22/12/2024
Heute folgt nun unsere vierte und letzte Advents-Vermittlungsgeschichte für dieses Jahr. Mit großer Freude und dem ein oder anderen Tränchen im Auge geht es heute um Scott, der im vergangenen Mai nach sage und schreibe fast sieben Jahren Tierheim endlich sein Zuhause gefunden hat.
Scott, ein portugiesischer Mischlingsrüde, kam im Sommer 2017 mit einer Gruppe anderer Hunde zu uns ins Tierheim. Darunter waren viele schüchtern bis ängstlich, aber keiner der anderen war so wie Scott. Bei Annäherung von Menschen bekam Scott die ersten Monate Panikattacken und ging bei seinen blinden Fluchtversuchen wortwörtlich die Wände hoch, machte unter sich, leerte seine Analdrüse... er hatte buchstäblich Todesangst vor uns Menschen. Ob er vorher überhaupt jemals positive Interaktionen mit einem Menschen hatte, wissen wir nicht. Auf jeden Fall verknüpfte er vor allem unsere Hände mit etwas sehr Schlechtem.
Einigermaßen wohl fühlte er sich nur, wenn er in einer Gruppe Hunde untertauchen konnte. Solange er auf diese Weise "unsichtbar" war, blieb er in der Nähe - gab man ihm jedoch auch nur behutsam Aufmerksamkeit, war er über alle Berge und hielt danach tagelang erst recht Abstand. Angefasst zu werden, blieb für Scott lange Zeit ein absolutes No-Go.
Irgendwann duldete er die Nähe von einzelnen Kolleginnen immer mehr, eine schlief bei ihm, las ihm vor, er fraß sogar aus ihrer Hand. Er beobachtete, wie seine Hundekumpels sich kuscheln ließen, setzte sich sogar - mit Sicherheitsabstand - in die Nähe. Aber mit der leeren Hand in seine Nähe kommen? Pffff, niemals. Trotz des Fortschritts und seiner Zuneigung zu wenigen Kolleginnen war dies die größte Hürde. Während die anderen "Angsthunde" längst mit Sicherheitsgeschirr & Co. ihre Gassirunden drehten, zum größten Teil vermittelt waren, feilten wir mit Scott noch daran, dass wir an ihn herankommen, ohne dass er dies als Tortur empfindet. Eine Vermittlung? In weiter Ferne... es sei denn, jemand hätte ein großes, sicher eingezäuntes Grundstück mit Zugang zum Haus, mindestens schon einen sozialverträglichen Hund sowie Lust und Zeit auf einen Hund, der nicht Gassi geht und der sich maximal auf 1-2 m nähert, wenn überhaupt....
Der tägliche Freilauf von seinem Zimmer zu unserem großen Hundeplatz war irgendwann Scotts totales Highlight. Gemeinsam mit den anderen Hunden runterzulaufen und dort ordentlich Gas geben zu können war das Größte. Dazu mussten wir sichergehen, dass auf dem Gelände alles abgeschlossen ist und genug Zeit einplanen - denn selbständig hinauslaufen ist eine Sache, selbständig zurück ins Zimmer laufen konnte dagegen schon mal eine Weile dauern, zumindest in der ersten Zeit. Vor allem durch Türrahmen und Luken konnte Scott oft nicht ohne Weiteres durch, sondern stoppte oft im letzten Moment fiepend ab und musste zum Stressabbau noch eine Runde laufen, bevor er beim dritten oder vierten Versuch so einen gruseligen Durchgang überwinden konnte.
Der große Durchbruch kam, als wir den Moment anfingen zu nutzen, in dem Scott wusste, dass es gleich auf den Hundeplatz gehen sollte. Dieser seltene Moment der Begeisterung und Freude ließ ihn die Anwesenheit des Menschen ein wenig vergessen, sodass er in seinem Eifer die sonst so sorgsam gewählte Distanz unterschritt und wir unverschämterweise winzig kleine Berührungen zum Ritual machen konnten. Auch das war für Scott zuerst erschreckend, aber durch das darauffolgende Glücksgefühl namens Hundeplatz von Tag zu Tag leichter wegzustecken.
Dank diesem Meilenstein scheint sich ein fest verschlossenes Türchen in Scotts Kopf geöffnet zu haben. Nachdem er merkte, dass die Berührungen keine schlimmen Konsequenzen haben, konnten wir endlich wieder Fortschritte machen. Aus Berührungen wurde ein Halsband anlegen, dann ein leichtes Geschirr anlegen, dann eine Leine für wenige Sekunden befestigen. Das Führen an der Leine war nach dem Akzeptieren eines Fremdkörpers an Scotts Körper die nächste große Herausforderung. Jede plötzliche Spannung der Leine musste dringend unterbleiben, da sonst wieder eine Panikattacke folgen konnte und wir Fortschritte zunichte machen würden. Mit viel Übung entwickelte Scott hier auch eine gewisse Resilienz und gewöhnte sich an die nächste Neuheit. Nach langem Üben auf dem gesicherten Gelände wagten wir mit vertrauter Hundebegleitung und dreifacher Sicherung zu ruhigen Uhrzeiten die ersten Schritte vor unserer Haustür und steigerten dies langsam ...bis Scott tatsächlich irgendwann fast normale Spaziergänge machen konnte. Ein echtes Glücksgefühl für alle und vor allem: Viel bessere Chancen für eine Vermittlung!
Und dann kamen sie, die ersten richtigen Anfragen für Scotty! Nicht massenweise, aber doch vereinzelt und unsere Hoffnung stieg. Nachdem die ersten Termine immer nach wenigen Besuchen damit endeten, dass es leider nicht passt - bei allen Fortschritten war Scott ja noch immer ein besonderer Hund, der nicht jeden Alltag mitmachen kann - meldeten sich auf einmal noch zwei wunderbare Menschen bei uns: Myriam und Lars. Die beiden wollten Scott kennenlernen. Man merkte ihnen schon am Telefon an, sie haben eine Mission und machen keine halben Sachen! 🥰 Die beiden kamen ca. ein Vierteljahr fast täglich(!) zu uns, um zu Scott eine Bindung aufzubauen. anfangs einfach nur auf einer Picknickdecke auf dem Auslauf, sodass er selbst entscheiden konnte, wann er sich nähert. Dann übten wir Gassigehen, schrittweise das Einsteigen ins Auto, Versteckspiele, vorsichtiges Kuscheln...die drei wurden ein eingespieltes Team. ❤️ Der erste Besuch zu Hause war einfacher als gedacht, bei Scott war etwas passiert: Er hatte gelernt mit neuen Situationen umzugehen, nicht sofort die Nerven zu verlieren...
Wir sind stolz auf ihn und was er für sich selbst möglich machen konnte. Heute wohnt er nun seit über einem halben Jahr bei Myriam und Lars und hat sogar vor Kurzem schon seinen ersten Ostsee-Urlaub erlebt. =) Scott braucht kein Hochsicherheits-Grundstück und keine anderen Hunde mehr zum Verstecken. Und auch wenn er wohl kein Schosshund mehr wird, genießt er seine Schmuseeinheiten und die Gesellschaft mit seinen Menschen.
Wir danken Myriam und Lars von Herzen, dass sie sich auf das Abenteuer eingelassen haben, Scott die Zeit gegeben haben, die er braucht und er nach all den Jahren endlich-endlich-endlich ein richtiges Zuhause bei ihnen gefunden hat. 🙏🙏🙏
In diesem Sinne wünschen wir euch allen einen wunderschönen 4. Advent! 🎄