28/05/2023
Das "sinnbefreite Wattebauschprinzip"
Wir werden systematisch abgestumpft. Gerade wir, die als kleine Kinder mit dem Reiten begonnen haben, sind irgendwann mit der These konfrontiert worden, dass man sich gegen Pferde durchzusetzen habe. Und dass das nur mit Gewalt geht. Ein Klaps hier, ein Gertenhieb da. Gewaltfreie Erziehung ist was für Märchenbücher und Wendyhefte.
Wer das kritisiert, ist ratzfatz im Team Wattebausch-Werfer. Und das wird natürlich als weltfremd belächelt.
Ich bekenne mich hier dazu, dass mir das "Wattebauschprinzip" ganz recht ist.
Ja, obwohl oder viel mehr WEIL ich viel mit Jungpferden und Korrekturpferden arbeite und gearbeitet habe.
Selbstverteidigung (damit das Pferd einen nicht zB umrennt) ist eigentlich nie nötig.
AUßER:
- wenn Pferde sehr gestresst sind und "kopflos" werden (oft chronischer Stress, durch Schlafmangel, ungute Herdenkonstellation etc.)
- Schmerzen haben (auch dezente chronische Schmerzen, die nicht erkannt und als Dominanz interpretiert werden)
- wenn man als Mensch vorherige Signale ignoriert hat oder falsch reagiert hat
- wenn man das Pferd unbewusst zum "Spielen" aufgefordert hat
- wenn man das Pferd mit unklarer Körpersprache genervt hat (sehen wir sehr sehr oft)
- wenn das Pferd - und das ist auch oft der Fall - einfach davon ausgeht, dass es sowieso grob gehändelt wird und das offensichtlich den Umgangsformen entspricht.
Es ist also extrem wichtig, ein gutes Lernumfeld und sehr gute Haltungsbedingungen zu schaffen und unser eigenes Handling immer weiter zu verbessern.
Übrigens neigen Menschen, die Angst haben, unsicher oder gestresst sind, viel eher dazu, laut zu werden und "Klapse" zu verteilen. Nicht in schlechter Stimmung ans Pferd zu gehen ist für beide sehr hilfreich. Das Pferd ist nicht unser Therapeut, der unsere miese Stimmung auszuhalten hat!
Eigentlich ist es das "Draufhau-Prinzip" sinnbefreit:
Denn wenn der Mensch grob kommuniziert, macht selbst das bravste Pferd das irgendwann auch. Hier fällt oft schon in der Aufzucht und im täglichen Umgang das Kind in den Brunnen.
Pferde sind keine gefährlichen Tiere, die uns nach dem Leben trachten oder - sorry, ich lache - mit uns um die Führungsposition konkurrieren. Pferde sind - eigentlich - extrem empathisch, vorsichtig und fein. Wenn sie KÖNNEN und uns VERSTEHEN, lesen sie uns Wünsche wirklich von den Augen ab, achten auf unseren Raum und sind erstaunlich vorsichtig. Verstehen können sie nur, wenn sie in unseren Handlungen ein System erkennen und wenn wir uns klar genug ausdrücken. Darin besser zu werden ist die eigentliche Aufgabe!