29/10/2022
Mythen rund um das Cherry eye halten sich beharrlich und führen immer wieder zu Fehlbehandlungen, unter denen die Patienten dann zu leiden haben. MYTHOS 1 ist sehr beliebt. Es wird häufig geraten, den Hund erstmal auswachsen zu lassen, bevor man ihn operiert. Der Nickhautdrüsenprolaps tritt häufig sehr früh auf und somit müsste der Hund viele Monate mit vorgefallener Drüse herumlaufen. In dieser Zeit nimmt die wichtige Drüse Schaden, wird noch größer, schränkt das Sehfeld ein und stört die Befeuchtung der Hornhaut, den Lidschluss und sogar die Lidentwicklung. Sehr sehr unangenehm ist es außerdem und kein Hund sollte damit lange herumlaufen müssen.
MYTHOS 2 hat noch schlimmere Folgen. Die Drüse wird leider noch immer häufig einfach weggeschnitten. Im ersten Moment scheint das Problem gelöst, Drüse nicht mehr sichtbar. Ziel erreicht? NEIN! Warum? Es wurde eine Drüse entfernt, die 30% (!) der Tränenproduktion übernimmt. Drüse weg, 30 % Tränen weg. 'Zufällig' betrifft das Cherry eye besonders jene Hunderassen, die auch eine Neigung zum trockenen Auge haben. Dies kann nach Entfernung der Drüse sofort auftreten oder auch erst Jahre später. Gerade dann fehlen 30% Tränen erheblich! Diese Hunde müssen dann lebenslang Medikamente erhalten und leiden sehr unter den Symptomen des trockenen Auges. Nicht in jedem Fall ist die Erkrankung medikamentell gut kontrollierbar.
LÖSUNG: Nicht bis zum Auswachsen des Hundes abwarten. Die Drüse sollte chirurgisch an ihren korrekten Platz zurückgeführt und erhalten werden. Von einem erfahrenen Operateur versorgt, ist die Prognose extrem gut und ein Wiedervorfall und Komplikationen extremst selten.
Dr. med. vet. Sabine Sahr, Tieraugenarzt in Greifswald in der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Quandt und Bracke.