19/05/2023
DUKE'S GESCHICHTE
Immer wieder begegnen mir Bilder und Videos von Pferden, die auf Abreiteplätzen, Reithallen ect eingerollt, fast ihre Brust berühren. Ich sehe die Panik in ihren Augen, das zum stummen Schrei geöffneten Maul, aus dem Schaum tropft.
Immer wieder diskutiere ich mit Menschen, die das als "nicht so schlimm" einstufen, es selbst anwenden und es als legitime "Trainingsmethode" verteidigen.
Solche Reiter behaupten gerne, ich würde haushoch übertreiben. Was mich am meisten an solchen Diskussionen frustriert ist, dass mir bis heute keiner ein gutes Argument "pro Rollkur" nennen konnte und sie aber trotzdem an ihrer Meinung und ihrem Tun festhalten.
Ja, ihr habt recht, es scheint eins meiner Lieblingsthemen zu sein.... Rollkur und andere fragwürdige Trainingsmethoden.
Wohl deshalb, weil Reiter, die solche Methoden anwenden, Siege kassieren..., weil sie bejubelt werden und weil sie immer wieder in Schutz genommen werden. Dadurch werden diese in ihrem Handeln bestärkt und sehen keinen Grund daran etwas zu ändern. Sie sind Vorbilder für andere und ihr Tun findet Nachahmer, weil ihr Weg scheinbar zum Ruhm führt
Diese Tatsache macht mich wütend!
Doch weiß ich auch, dass meine Wut keinem hilft... nicht den Menschen, der blind ist für das Leid, das er verursacht und in keinster Weise den Pferden.
Deshalb habe ich beschlossen heute ausnahmsweise einmal Duke zu Wort kommen zu lassen..., denn für ihn waren diese Bilder Realität...., sind Teil seines Lebens, seiner Vergangenheit.
Duke weiß wovon er redet, denn die Zeit hat tiefe Wunden in seine Seele geschnitten. Ich ahne davon, wenn ich in seine Augen blicke...
Aber hört selbst:
"Hallo , ich bin Duke... Zwergnase's Kumpel. Normalerweise rede ich nicht soviel, aber Frauchen hat mich darum gebeten meine Geschichte zu erzählen. Also gut..., dann erzähle ich sie.
Ich stamme aus gutem Hause. Meine Vorfahren waren sehr berühmte Pferde mit edler Linie. Man sagt, ich hätte gutes Blut.
Ich kam in einem noblen Stall zur Welt. Alle Pferde , die dort wohnten hatten ebenso einen langen Stammbaum vorzuweisen...., auch die Fohlen mit denen ich spielte. Man setzte große Hoffnung auf mich und malte meine Zukunft in den tollsten Farben.
Als ich ein Jahr alt war wurde ich verkauft und musste mein Zuhause verlassen. Aber ich hätte es schlimmer treffen können.
Eineinhalb Jahre durfte ich mit anderen Jährlingen auf die Weide. Es war eine lustige Zeit!
Dann aber musste ich erneut umziehen. Ich müsste erwachsen werden, sagten die Menschen. Also zog ich in einen kleinen Stall. Er war sauber, hell und die Menschen dort waren alle nett und kümmerten sich liebevoll um mich und die anderen Pferde, die dort wohnten. (Dort traf ich übrigens auch mein jetziges Frauchen zum ersten Mal. Sie arbeitete zu der Zeit in diesem Stall.)
Ich durfte täglich auf die Weide und meine Ausbildung begann. Langsam und geduldig durfte ich verstehen lernen, was die Menschen von mir wollten. Ich lernte Reitergewicht auf meinem Rücken zu dulden und lernte mit der Zeit die gemeinsame Sprache zwischen Mensch und Pferd immer besser verstehen. Ich lernte schnell und fleißig..., machte Fortschritte und durfte bald, mit einem Stallgenossen, zu meinem ersten Turnier. Das war spannend!
So ging das einige Jahre... Training, Weide und immer wieder Turnierluft. Ich war glücklich. Die Menschen waren freundlich und behutsam zu mir. Mittlerweile ging ich schon Dressur in einer höheren Klasse. Es wurde Zeit die schwere Klasse abzusolvieren.
Da das Zuhause nicht möglich war, musste ich für eine Weile in einen Ausbildungsstall. Dort lebte ich einer Box, keine Weide und täglich Unterricht. Die Menschen, die dort mit uns Pferden arbeiteten, waren so ganz anders, als ich Menschen bisher kennenlernen durfte.
Barsch war ihr Umgangston. Sie waren gestresst und hüpften von einem Pferd zum nächsten. Sie hatten keine Zeit uns zuzuhören. Sie hatten einen Job zu erfüllen und der hieß mich weiter auszubilden. Wenn ich etwas nicht verstand, dann wurde ich gezwungen, es zu verstehen. Sie taten mir weh. Sie machten mir Angst. Sie hörten nicht auf das, was ich versuchte zu sagen.
Ich schrie stumm vor mich hin, wenn ich in der Box stand, weil ich Angst hatte, mein Bereiter könnte jeden Augenblick mit Sattel und Kandare um die Ecke kommen. Ich schrie auf, als er dann wirklich kam und ich den Sattel sah. Ich schrie, als er auf mich stieg, weil ich wusste, was jetzt kommen würde. Doch keiner hörte mein Schreien!
In diesem Stall war Angst von nun an mein ständiger Begleiter.
Vor Angst konnte ich nicht mehr lernen, machte alles falsch und man zwang mich alles richtig zu machen. Ich konnte weder denken, noch verstehen, was da mit mir geschah. Die Angst nagte an mir..., an meinem Mut, meinem Stolz..., an meiner Seele. Es stimmt "Angst macht Seele kaputt!".
Doch irgendwann geht auch die schlimmste Zeit vorüber. Ich durfte wieder nach Hause in meinen kleinen Stall. Aber ich hatte mich verändert. Mein Blick war leer. Ich hatte kein Interesse an dem, was um mich geschah. Und meine Angst vorm Sattel und dem geritten werden verging auch Zuhause nicht. Zudem schmerzte mein Maul (später stellte man fest, dass ich eine schwere Kiefergelenksentzündung hatte) und ich wehrte mich gegen das Gebiss und nahm auch so keine Reiterhilfe mehr an.
So manch einer hätte gesagt, ich sei unwillig, doch ich konnte einfach nicht mehr und ich wollte nicht mehr.
Meine Menschen stellten mich ein Jahr auf die Weide, damit ich vergessen könnte und wieder fit werden würde.
Aber ich konnte nicht vergessen. In meinen Träumen erlebte ich die Zeit im Ausbildungsstall immer und immer wieder. Die Angst hatte sich in meine Seele eingebrannt. Ich war nicht stark genug. Ich bin daran zerbrochen und werde die Dämonen nicht mehr los.
Auch nach dem Jahr Auszeit war es mir nicht möglich mit den Menschen zusammenzuarbeiten. Jedes Mal kamen die alten Bilder in mir hoch und meine Angst fing an mich zu lähmen. Jeder noch so gutgemeinte Versuch mich das Vergangene vergessen zu lassen scheiterte.
Und so wurde mein jetziges Frauchen gefragt, ob sie mich nehmen würde. Mein Frauchen arbeitete schon einige Jahre nicht mehr in meinem Stall.
So war sie anfangs über dieses Angebot sehr überrascht, aber sie sagte zu.
So machte ich meine letzte Reise.... zu meinem Frauchen, zu Zwergnase, zu den Ponys und all den anderen Bewohnern hier am Hof. Dort begann ein Leben, das ich so nicht kannte. Der Stall eher zweckmäßig, keine weißgestrichenen Koppelzäune, kein Laufband, keine Wärmelampe. Nichts, nur das nötigste! Ich wusste bis dahin nicht mal, dass Pferd überhaupt so leben kann. Heute weiß ich, es ist möglich und eigentlich gar nicht mal so schlecht.
Mein Frauchen fing nach einer Weile auch an mit mir zu arbeiten. Auch diese Arbeit war anders als alles, das ich bisher kannte. Ich lernte Tricks und Kunststücke, Bodenarbeit und Freiarbeit. Ja, und das machte Spaß!
Ich lernte wieder zu lernen. Es dauerte lange bis Frauchen anfing mich wieder zu reiten. Doch das bereitet mir auch heute noch großes Unbehagen...., vor allem wenn es Richtung Platz geht.
Geländeritte beginnen mir mehr und mehr Spaß zu machen und an guten Tagen passagiere ich sogar unter ihr und lasse erahnen, welch stolzer Tänzer ich einst war. Doch manchmal überkommt mich plötzlich diese Angst, die ich wohl nie ganz verlieren werde.
Die Welt um mich herum verschwimmt. Ich höre nichts mehr, spüre nichts mehr und ich reagiere auf nichts mehr. Ich will das nicht aber es passiert.
Mein Frauchen hat gelernt damit zu leben. Das wichtigste aber von allem ist, dass sie versucht mich zu verstehen. Sie weiß, dass ich das alles nicht mit Absicht mache, sondern einfach oft nicht anders handeln kann.
Ich bin nicht mehr das Pferd, das ich einst war! Ich kann einfach nicht vergessen!
Warum ich euch meine Geschichte erzähle...???
Weil ich möchte, dass ihr versteht!!!
Wir Pferde sind wohl die sensibelsten Geschöpfe dieser Erde. Das Hineinzwingen in eine uns unnatürliche Haltung versetzt uns in Panik. Wir können kaum noch was sehen, wenn ihr uns den Kopf auf die Brust zwingt. Das Atmen und Abschlucken fällt uns schwer. Wir bekommen Panik.
Das Adrenalin schnellt hoch. Jede einzelne Faser unseres Körpers ist auf Flucht programmiert. Doch wir können nicht fliehen. Wir müssen es leise ertragen. Das ist Hölle! Das ist Horror!!!
Nichts berechtigt den Menschen dies einem anderen Wesen anzutun!
Ich bin für mein Leben gezeichnet und ich bin nicht alleine.
Unzählige Pferde sind daran zerbrochen, so wie ich daran zerbrochen bin.
Unzählige Pferde leiden, schreien stumm, so wie ich gelitten und geschrien habe.
Unzählige Pferde, deren Namen ihr nicht kennt.
Aber ihr kennt nun meinen Namen.
DUKE...,
ein Pferd von vielen.
Ein Pferd mit Potenzial.
Ein Pferd mit Zukunft.
Ein Pferd, das einst glücklich war und nun gefangen ist in den Ängsten des Erlebten... mit den Dämonen der Vergangenheit kämpfen muss.
Ein Pferd, das euch seine Geschichte erzählte, stellvertretend für unzählig ähnlicher Geschichten.
Vergesst sie bitte nicht...!!!"