03/09/2023
Hallo Herr Rütter,
was kann es eigentlich Besseres geben, als die neue Staffel eines in die Jahre gekommenen TV-Formats mit einem kleinen Paukenschlag zu beginnen. Wie wir alle wissen, geht's im TV ja selten um Qualität als vielmehr um Einschaltquoten, Marketing ist alles. Und wenn Sie eines sind, dann Marketingprofi.
Ich sehe Sie also in der Redaktionskonferenz sitzen und sinnieren, was man für die Quoten tun kann.
„Wie wär mal wieder ein Aufreger?“ mögen Sie oder Ihr Team vorgeschlagen haben. Klar, immer gut, wenn sich möglichst Viele mal richtig echauffieren, das bringt Klicks und Aufmerksamkeit.
Und wie kriegt man das garantiert hin? Ganz einfach. Man nehme einen kleinen Pudelwelpen, dem man boshafte Ressourcenverteidigung unterstellt. Und weil Sie ja Profi sind und sich die Hände nicht schmutzig machen werden, nehme man außerdem eine Person dazu, die sich Hundetrainerin nennt (und ganz sicher auch den 11er besitzt, denn rechtlich muss ja alles passen) und die für die zweifelhaften berühmten 5 Minuten im Fernsehen kleine Welpen attackiert.
Und wenn der Welpe dann aufquiekt, dann stehen Sie im Off und erklären jovial und mit einem Lächeln auf den Lippen, dass der natürlich jetzt keine Schmerzen hat, sondern lediglich verwirrt ist. Klug, denn das Tierschutzgesetz und die Hundeverordnung verbieten bei Tieren ausdrücklich das absichtliche Hinzufügen von Schmerzen. Das muss natürlich schon alles schön sauber bleiben und Ihre Weste weiß, nicht wahr?
Das Konzept geht auf. Die positive Hundeszene ist in Aufruhr, Ihr Post wird fleißig geteilt. Und Ihr Fanclub jubelt - Menschen, die nichts wissen über Lerntheorie, über positive Strafe und ihre fatalen Folgen: Fehlverknüpfungen, Traumata, Angst, Vertrauensverlust, Misstrauen, weitere Verhaltensprobleme, die sich im Laufe der Entwicklung manifestieren werden... Die Fans wissen das nicht. Sie schon, schließlich nennen Sie sich "Hundeprofi". Doch statt aufzuklären, reden Sie das unsägliche, antiquierte Verhalten dieser Dame, die da medial verheizt wird, schön. Für Ihre Quote. Erbärmlich.
Trotzdem hoffe ich, dass es viele kluge, empathische Menschen gibt, die die Hässlichkeit dieser Aktion erkannt haben und deren Bauchgefühl sagt: „Nein! Das muss doch auch anders gehen! Ich kaufe mir doch keinen Hund, um den dann zu behandeln wie den letzten Dreck.“
Diese Menschen mit dem richtigen Bauchgefühl werden immer mehr, und am Ende werden der Verstand und die Empathie siegen, daran glaube ich fest. Bis es dazu kommt, werden allerdings noch eine ganze Reihe von Welpen kaputt gemacht werden. Alles für Ihre Quote...
Es ist einfach nur eine Schande, dass Hundetrainer wie Sie im Jahr 2023 dazu beitragen, dass es gesellschaftsfähig bleibt, Hunde über Strafe, Angst und Schrecken erziehen zu wollen - wider besseren Wissens. Das ist so traurig.
MfG
Carolin Hoffmann