10/02/2025
Der Tod des Glückes ist die Suche nach Perfektion
Ein Welpe zieht ein – die Begeisterung ist groß. Wochenlang wurde überlegt, recherchiert, vielleicht sogar ein bisschen gelesen. Und dann sitzt er da, dieses kleine, tapsige Wesen mit den unschuldigen Augen, das laut Internet und diversen „Experten“ nur noch ein paar Wochen Prägung, ein bisschen Sozialisierung und ganz viel Liebe braucht, um der perfekte Begleiter zu werden.
Ein Hund, der überall mitkann, der weder an der Leine zieht, noch Ressourcen verteidigt, nicht jagt, sich mit jedem Artgenossen versteht und der im besten Fall sogar noch morgens den Kaffee bringt.
Doch sechs, acht, zwölf Monate später stehen dieselben Menschen in Hundeschulen, die selbst wie Pilze aus dem Boden schießen – überfordert, verzweifelt, manchmal sogar wütend.
Ihr Hund funktioniert nicht. Er hört nicht, er pöbelt, er zieht an der Leine, und überhaupt: „So war das nicht geplant.“
Die Illusion von Kompetenz: Deutschlands neues Expertentum
Dieses Phänomen ist kein Zufall. Es ist eine Mischung aus Selbstüberschätzung und Einbildung – zwei Eigenschaften, die sich in Deutschland bestens kultivieren lassen.
Zur Fußball-Weltmeisterschaft wird jeder zum Bundestrainer, während die eigene Vereinsmannschaft nicht mal die Kreisklasse dominiert.
Beim Thema Energie sind wir plötzlich allesamt Experten für Atomkraft und Wärmepumpen, bei Kriegen für Geopolitik und Militäroperationen.
Und sobald irgendwo ein Virus auftaucht(oder freigelassen wird), sitzen die Virologen im heimischen Wohnzimmer.
Hunde sind da keine Ausnahme.
Der Markt für „Expertise“ blüht – jeder, der irgendwann mal einen Hund besessen hat oder ein Wochenendseminar mit Zertifikat besucht, hält sich für einen Trainer.
Facebook und Instagram sind voll von selbsternannten Hundecoaches, deren Qualifikation nicht selten auf „hat früher auch einen schwierigen Hund gehabt“ basiert.
Das Resultat?
Überforderte Halter, fehlgeprägte Hunde und Tierheime, die aus allen Nähten platzen.
Das große Missverständnis: Der Hund als Kuschelpartner und Sozialprojekt
Ein Hund ist kein Sozialexperiment, kein Kuscheltier, kein Therapieobjekt für unerfüllte Sehnsüchte.
Er ist ein Lebewesen mit genetischer Prägung, trieblichen Anlagen und einem klaren Bedürfnis nach Führung, Struktur und klaren Regeln.
Was aber passiert?
Anstatt von Anfang an eine stabile Basis zu schaffen, werden Welpen in sinnfreie „Spielgruppen“ gesteckt, wo sie vermeintlich „soziale Kompetenz“ lernen sollen.
Ein fataler Irrglaube.
Hunde spielen nicht im menschlichen Sinne – sie testen, sie setzen sich durch, sie loten Grenzen aus.
Wer in solchen Freiläufen die Kontrolle abgibt, riskiert die ersten Fehlverknüpfungen. Dominanz, Unsicherheit oder Mobbingverhalten – alles wird hier angelegt, oft unwiderruflich.
Gleichzeitig wird dem Welpen beigebracht, dass er sich in erster Linie an Artgenossen orientieren soll, anstatt an seinem Halter.
Ergebnis: Ein Junghund, der bei Hundebegegnungen aufdreht, sich nicht abrufen lässt und die Erwartungshaltung entwickelt, dass jeder Vierbeiner ein potenzieller Spielkamerad ist.
Das sind genau die Hunde, die später als „schwierig“ gelten und in Problemhundeschulen oder, schlimmer noch, im Tierheim landen.
Was fehlt? Kynologische Kompetenz, echte Erfahrung und echtes Training, bzw. ein professionelles Coaching.
Hundeerziehung ist kein Hexenwerk, aber sie erfordert Wissen – echtes Wissen.
Die modernen Erkenntnisse der Kynologie und Lernpsychologie liefern klare Antworten darauf, wie ein Hund zu einem zuverlässigen Begleiter wird. Dazu gehören:
• Frühzeitige, gezielte Prägung auf den Menschen
• Konsequente, klare Strukturen vom ersten Tag an
• Aufbau einer belastbaren Frustrationstoleranz
• Gezielte Umweltgewöhnung ohne Reizüberflutung
• Klare Kommunikation, die der Hund versteht
Und nein: Dazu gehören keine stundenlangen Spaziergänge mit Hundekumpels, keine überfüllten Welpenspielstunden, keine unkontrollierten Hundewiesen. Ein Hund muss lernen, sich an seinem Menschen zu orientieren – nicht an anderen Hunden.
Der Tod des Glückes ist die Suche nach Perfektion
Viele Menschen scheitern nicht, weil sie ihren Hund nicht gut erziehen wollen. Sie scheitern, weil sie einer Illusion nachjagen – der Illusion vom perfekten Hund, der alles kann, nichts falsch macht und in jeder Lebenslage besteht. Den gibt es nicht.
Aber: Man kann nach bestem Wissen und Gewissen mit seinem Hund arbeiten. Man kann lernen, ihn zu verstehen, seine Anlagen sinnvoll zu nutzen und ihn zu einem stabilen Begleiter zu formen. Das ist der einzige Weg.
Das Schiff Hund segelt noch – aber es braucht endlich wieder Menschen an Bord, die wissen, was sie tun.
- Leif Durdenson-