, weil sich bereits aus dem Studiendesign ergab, dass sie nicht beantwortet werden kann. Heute muss ich sie leider trotzdem lesen, weil sie mir ständig präsentiert werden - „waste of time“.
Fortsetzung folgt …
Quelle:
Dean, R. (2013). How to read a paper and appraise the evidence. In Practice, 35(5), 282-285. doi:10.1136/inp.f1760