30/08/2023
FÜR MEHR EMPATHIE IN DER KOMMUNIKATION🌈
„Er hat Krebs. Da kann man nichts mehr tun. Machen Sie ihm noch eine schöne Zeit“, sagte die Tierärztin zu meiner Patientin, als diese ihren 14 Jahre alten Seelenhund wegen auffälligem Hecheln und anhaltenden Hüsteln vorstellte.
Bis auf das Abtasten der Lymphknoten war zu diesem Zeitpunkt keine weitere Diagnose erfolgt. Kein Blutbild, kein Röntgen, kein CT, nichts.
Frauchen spürte, wie ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Sie bekam keine Hilfestellung, keine Stütze, keinen Hinweise zum weiteren Verlauf, zu möglichen palliativen Therapien und notwendigen Hilfeleistungen. Sie wurde völlig sich selbst überlassen. Und dennoch gab Frauchen nicht auf, sie bündelte Liebe und Verzweiflung und fasste den Mut, neue therapeutische Wege zu beschreiten - oder besser: Eine Therapie zu suchen, sich nicht mit bloßer Palliation zufrieden zu geben.
Sammy geht es heute, zwei Tage nach der Erstanamnese, fünf Tage nach der verheerenden Diagnose, besser. Keiner weiß, wie viel Zeit ihm bleibt. Doch darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, diese Zeit so schön, so schmerzfrei und so unbeschwert wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Oder wie die Begründerin der Hospizarbeit Cicely Saunders sagte: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Zu erfahren, mit welcher kühlen Fatalität und welcher Nachdrücklichkeit manche Tierärzt:innen ihren Patientenbesitzer:innen die schlimmsten Diagnosen vor die Füße schmeißen, macht mich ebenso wütend wie traurig.
Ja. Als Therapeutin bin ich angehalten, offen und ehrlich zu kommunizieren. Aber das darf ich auf eine einfühlsame und zugewandte Weise tun, respekt- und liebevoll, dem Menschen wie dem Tier gegenüber.
Die Tierhalter:innen vertrauen uns Therapeut:innen nicht nur die Gesundheit ihres Vierbeiners an, sondern auch ihr eigenes Wohlergehen. Keiner von uns kann abschätzen, welches Päckchen dieser Mensch da mit sich schleppt, der uns verzweifelt und hilfesuchend gegenüber steht. Keiner weiß, wie er oder sie mit der Diagnose umgehen wird, was sie in ihm oder ihr auslöst, welche verdrängten Erfahrungen und Ängste noch einmal losgetreten werden, welches Thema wir berühren oder im schlimmsten Falle triggern. Wir wissen nicht, was dieser Mensch fühlt oder tut, wenn wir die Tür hinter uns schließen.
In dieser Situation erinnere ich mich an den Frühsommer 2004 zurück, als meine damalige Hausärztin mich nach der Auswertung meines Blutbildes zu sich in die Sprechstunde zitierte. Sie konfrontierte mich damals mit der Diagnose Leukämie: „Blutkrebs“. Ich war 19 Jahre alt, und ich steckte die Diagnose überraschend unbeteiligt weg.
Nun bin ich 38 und ich bin noch hier. Warum? Nicht weil ich erfolgreich eine (Chemo-)Therapie durchlaufen habe, nein.
Weil die Diagnose falsch war. Fehler können passieren, das ist nicht der Punkt. Aber die Art und Weise, dass diese Ärztin einem in meinem Falle, Volljährigkeit hin oder her, halbwüchsigen und sicherlich geistig und emotional unreifen Mädchen diese Diagnose überbrachte, ohne sich zu vergewissern, dass es aufgefangen, gehalten und getragen würde, ist äußerst fragwürdig. Meine Mutter stellte damals diese Ärztin zur Rede, und ich höre sie heute noch sagen: „Sie können froh sein, dass Franzisca das so weggesteckt hat. Manch anderer hätte sich von der Brücke gestürzt.“
In diesem Sinne: Jeder kämpft einen Kampf, der für Außenstehende nicht sichtbar ist. Jeder trägt sein Päckchen. Seine Geschichte. Viele Menschen hängen Tag für Tag an einem dünnen Stricklein, das sie noch halbwegs aufrecht erhält, das sie durchhalten lässt, auch wenn die Kraft längst aufgebraucht ist. Lasst uns fair, freundlich, achtsam und respektvoll miteinander umgehen. Vielleicht sind wir an diesem einen, besonderen Tag der letzte stabile Faden, der dafür sorgt, dass dieses Stricklein nicht reißt.
FÜR MEHR EMPATHIE IN DER KOMMUNIKATION🌈
„Er hat Krebs. Da kann man nichts mehr tun. Machen Sie ihm noch eine schöne Zeit“, sagte die Tierärztin zu meiner Patientin, als diese ihren 14 Jahre alten Seelenhund wegen auffälligem Hecheln und anhaltenden Hüsteln vorstellte.
Bis auf das Abtasten der Lymphknoten war zu diesem Zeitpunkt keine weitere Diagnose erfolgt. Kein Blutbild, kein Röntgen, kein CT, nichts.
Frauchen spürte, wie ihr der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Sie bekam keine Hilfestellung, keine Stütze, keinen Hinweise zum weiteren Verlauf, zu möglichen palliativen Therapien und notwendigen Hilfeleistungen. Sie wurde völlig sich selbst überlassen. Und dennoch gab Frauchen nicht auf, sie bündelte Liebe und Verzweiflung und fasste den Mut, neue therapeutische Wege zu beschreiten - oder besser: Eine Therapie zu suchen, sich nicht mit bloßer Palliation zufrieden zu geben.
Sammy geht es heute, zwei Tage nach der Erstanamnese, fünf Tage nach der verheerenden Diagnose, besser. Keiner weiß, wie viel Zeit ihm bleibt. Doch darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, diese Zeit so schön, so schmerzfrei und so unbeschwert wie nur irgendwie möglich zu gestalten. Oder wie die Begründerin der Hospizarbeit Cicely Saunders sagte: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Zu erfahren, mit welcher kühlen Fatalität und welcher Nachdrücklichkeit manche Tierärzt:innen ihren Patientenbesitzer:innen die schlimmsten Diagnosen vor die Füße schmeißen, macht mich ebenso wütend wie traurig.
Ja. Als Therapeutin bin ich angehalten, offen und ehrlich zu kommunizieren. Aber das darf ich auf eine einfühlsame und zugewandte Weise tun, respekt- und liebevoll, dem Menschen wie dem Tier gegenüber.
Die Tierhalter:innen vertrauen uns Therapeut:innen nicht nur die Gesundheit ihres Vierbeiners an, sondern auch ihr eigenes Wohlergehen. Keiner von uns kann abschätzen, welches Päckchen dieser Mensch da mit sich schleppt, der uns verzweifelt und hilfesuchend gegenüber steht. Keiner weiß, wie er oder sie mit der Diagnose umgehen wird, was sie in ihm oder ihr auslöst, welche verdrängten Erfahrungen und Ängste noch einmal losgetreten werden, welches Thema wir berühren oder im schlimmsten Falle triggern. Wir wissen nicht, was dieser Mensch fühlt oder tut, wenn wir die Tür hinter uns schließen.
In dieser Situation erinnere ich mich an den Frühsommer 2004 zurück, als meine damalige Hausärztin mich nach der Auswertung meines Blutbildes zu sich in die Sprechstunde zitierte. Sie konfrontierte mich damals mit der Diagnose Leukämie: „Blutkrebs“. Ich war 19 Jahre alt, und ich steckte die Diagnose überraschend unbeteiligt weg.
Nun bin ich 38 und ich bin noch hier. Warum? Nicht weil ich erfolgreich eine (Chemo-)Therapie durchlaufen habe, nein.
Weil die Diagnose falsch war. Fehler können passieren, das ist nicht der Punkt. Aber die Art und Weise, dass diese Ärztin einem in meinem Falle, Volljährigkeit hin oder her, halbwüchsigen und sicherlich geistig und emotional unreifen Mädchen diese Diagnose überbrachte, ohne sich zu vergewissern, dass es aufgefangen, gehalten und getragen würde, ist äußerst fragwürdig. Meine Mutter stellte damals diese Ärztin zur Rede, und ich höre sie heute noch sagen: „Sie können froh sein, dass Franzisca das so weggesteckt hat. Manch anderer hätte sich von der Brücke gestürzt.“
In diesem Sinne: Jeder kämpft einen Kampf, der für Außenstehende nicht sichtbar ist. Jeder trägt sein Päckchen. Seine Geschichte. Viele Menschen hängen Tag für Tag an einem dünnen Stricklein, das sie noch halbwegs aufrecht erhält, das sie durchhalten lässt, auch wenn die Kraft längst aufgebraucht ist. Lasst uns fair, freundlich, achtsam und respektvoll miteinander umgehen. Vielleicht sind wir an diesem einen, besonderen Tag der letzte stabile Faden, der dafür sorgt, dass dieses Stricklein nicht reißt.